piwik no script img

NRW-Spitzenkandidatin der Grünen"Schwarz-Grün ist eine Option"

Die Spitzenkandidatin der NRW-Grünen, Sylvia Löhrmann, kann sich nicht vorstellen, dass Rüttgers bei den verkauften Terminen ahnungslos war. Und würde sich trotzdem mit seiner CDU zusammentun.

"Wir greifen Rüttgers an." Bild: dpa
Interview von Andreas Wyputta

taz: Frau Löhrmann, 80 Prozent der Nordrhrein-Westfalen glauben Jürgen Rüttgers nicht mehr. Sie können sich nicht vorstellen, dass der Ministerpräsident nichts vom Versuch seiner CDU wusste, Gespräche mit ihm an Wirtschaftsvertreter zu verkaufen. Warum wollen Sie trotzdem mit Rüttgers koalieren?

Sylvia Löhrmann: Wir wollen mit der SPD regieren - und dank der Chaostage in Berlin und Düsseldorf wird ein Bündnis mit der SPD auch immer wahrscheinlicher. Wir Grüne richten all unsere Kraft darauf, die Regierung Rüttgers abzulösen.

Das war der offizielle Parteisprech - dabei ist Schwarz-Grün wahrscheinlich: Was machen Sie, wenn CDU und FDP nach den Landtagswahlen keine Mehrheit haben?

Zur Person

Sylvia Löhrmann, 53, ist seit 1999 Fraktionschefin der Grünen im Düsseldorfer Landtag. Für den Fall einer grünen Regierungsbeteiligung wird die Lehrerin als stellvertretende Ministerpräsidentin und Bildungsministerin gehandelt.

Dann sprechen wir zuallererst mit der SPD. Ich bin mir sicher, dass eine Regierung mit SPD-Chefin Hannelore Kraft und mir an der Spitze konfliktfreier arbeiten wird als mit der SPD von Wolfgang Clement - denn mit dem haben auch wir so unsere Erfahrungen gemacht.

Für Rot-Grün allein dürfte es aber nicht reichen. Warum kämpfen Sie nicht für Rot-Rot-Grün?

Das ist für uns eine Zweitoption - unter der Voraussetzung, dass die Linke auch mit in die Regierung eintritt und nicht auf eine rot-grüne Minderheitsregierung setzt. Die wird es mit uns nicht geben. Ansonsten könnte man Themen wie die Einführung eines Sozialtickets im öffentlichen Nahverkehr und die Abschaffung der Studiengebühren umsetzen.

Und die CDU?

Wir sind bereit auszuloten, ob es Gemeinsamkeiten geben könnte. Dann muss sich die CDU aber bewegen und eine Energiewende und längeres gemeinsames Lernen möglich machen. Aber: Gespräche mit der CDU sind nur eine von mehreren Zweitoptionen für die Grünen, keine Koalitionsaussage. Wenn die Inhalte nicht stimmen, gehen wir in die Opposition.

40 Prozent der Wähler fordern Rüttgers Rücktritt. Warum greifen die Grünen nicht stärker an?

Wir greifen Rüttgers an. Wir haben seine Staatskanzlei aufgefordert, sämtliche Werbebriefe der Jahre 2004 bis 2010 und die dazugehörigen Terminbegleitungsmappen offenzulegen. Sollte sich dadurch herausstellen, dass der Ministerpräsident gelogen hat, wäre er nicht mehr tragbar.

Fordern Sie denn Rüttgers Rücktritt?

Wie den meisten Bürgerinnen und Bürgern sagt auch mein gesunder Menschenverstand, dass es unwahrscheinlich ist, dass Rüttgers von den verkauften Gesprächen nichts wusste. Es besteht also der Verdacht, dass er gelogen hat. Sollte er dann trotzdem nicht zurücktreten, haben die Menschen am 9. Mai selbst die Möglichkeit, ihn per Kreuz auf dem Wahlzettel aus dem Amt zu jagen. Dafür kämpfen wir.

Die SPD plant bereits eine Kampagne nach dem Motto: Wer Rot-Grün will, muss SPD wählen - sonst kommt Schwarz-Grün.

Dann kontern wir mit der Gefahr einer großen Koalition: Wer SPD wählt, kann genauso gut für Rüttgers stimmen. Ich werbe aber dafür, nicht gegeneinander zu arbeiten. Wir wollen Hannelore Kraft zur Ministerpräsidentin wählen. Ich würde mich riesig freuen, wenn NRW künftig von zwei starken Frauen regiert wird. Am 9. Mai ist Muttertag: Wer will da schon Männer wählen?

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

12 Kommentare

 / 
  • M
    Meier

    Die einzig vernünftige Alternative für die Zukunft ist schwarz-grün - ohne die Spinner aus FDP und Linken. Die SPD muss sich - leider - erst einmal erholen.

  • DS
    Das Selbst

    Volksbegehren: Wahlsystem, Sitzverteilung, usw. verändern. Dann hör der Spass auf.

  • E
    Edelweiß

    Mit dem Abstimmungsverhalten bzw. den vielen ENTHALTUNGEN bei der Verlängerung des Afghanistan Einsatzes/Truppenaufstockung haben die Grünen schon mal ihre Vistenkarte bei der Union abgegeben.

