NSU-Prozess in München: Der vergessliche Verfassungsschützer
Im NSU-Prozess wird ein Geheimdienstler zu einem berüchtigten V-Mann befragt. Er sagt nur einen Satz: „Daran kann ich mich nicht erinnern.“
Dabei hatte Reinhard G. durchaus eine relevante Rolle. Der Brandenburger Verfassungsschützer betreute einen der berüchtigsten V-Männer im NSU-Komplex: Carsten Sz., Tarnname „Piatto“. Von 1994 bis 2000 informierte der Neonazi den Geheimdienst über die rechte Szene. Angeworben wurde Sz. noch aus der JVA heraus: Er war nach einem Mordversuch an einem Nigerianer zu acht Jahren Haft verurteilt worden.
„Sehr hohe Qualität“ hätten die Informationen von Carsten Sz. gehabt, sagte bereits kürzlich dessen zweiter V-Mann-Führer, Gordian Meyer-Plath, heute Verfassungsschutzchef in Sachsen. Am Dienstag spricht auch Reinhard G. von „umfangreichen Informationen“ durch den V-Mann.
Dazu gehörten auch fünf Hinweise aus dem Jahr 1998 zu dem gerade untergetauchten Bombenbauer-Trio Zschäpe, Mundlos und Böhnhardt. Die Drei wollten ins Ausland fliehen, erzählte Sz. damals Reinhard G., finanziert durch Banküberfälle. Der V-Mann nannte auch Kontaktpersonen, die dem Trio Waffen und Pässe liefern sollten.
An die Meldungen könne er sich nicht mehr genau erinnern, sagt G. vor Gericht. „Aber wenn das da so steht, stimmt es schon.“ Ob die Informationen weitergeleitet wurden? Auch keine Erinnerung. Reinhard G. fällt eine Besprechung mit Thüringer Verfassungsschützern ein. „Da soll ich dabei gewesen sein.“ Der Inhalt? Keine Erinnerung.
Selbst Zschäpe zieht die Augenbrauen hoch bei diesen Antworten. Richter Götzl reicht es irgendwann. „Zur Pflicht eines Beamten gehört es auch, sich vorzubereiten. Das ist Ihnen bekannt?“ Reinhard G. nickt. „Ja.“
Das Mauern passt zum damaligen Ende der durchaus erfolgversprechenden Hinweise von Carsten Sz. – sie versiegten. Auch weil das Brandenburger Amt damals Hilfe wegen „Quellenschutzes“ verweigerte.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste
Politikwissenschaftlerin über Ukraine
„Land gegen Frieden funktioniert nicht“
Juso-Chef über Bundestagswahlkampf
„Das ist unsere Bedingung“
Verein „Hand in Hand für unser Land“
Wenig Menschen und Traktoren bei Rechtspopulisten-Demo
taz-Recherche zu Gewalt gegen Frauen
Weil sie weiblich sind
Internationaler Strafgerichtshof
Ein Haftbefehl und seine Folgen