piwik no script img

NRW-Ministerpräsident Laschet und CoronaDer arme Armin

Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident Laschet hat es nicht leicht. Immer sind die anderen schuld. Fast kann man ein bisschen mitfühlen.

Ministerpräsident Armin Laschet hatte schon bessere Tage Foto: Federico Gambarini/dpa

Armin Laschet kann einem leidtun. Fast jedenfalls. Eigentlich wollte Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident längst Bundeschef der CDU sein, im April gekrönt von einem Bundesparteitag in der Bundeshauptstadt Berlin. Vor der Bundespressekonferenz hatte der Rheinländer Laschet seine Kandidatur zum Merkel-Nachfolger am 25. Februar angekündigt. Als bekennender Karnevalist wird Laschet diesen Veilchendienstag sein Leben lang nicht vergessen. Danach war Aschermittwoch, und alles war vorbei: Corona kam. Und Laschet war wieder nur Provinzfürst.

Dann tauchte mit Bayerns Regierungschef Markus Söder auch noch ein Konkurrent auf, den Laschet überhaupt nicht auf dem Schirm hatte. Fest hatte er daran geglaubt, dass der Bundesvorsitzende der CDU den ersten Zugriff auf die Kanzlerkandidatur haben würde und nicht irgendein bayerischer Christ­sozialer.

Keine Chance sollte Söder haben, doch die nutzte er: Wie weiland CSU-Heiland Franz Josef Strauß gab der Franke den bayerischen Hardliner. Söder rief den Katastrophenfall aus. Seine Polizei verhaftete Leute, die allein auf einer Parkbank ein Buch lasen. Und Söder war mit fescher, mit Bayerns blau-weißen Rauten geschmückter Maske auf allen Kanälen.

Laschet dagegen rutschte vor Schreck prompt der Lappen von der Nase. Bei einem Besuch des Klinikums Aachen traute sich niemand aus seiner Entourage, dem Ministerpräsidenten zu sagen, dass die Bezeichnung Mundschutz nicht wörtlich zu nehmen ist. Mit Söders neuer Rolle als allerhärtester Coronabekämpfer der Republik hatte der Mann aus Aachen nur eine Chance: Er musste sein tradi­tio­nell liberales Image ausbauen.

Die Nase vorn

Und Laschet lieferte. Ausgangssperren gab es in NRW nie. Die Baumärkte blieben offen. Und Hunderttausende fleißige Bürger*innen nutzen die Beschäftigungstherapie: Sie renovierten und entrümpelten, als gäbe es kein Morgen. Und sorgten für Massenaufläufe auf, nun ja – Mülldeponien.

Die Nase vorn haben wollte Laschet auch beim Ausstieg aus seinem Light-Lockdown. Der Rheinländer entdeckte sein Herz für die ostwestfälische Küchen­industrie, ließ als Allererstes Möbelhäuser öffnen. Seine Fastvorgängerin Merkel ärgerte sich über „Öffnungsdiskussionsorgien“. Doch in NRW durfte FDP-Bildungsministerin Yvonne Gebauer Chaos verbreiten: Sie forderte Unterricht, am besten sofort. In den Schulen fehlten Seife, Handtücher und Räume für genug Abstand. Laschets Problem war das nicht: Da müssten doch jetzt mal die Städte ran, fand er.

In der Düsseldorfer Staatskanzlei fuhren Laschets Spin Doctors also volles Risiko. Von Anfang an war klar, dass jeder neue Corona-Hotspot ihrem obersten Lockerer auf die Füße fallen würde. Jetzt ist das tiefschwarze Westfalen rund um den Riesenschlachthof von Fleischbaron und Schalke-Aufsichtsrat Clemens Tönnies Infektionsherd, und der Urlaub vieler treuer CDU-Wähler*innen könnte ins Wasser fallen: Zwar dürfen sie die Kreise Gütersloh und Warendorf verlassen. Doch Niedersachsen, Schleswig-Holstein, Baden-Württemberg und auch Bayern erlauben Übernachtungen nur noch mit negativem Coronatest.

Laschet muss nun vor der „Stigmatisierung“ der Ostwestfalen warnen. Schuld daran sollen aber mal wieder andere sein: Der Hotspot Schlachthof habe mit seinen Lockerungsübungen „überhaupt nichts“ zu tun, lautete seine erste Verteidigungs­linie, „weil Rumänen und Bulgaren da eingereist sind und da der Virus herkommt“.

Heute ist dem Ministerpräsidenten der Satz peinlich. Buhmann ist jetzt Clemens Tönnies. Dabei war der Milliardär lange großzügig, hat seit 2005 immerhin 147.000 Euro an die CDU gespendet. Lange durfte Tönnies trotz Corona in seinem Schlachthof machen, was er wollte: Abstandsregeln wurden nicht eingehalten, Leiharbeiter in billigen Wohnungen zusammengepfercht. Jetzt gilt er als unkooperativ. Laschet reicht’s. Per Verfügung wurde Tönnies’ Laden dichtgemacht.

In Ostwestfalen, wo die Leute in Schlangen für Corona-Massentests anstehen, findet das kaum noch jemand lustig. Laschets letzte Hoffnung: Dass Tönnies-Beschäftigte nicht viele andere infiziert haben. Falls doch, dürften die am 13. September anstehenden Kommunalwahlen nicht nur in Gütersloh und Warendorf zum Massaker für die CDU und Laschets Ambitionen im Bund werden. Aber dann: Kein Mitleid.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

0 Kommentare

Kommentarpause ab 30. Dezember 2024

Wir machen Silvesterpause und schließen ab Montag die Kommentarfunktion für ein paar Tage.
  • Noch keine Kommentare vorhanden.
    Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!