NPD vor dem Verbotsverfahren: Jämmerlich
Das Bundesverfassungsgericht entscheidet, ob es die NPD verbietet. Ums Überleben kämpfen die Rechtsextremen bereits jetzt.
Extra rausgeräumt worden sei nichts, beteuert Frank Franz, der NPD-Bundeschef. Es sehe hier immer so karg aus. Und überhaupt: Es gebe gar keinen Grund, etwas wegzuschaffen. Es werde hier keine Polizei kommen. „Wir werden nicht verboten. Da sind wir uns sehr sicher.“
Nur noch wenige Tage, dann könnte es freilich anders kommen. Dann könnte die Partei von Frank Franz Geschichte sein. Seit 1964 gibt es die NPD, sie saß in neun Landtagen, rund 5.000 Mitglieder zählt sie derzeit. Am Dienstag wollen die Bundesverfassungsrichter in Karlsruhe ihr Urteil über die Partei fällen: Gehören die Rechtsextremen verboten, wie es die Bundesländer beantragt haben?
Es wird ein Meilenstein, so oder so. Lassen die Richter die NPD unbescholten, hätte sie, nach dem gescheiterten Versuch 2003, das zweite Mal ein Verbotsverfahren überlebt. Kommt es zum Parteiverbot, wäre es das erste seit 1956, als die KPD verschwinden musste. Die Bundeszentrale am Berliner Stadtrand würde von Polizisten „beschlagnahmt“. Die bundesweit rund 360 NPD-Kommunalmandate wären weg, wohl auch das letzte prominente von Exbundeschef Udo Voigt im Europaparlament. Die Parteikasse würde für „gemeinnützige Zwecke“ eingezogen. Eine „Ersatzorganisation“ dürfte nicht gegründet werden. Die NPD wäre abgewickelt.
Zwei Neinstimmen unter den Richtern
Aber ob es so weit kommt? Bisher lassen sich die Richter nicht in die Karten schauen. In den Bundesländern, die 2013 das Verbot beantragten, machte sich zuletzt Skepsis breit. Womöglich könnte das Gericht der NPD zwar verfassungsfeindliche Ziele bescheinigen. Sie aber auch als zu unbedeutend bewerten, als dass sie diesem Staat tatsächlich gefährlich würde. Dazu kommt: Ein Verbot bräuchte die Zustimmung von sechs der sieben Verfassungsrichter. Gibt es nur zwei Abweichler, scheidet dieses Urteil aus.
„Ich bin weiterhin zuversichtlich“, sagt Lorenz Caffier, CDU-Innenminister in Mecklenburg-Vorpommern, einer der vehementesten Verfechter eines NPD-Verbots. Aber auch er baut vor: Es sei schon ein Erfolg, dass das Verfahren trotz der hohen Hürden überhaupt durchgeführt wurde. „Auch wenn die NPD am Ende nicht verboten würde, bekommen wir mit dem Urteil endlich Rechtssicherheit.“
Bereits im März 2016, als die Verfassungsrichter drei Tage lang über das NPD-Verbot verhandelten, war deren Skepsis fassbar. Zwar nagelten sie die Partei immer wieder auf ihre völkische Ideologie fest. Das Gericht verwies aber auch auf den Mitgliederschwund, auf leere Kassen, auf die mäßigen Erfolge.
Das laufende Verfahren: Am Dienstag entscheidet das Bundesverfassungsgericht, ob die NPD verboten wird. Den entsprechenden Antrag auf Prüfung stellten im Dezember 2012 die Bundesländer. Zuvor war aufgedeckt worden, dass ein Thüringer NPD-Funktionär Verbindungen zur Terrorzelle Nationalsozialistischer Untergrund (NSU) hatte.
Das erste Verfahren: 2001 sollte bereits einmal das Verbot der NPD geprüft werden. Damals reichte zunächst die Bundesregierung den Antrag beim Bundesverfassungsgericht ein. Dieses Verfahren wurde im März 2003 eingestellt – weil V-Leute des Verfassungsschutzes auch in der Führungsebene der Partei tätig waren. Die Frage, ob es sich bei der NPD um eine verfassungswidrige Partei handle, wurde damals nicht geprüft.
