NSU-Prozess in München: Mutter Böhnhardt beschuldigt Ämter
Die Zeugin Brigitte Böhnhardt berichtet von ihren Kontakten zu den untergetauchten Neonazis und dem Versuch, sie zur Aufgabe zu bewegen.
MÜNCHEN taz | Vor über elf Jahren trafen sie sich zum letzten Mal. In Chemnitz kam Brigitte Böhnhardt in einem Park mit Beate Zschäpe zusammen: ein geheimes Treffen der untergetauchten Neonazis mit den Eltern Uwe Böhnhardts, an dem auch Uwe Mundlos teilnahmen. Backrezepte hatte sie für Beate Zschäpe mitgebracht. Am Dienstag sahen sich die Mutter und die heute Hauptbeschuldigte im NSU-Verfahren wieder.
Keine vier Meter saß die 65-jährige Böhnhardt im lila Pullover im Oberlandesgericht München jener Frau gegenüber, die beinahe ihre Schwiegertochter geworden wäre.
Doch am 5. November 2011 erhielt die Mutter frühmorgens einen Anruf von Beate Zschäpe: „Uwe kommt nicht mehr“. Er und sein Kumpan Uwe Mundlos hatten sich erschossen. Am 57. Verhandlungstag des NSU-Verfahrens war Brigitte Böhnhardt im Saal A 101 als einzige Zeugin geladen. Bedächtig und betroffen wirkte sie.
Der Vorsitzende Richter Manfred Götzl hoffte durch ihre Aussage über die schweigende Zschäpe mehr über deren Wesen und ihre Rolle in dem Beziehungsgeflecht zu ihren „Uwes“ zu erfahren. In der Anklage hält die Bundesanwaltschaft der 36-Jährigen vor, ein gleichberechtigtes Mitglied der terroristischen Vereinigung NSU gewesen zu sein, deren einziges Ziel „die Tötung von Menschen“ war.
Brigitte Böhnhardt schilderte die Kindheit ihres Sohns, dessen schulische Probleme. Eine hörte genau zu, gab sich bewegt. Die sonst so kühl schauende Beate Zschäpe wollte der Mutter wohl Anteilnahme signalisieren, nickte vorsichtig, als Böhnhardt redete, die sie schon als Jugendliche kennen gelernt hatte.
Schwere Vorwürfe erhob die Mutter gegen die Behörden. Ein LKA-Beamter hätte ihr bei einem Gespräch gedroht, dass die drei Untergetauchten, falls sie sich bei einer Festnahme widersetzen würden, von Polizeibeamten erschossen werden könnten. Der Beamte, so Böhnhardt, habe ihr gesagt: „Wenn wir sie aufspüren und die zucken nur – glauben Sie mir, unsere Leute sind schneller mit der Pistole, die haben das gelernt.“
Nicht ohne Grund dürfte sie diese Sorgen vorgetragen haben. Denn im Saal stand auch die Frage im Raum, warum das Ehepaar Brigitte und Jürgen Böhnhardt nicht mit der Polizei kooperierte. Von 1999 bis 2002 hatte sie sich mehrmals mit den dreien getroffen.
Ein Zettel im Briefkasten
Im Briefkasten hatte sie 1999 erstmals einen Zettel mit Kontakthinweisen gefunden. Die Schrift war nicht von ihren Sohn. „Eine fremde Schrift“, erinnerte sie sich. Bei dem geheimen Treffen hätten „Uwe und Beate“ sich vorstellen können, sich zu stellen, sagte Böhnhardt. Doch Mundlos wollte das nicht.
Für Beate Zschäpe knüpfte Böhnhardt damals gar einen Kontakt zu einem Anwalt, zahlte das Anfangshonorar von 800 Euro. Der Verfassungsschutz in Thüringen hatte diese Idee ins Spiel gebracht. Zschäpe sollte sich stellen und dafür mit einer geringen Haftstrafe davonkommen.
Bereits bei einem ersten verabredeten Telefonat, so Böhnhardt, hätte sie versucht, die drei zur Aufgabe zu bewegen. „Wir haben vom ersten Telefongespräch an verlangt, dass sie sich stellen“, sagte sie. „Ich stelle mir immer und immer wieder vor, was geschehen wäre, wenn die Staatsanwaltschaft und der Verfassungsschutz zu ihrem Wort gestanden hätten. Dann hätten wir sie überreden können, sich zu stellen, dann wäre das alles vielleicht nicht passiert!“ Tatsächlich hatte die Staatsanwaltschaft Gera von Beginn an einen Deal abgelehnt.
Die Hilfe ist verjährt
Mehrmals fasst Götzl hier nach. „Es gab nie wieder ein Angebot“, antwortete Böhnhardt. Bei einem Treffen hatten die Eltern das Trio auch einmal gefragt, ob sie zusammenlebten und dass das doch nicht einfach sei. „Wir werden unterstützt“, hätten die drei gesagt.
Richter Götzl fragte aber auch: „Haben sie selbst geholfen?“ Vorsichtig erkundigte sich die Mutter nach den rechtlichen Konsequenzen einer Antwort. „Verjährt“, signalisierte Götzl. Brigitte Böhnhardt räumte dann ein: „Wir haben ihn 1998 unterstützt, haben ihnen Geld gegeben.“
Einer, der nicht wie „ein Rechter aussah“, hätten bei ihnen zu Hause das Geld abgeholt. „Völlig unauffällig“, sagte sie. Die Person hätte sie auch nicht gekannt, eine Parole war ausgemacht. 500 Mark wollen sie öfters gegeben haben.
In Kooperation mit Radio Lora München, www.lora924.de.
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