     

    Renate Kühnast hat sich ja bei der Union schon fast entschuldigt das nicht mehr Grüne-Abgeordnete mit Ja gestimmt haben.

  • UN
    Uwe-Jürgen Ness

    @ Stephan: Na klar, "keiner will schwarz-grün". Und die Erde ist 'ne Scheibe, oder?

  • KW
    Kurt W. Fleming

    Lafontaine hat Recht: Wer grün wählt, wird sich schwarz ärgern.

     

    Wer mit Politgangstern ins Bett geht, will auch Politgangster werden.

     

    Den Grünen geht es nicht mehr um grüne und soziale Politik, sondern um die weitere Etablierung neoliberaler Politik mit grünem Anstrich.

     

    Dieser Run auf angebliche Politikgestaltung ist sehr merkwürdig. Das Verhalten der Grünen hat schon lange nichts mehr mit Visionen zu tun, sondern um das Absichern politischer Pfründe (siehe Hamburg, siehe Saarland).

     

    Also: wer grünt wählt, weiß schon jetzt, was er/sie bekommt: einen käuflich erwerbbaren Rüttgers. Und als Zugabe ein paar grün-welke Salatblätter.

  • Z
    Zitierfan

    Hallo Herr Wyputta, das Zitat aus Ihrer Überschrift finde ich auch beim zweiten Lesen im Interview nicht wieder, dort steht nur etwas von "einer von mehreren Zweitoptionen". Aber die Überschrift passt so viel besser ins Vorurteil, gell? Fragen Sie doch mal die SPD nach der großen Koalition, wie wär's.

  • UN
    Uwe-Jürgen Ness

    Schwarz-grüne Machtoptionen

     

    Man muss sich von der Gewohnheit verabschieden, die Grünen einfach dem "linken Lager" zu zuschlagen. So sehr der Vorsprung des linken Lagers in der Demoskopie einen freuen mag, werden die Grünen aus einer etatistischen Position heraus, welche inzwischen tief in der Partei verwurzelt ist, lieber bürgerliche Koalitionen eingehen als "linke Experimente" mit SPD und der LINKEN zu wagen. Das gilt für die Bundesländer und in erhöhtem Maße natürlich auch für den Bund.

    Wenn selbst in NRW der Widerstand gegen schwarz-grün gebrochen ist, was wird erst nächstes Jahr in Ba.-Wü. passieren? Der Landesverband in NRW galt schließlich nach dem Abgang der meisten Linken Ende der 80er / Anfang der 90er Jahre noch als Hochburg des Linken Forums (F. Schmidt, L. Volmer, V. Beck) und verhielt sich bei der Bildung der ersten Koalition mit der SPD noch recht widerspenstig. Insofern überrascht mich die Offenherzigkeit der NRW-Grünen für schwarz-grün in gewisser Weise. In Ba.-Wü. hingegen wird schon seit Ende der 80er Jahre, vor allem befördert durch W. Kretschmann, R. Schlauch und C. Özdemir und Co. auf Grund der strukturellen Schwäche der SPD schon so lange gebetsmühlenartig schwarz-grün ohne nennenswerten Widerstadt das Wort geredet, dass diese Koalition zur self-fulfilling prophecy wird. Der grüne Landesverband in NRW will auf Grund der momentanen Schwäche der FDP genau die Scharnierfunktion zwischen den Lagern erfüllen, die der grüne Landesverband in Ba.-Wü. längst anstrebt und vermutlich nach der Wahl im kommenden Jahr auch einnehmen wird. Was in Hamburg und im Saarland als Laborexperiment ausprobiert wurde, kann in NRW und Ba.-Wü. leicht zum Feldversuch werden. Wie gesagt, wer grün wählt, wird sich schwarz ärgern.

  • S
    Stephan

    Inhalt und Überschrift?!

     

    Hat sich der/die Überschrift-SchreiberIn das Interview durchgelesen? Wenn am Rande von Schwarz-Grün als evtl. Zweitoption die Rede ist, 95% der Antworten aber um Rot-Grün bzw. Rot-Grün-Rot kreisen, dann geben Überschrift und Anreißer die Aussagen von Löhrmann nicht gerecht wieder.

     

    Niemand will Schwarz-Grün, außer der taz!

  • VB
    Volker B.

    Wie war der Spruch? Wer Grün wählt wird sich schwarz ärgern?

     

    Naja, soll aber keiner dabach sagen er hat es nicht gewußt.

  • V
    vic

    Rüttgers und die FDP, Rüttgers und die SPD, Rüttgers und die Grünen - wo ist der Unterschied?

    Er befindet sich in derselben komfortablen Situation wie Merkel im Bund.

    Die Bürger in Land und Bund wählen CDU, wer dabei den den Deppen spielt ist eigentlich egal.

  • V
    vic

    "Wenn die Inhalte nicht stimmen, gehen wir in die Opposition."

    Das glaube ich nicht, Frau Löhrmann,

    auch die ehemals Grünen tun inzwischen alles für ein bisschen Machtbeteiligung.

  • S
    Sid

    Chaostage in Berlin und Düsseldorf?

    Hab ich da was verpasst?

     

    Tausende Punker haben die Hauptstadt in Schutt und Asche gelegt?

     

    Aber jetzt Spass beiseite:

    Wer Grün wählt, wird sich Schwarz ärgern!