In Mecklenburg-Vorpommern verlor die NPD im Herbst ihre letzten Landtagsmandate. Bei den anderen vier Landtagswahlen im vergangenen Jahr kam sie nur in Sachsen-Anhalt knapp über die Einprozenthürde. Stattdessen segelte die rechtspopulistische Konkurrenz der AfD von Erfolg zu Erfolg. Die Schlagzeilen, die der NPD zuletzt blieben, waren nur noch diese: ein NPD-Abgeordneter, der wegen eines KZ-Tattoos vor Gericht stand. Und einer, der beschuldigt wird, eine geplante Flüchtlingsunterkunft in Brandenburg angezündet zu haben.
Frank Franz, NPD-Bundeschef
Frank Franz weiß um die jämmerliche Lage. Seit 2014 führt der 38-jährige Saarländer die Partei. Einen modernen, moderateren Kurs wollte der stets geschniegelte Anzugträger der NPD geben. Seitdem geht es nur bergab. „Ich breche mir keinen Zacken aus der Krone, wenn ich zugebe, dass wir Probleme haben“, sagt Franz. Für die Urteilsfindung in Karlsruhe aber kommen sie dem NPD-Chef nicht ungelegen. Retten sie seine Partei vor dem Verbot, wäre Franz die Begründung egal. „Bei den Leuten wird nur hängen bleiben, dass wir freigesprochen wurden. Der Rest interessiert nur noch das Fachpublikum.“
Die Parteikasse ist leer
In der NPD gibt es aber sehr wohl Vorkehrungen für das Verbot. In Mecklenburg-Vorpommern, einst Hochburg der Partei, sind alle von der NPD genutzten Immobilien in Privathand. Sie blieben bei einem Verbot unangetastet. Ein Funktionär berichtet von einem Rundruf, Mitglieder- und Spenderlisten auf Festplatten zu verschlüsseln – für den Fall, dass es zu Hausdurchsuchungen kommt. Und auch die Parteikasse ist so gut wie leer. Ein fünfstelliger Betrag ist dort laut Parteichef Franz noch zu finden. Der Rest sei in Wahlkämpfen aufgebraucht worden.
Auch politisch ist vorgesorgt. „Wir sind Überzeugungstäter“, sagt Franz. Nur die wenigsten würden sich wohl zurückziehen. In Mecklenburg-Vorpommern etwa kaperte die NPD im vergangenen Jahr bereits den Pegida-Ableger. Andernorts initiierte die Partei verdeckt „Nein zum Heim“-Gruppen. Und zwei mögliche Auffangbecken stehen schon bereit: die rechtsextremen Kleinparteien „Der III. Weg“ und „Die Rechte“. Beide geben sich noch radikaler, suchen den Schulterschluss auch mit parteilosen, gewaltbereiten Neonazis. Und sie sind heute schon Heimat enttäuschter NPD-Abtrünniger.
Der sächsische Verfassungsschutz nennt den „III. Weg“ bereits jetzt eine „direkte Konkurrenz zur schwächelnden NPD“, aufgrund ihres „hohen Aktionsniveaus“. Und bei „Die Rechte“ raunt man schon von angeblichen Plänen einer „unfreundlichen Übernahme“, sollte Karlsruhe die NPD verbieten. Man würde dann „sorgfältig selektieren“, wer überlaufen wolle, sagt deren Chef Christian Worch.
Zwei Männer aus einfachen Verhältnissen wollen die Grünen als Spitzenkandidaten in den Wahlkampf führen. Zwei Männer, die so gar nicht zur bürgerlichen Bio-Bohème zu passen scheinen. Das Doppelporträt von Anton Hofreiter und Cem Özdemir lesen Sie in der taz.am wochenende vom 14./15. Januar 2016. Außerdem: Abschied von den Obamas, der skandalfreisten US-Präsidentenfamilie aller Zeiten. Und: endlich Schnee! Unsere Chance, alles über Schnee zu sagen, was es zu sagen gibt. Das alles und noch viel mehr – am Kiosk, eKiosk oder im praktischen Wochenendabo.
