NSU-Prozess: Zschäpe-Doppelgängerin in Dortmund?
„Sie hat nicht den Blick gesenkt“, sagt eine Zeugin, die Beate Zschäpe in Dortmund gesehen haben will. Doch die Glaubwürdigkeit der Frau ist zweifelhaft.
HAMBURG taz/dpa | Mit Spannung wurde am 40. Verhandlungstag im NSU-Prozess vor dem Münchner Oberlandesgericht die Aussage von Zeugin Veronika von A. erwartet. Das Gericht hatte die ehemalige Journalistin vorgeladen, da sie das NSU-Trio Beate Zschäpe, Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt im April 2006 in Dortmund gesehen haben will. Wenige Tage später, am 4. April, wurde der türkischstämmige Mehmet Kubasik dort erschossen. Der Mord wird dem NSU zugeschrieben.
Die Aussage von A.s ließ am Montag allerdings zunächst auf sich warten. Auf Antrag der Verteidigung der Hauptangeklagten Beate Zschäpe gewährte das Gericht den Verteidigern und Nebenklägern Einsicht in neues Beweismaterial. Zunächst musste neues Fotomaterial gesichtet werden, der Vorsitzende Richter Manfred Götzl hatte wegen der Aussage der möglichen Belastungszeugin die Lage von deren Wohnung fotografisch dokumentieren lassen.
Denn von A. will ihre Beobachtung von ihrem Dachfenster aus gemacht haben: sie habe das NSU-Trio und eine weitere Person auf dem benachbarten Gartengrundstück gesehen, sagte sie am Montag. Sie habe das Fenster geöffnet und direkten Blickkontakt mit Zschäpe gehabt: „Sie hat nicht den Blick gesenkt, sondern etwas zur Seite gesagt.“
Bisher hatten die Ermittler keine Hinweise darauf, dass Zschäpe bei einem der zehn NSU-Morde in Tatortnähe war.
Von A. sagte, sie hätte sich anfänglich lediglich an einen Journalisten gewandt, da sie ihre Aussage für nicht bedeutend hielt. Erst später hätte sie sich an den Rechtsbeistand des weiteren mutmaßlichen NSU-Opfers Halit Yozgat gewandt.
Zweifel an der Glaubwürdigkeit
Auch der frühere Nachbar der Zeugin wurde vom BKA bereits vernommen. Er sagte, seine Frau sehe Zschäpe ähnlich. Schon im Vorfeld waren Zweifel an der Glaubwürdigkeit der Zeugin aufgekommen. Die BKA-Ermittler haben nach SWR-Berichten einen früheren Nachbarn der Frau gefunden, auf den die Beschreibung der Zeugin zutreffen könnte.
Am 31. März 2006 will er dort auf dem Grundstück an einem Hoffest teilgenommen haben. Bei dem Fest, hätte er auch seine Frau kennengelernt, die Zschäpe ähnlich sehe. Von A. betonte unterdessen, den Nachbarn nicht persönlich zu kennen.
Alexander Hoffmann, einer der Rechtsbeistände der Opfer des Kölner Bombenanschlags in der Keupstraße, warnt: „Bei Erinnerungen, die so weit zurückliegen, ist das Gericht mit der Bewertung immer etwas zurückhaltend.“ Die Aussagen der Zeugin würden aber, wenn sie denn zuträfen, erneut die Frage nach einer Unterstützung für die Taten des NSU von Kameraden vor Ort aufwerfen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Sourani über das Recht der Palästinenser
„Die deutsche Position ist so hässlich und schockierend“
Haftbefehl gegen Netanjahu
Sollte die deutsche Polizei Netanjahu verhaften?
Buchpremiere von Angela Merkel
Nur nicht rumjammern
Deutscher Arbeitsmarkt
Zuwanderung ist unausweichlich
Autounfälle
Das Tötungsprivileg
Deutschland braucht Zuwanderung
Bitte kommt alle!