NSU-Aufklärung in Berlin: Debatte um Untersuchungsausschuss
Rot-Rot-Grün will Konsequenzen aus dem NSU ziehen und weiter aufklären. Nicht einig ist man sich, ob es einen Untersuchungsausschuss braucht.
Berlin taz | Im Bundestag und in acht Landtagen haben Untersuchungsausschüsse bislang versucht, den Mord- und Gewalttaten des NSU, ihrem Unterstützerumfeld und den Verstrickungen staatlicher Organe auf den Grund zu gehen. Berlin konnte sich bislang nicht zu einem U-Ausschuss durchringen, der rot-rot-grüne Senat ist darüber uneins.
Der Linke-Innenpolitiker Niklas Schrader sagt auf taz-Anfrage: „Einen NSU-Untersuchungsausschuss würden wir befürworten.“ Es gebe offene Fragen zu den Verbindungen des NSU nach Berlin und den Vorgängen in den Berliner Behörden. Doch die Koalition sei unsicher, ob „das Ziel einer besseren Aufarbeitung erreicht werden kann“, so Schrader. Momentan würden Gespräche sowohl zwischen den Parteien als auch mit Akteuren der Zivilgesellschaft geführt. Zu den Zweiflern gehört der Grünen-Innenexperte Benedikt Lux: Als letztes Mittel wolle er einen U-Ausschuss aber nicht ausschließen, so Lux auf Anfrage der taz.
Zu untersuchen gäbe es etwa die Verbindung des V-Manns des Berliner LKA, Thomas Starke, der zum engsten Unterstützerumfeld des NSU zählte. Lux kündigte an, unabhängig von einem Ausschuss beim Münchener Gericht Einsicht in die entsprechenden Akten zu Starke zu beantragen und diese „im Lichte des Urteils und der laufenden Ermittlungen gegen seine Person“ auszuwerten. Das Ziel sei, herauszufinden, „welche Informationen das Berliner LKA hatte und welche es hätte haben können“.
Laut Schrader sollten auch Bezüge des NSU-Helfers und V-Mannes des Brandenburger Verfassungsschutzes Carsten Szczepanski („Piatto“) nach Berlin untersucht werden. Dieser ist in Berlin groß geworden und arbeitete vor dem Brandenburger VS einem anderen Dienst zu. „Es ist möglich, dass dies eine Berliner Behörde war“, so Schrader. Aufgeklärt werden müsse zudem die Aktenvernichtung beim Berliner VS zum Neonazi-Netzwerk „Blood & Honour“.
200 Straßen in 20 Städten haben Aktivisten vor dem Urteil im NSU-Prozess umbenannt. In Berlin wurde aus Unter den Linden die Halit-Yozgat-Allee, aus der Mühlenstraße die A.-Özüdoğru-Straße und aus dem Friedrich-Ebert- der Habil-Kılıç-Platz. Sie alle sind Opfer des NSU. "Wir wollen damit das Ausmaß rassistischer Gewalt sichtbar machen", so die Initiatoren der Interventionistischen Linken. Unter dem Motto "Kein Schlussstrich" wird am Mittwoch demonstriert. (epe)
Als Konsequenz aus den staatlichen Verstrickungen in den NSU-Komplex hat Rot-Rot-Grün einen anderen Umgang mit V-Personen vereinbart. Ihr Einsatz durch den VS muss vom Staatssekretär für Inneres, ihr Einsatz durch das LKA vom Polizeipräsidenten angeordnet werden – Letzteres ist bereits umgesetzt.
Für den Verfassungsschutz sind zudem weitere Kontrollinstrumente beschlossen. Die Einrichtung einer Arbeitsgruppe in der Innenbehörde führte Ende Juni dazu, dass VS-Chef Bernd Palenda um seine Versetzung bat. Die Kontrolleure bekommen ein umfangreiches Auskunfts- und Akteneinsichtsrecht und sollen den VS auch inhaltlich kontrollieren. Angekündigt sind auch ein Polizeibeauftragter und besserer Schutz für Opfer rechter Gewalt.