Frank Franz weist solche Pläne zurück. Seine Partei lässt er Zweckoptimismus verbreiten. Für das Wochenende nach der Urteilsverkündung lädt sie im sächsischen Riesa in die Stadthalle: zu einem „öffentlichen Jahresauftakt“. Als „aktionsfähiger Faktor in der Politik“ werde man sich präsentieren, heißt es in der Einladung. Und der NPD-Bundesvorstand fasste auf seiner jüngsten Klausurtagung einen „Dreijahresplan“. Der aber spiegelt auch die kümmerliche Lage wieder: Die Parteiaktivitäten sollen bis zu den nächsten aussichtsreichen Wahlen in Sachsen 2019 „stärker fokussiert“ werden, um so zumindest „Achtungserfolge“ zu erzielen.
Andere glauben daran nicht mehr. Die NPD werde sich bald „erledigt haben“, wenn „so weiter gewurstelt wird wie derzeit“, klagte zuletzt Peter Marx, Mitglied im Bundesvorstand und seit Jahrzehnten in der Partei. Der Parteichef in Hamburg, Thomas Wulff, trat gleich ganz aus der Partei aus: Die NPD sei „von innen heraus verfault“. Er sei es leid, sich „fremdzuschämen“.
Pegida in Sachsen braucht die NPD nicht
Selbst in Sachsen, einst Hochburg der NPD, macht die Partei seit dem Ausscheiden aus dem Landtag 2014 kaum einen Stich. In Dresden steht Pegida auf der Straße, ohne auf die NPD angewiesen zu sein; überall sonst übernimmt die AfD das Terrain. Bei 20 Prozent lagen die Rechtspopulisten in Sachsen zuletzt in Umfragen – die NPD ist nicht mehr messbar. Deren Exlandeschef Holger Apfel verdingt sich heute als Kneipenwirt auf Mallorca. Sein Nachfolger wurde geschasst, weil bei ihm angeblich Schwulenpornos gefunden wurden.
Knapp 30 Kommunalmandate verlor die NPD laut Verfassungsschutz in den vergangenen zwei Jahren im Land, vor allem durch Parteiaustritte. Zum Beispiel Bautzen: 2014 saßen dort im Stadtrat noch zwei NPD-Abgeordnete, im Kreistag waren es fünf. Nach und nach verließen diese entnervt die Partei, die letzte beiden Abgeordneten schmissen im Dezember hin. Stattdessen ist es nun die AfD, die in Bautzen gegen „Asylbetrüger“ oder muslimische „Surensöhne“ Stimmung macht. Mit den alten NPD-Parolen.
Für einige in der NPD gibt es deshalb nur einen Weg: eine Radikalisierung. Eine zweite AfD brauche niemand, sagt Uwe Meenen, NPD-Landeschef in Berlin. „Wir wollen eine andere Republik. Und das müssen wir stärker akzentuieren.“ Für Meenens Mitstreiter ist der Schritt alternativlos – gerade nach dem Dienstag. Wird die NPD nicht verboten, wäre es für sie ein Freifahrtschein, nun die ganz radikalen Töne auszupacken. Noch einen Verbotsversuch würde es so schnell nicht geben. Macht Karlsruhe der Partei aber ein Ende, würde der Weg eben außerparlamentarisch gegangen.
Für Frank Franz ist beides keine Option. „Mit mir wird es keine Rolle rückwärts geben. Wir müssen anschlussfähig an die gesellschaftliche Mitte sein.“ Die Parteimehrheit sehe das auch so. Andere arbeiten dagegen längst an der Entmachtung ihres Vorsitzenden. Die Partei brauche einen „Neuanfang“, verkündete Berlin-Chef Meenen zuletzt öffentlich, statt „wie von Sinnen dem Untergang entgegenzutaumeln“. Für Franz könnte der Dienstag deshalb auch eine Rettung sein: mit einem Abgang nicht als Gestürzter, sondern als vom Staat beseitigter Märtyrer.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Hoffnung und Klimakrise
Was wir meinen, wenn wir Hoffnung sagen
Nach dem Anschlag in Magdeburg
Das Weihnachten danach
Rechte Gewalt in Görlitz
Mutmaßliche Neonazis greifen linke Aktivist*innen an
Sport und Krieg in der Ukraine
Helden am Ball
Krieg in der Ukraine
„Weihnachtsgrüße“ aus Moskau
Flugzeugabsturz in Kasachstan
War Russland schuld?