NPD-Invasion in Flüchtlingsunterkunft: Nazi-Besuch mit Eskorte
NPD-Landtagsabgeordnete besuchten eine Erstaufnahmestelle für Asylbewerber. Um Provokationen einzudämmen, fuhren andere Abgeordnete mit.
Am Montag hat die NPD-Fraktion im Landtag von Mecklenburg-Vorpommern die Flüchtlings-Erstaufnahmeeinrichtung besucht. „Ich hoffe, man wird uns kein Potemkinsches Dorf vorführen wollen“, sagte vor dem Besuch deren parlamentarischer Geschäftsführer Stefan Kösters. „Wir werden prüfen, wie dort unsere Steuergelder Verwendung finden.“ Vollzählig war die fünfköpfige NPD-Fraktion um ihren Vorsitzenden Udo Pastörs in die Einrichtung nahe Boizenburg gekommen.
Sie kamen aber nicht alleine zu der äußert abgelegenen Aufnahmestelle, die auch Hamburg nutzt. An die 20 Landtagsabgeordnete der demokratischen vier Fraktionen waren mit angereist und begleiteten die NPDler bei dem Gespräch mit dem Landesamt und dem Rundgang über das Gelände. Die Presse durfte nicht mit. Sie alle trugen einheitliche Jacken mit dem Logo der landesweiten Demokratie-Initiative „Wir – Erfolg braucht Vielfalt“.
SPD-Fraktionschef Norbert Nieszery kritisierte den NPD-Besuch als „zynisch“. Schließlich hätten gerade führende NPD-Politiker regelmäßig bei Protestaktionen gegen die Aufnahme von Flüchtlingen ganz vorne mitprotestiert.
Seit 2006 bringen Mecklenburg-Vorpommern und Hamburg in der Erstaufnahme im ländlichen ehemaligen Grenzgebiet Flüchtlinge unter.
Hamburg darf durch eine Vereinbarungsregel bis zu 200 Menschen in die ehemaligen NVA-Kaserne schicken.
Mitten im Grünen liegt die Erstaufnahme für 600 Personen, deren drei feste Unterkunftsgebäude durch einen hohen Stahlzaum eingeschlossen sind.
Der öffentliche Nahverkehr ist schlecht, nicht die einzige Kritik von Flüchtlingsinitiativen an der Einrichtung.
Die Ghanaerin Mercy A. verlor wegen unzureichender Betreuung in der Einrichtung ihr ungeborenes Baby.
Der schwarz-grüne Senat wollte Hamburgs Beteiligung am Lager Horst beenden, bevor die Koalition platzte. Die SPD-Alleinregierung setzte sie stattdessen fort.
Im Freien mussten Flüchtlinge Anfang September 2015 wegen Überbelegung schlafen.
„Wir wollten den Geflüchteten und Mitarbeitenden zeigen, dass wir sie nicht alleine mit den Rechtsextremen lassen“, sagt Grünen-Fraktionschef Jürgen Suhr. Durch die Fragen der NPDler sieht er die Notwendigkeit bestätigt. „Die NPD wollte den Ortstermin zur Propaganda und Provokation nutzen“, so Suhr. Sie hätten etwa gefragt, ob es Auseinandersetzungen zwischen den Asylsuchenden wegen den „unterschiedlichen Kulturen“ gebe, und ob deswegen verstärktes Wachpersonal nötig sei. Inwieweit die Asylsuchenden besser gestellt seien als die Einrichtungsmitarbeiter, hätten sie wissen wollen und ob männliche Asylsuchende sich weigerten, ihr „Taschengeld von Frauen“ anzunehmen.
„Wer in der Küche danach fragt, ob Schweinebockwurst-Esser diskriminiert werden, der macht deutlich, dass es ihm nicht um das Wohl der Flüchtlinge geht“, sagte Nieszery. Der Linken-Politiker Hikmat Al-Sabty sagte, als er einem Mann darüber aufgeklärt habe, „für welche Politik Pastörs und seine NPD stehen, hat er das Gespräch mit ihm sofort abgebrochen“.
Den Besuch hatte die NPD eingeklagt. Mit deutlichen Worten und persönlichem Tonfall hatte Landesinnenminister Lorenz Caffier (CDU) einen Besuch verboten: Es sei für ihn „nicht zu ertragen, dass die Leute, die tagtäglich gegen Asylbewerber hetzten und auf deren Rücken Politik machten, die Landesaufnahmeeinrichtung besuchen wollten“. Das Landesverfassungsgericht hob aber Anfang September ein generelles Besuchsverbot des Innenministeriums auf. Mit dem Verbot, sagte der Sprecher des Gerichts, Sven Nickels, habe der Innenminister das Selbstinformations- und Kontrollrecht der Landtagsabgeordneten verletzt.
Nach dem zweistündigen Besuch wollte die NPD-Fraktion aber lieber nichts über die gewonnenen Informationen sagen. „Für die taz gibt es von uns keine Information“, hieß es bei der Fraktionsgeschäftsstelle.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
MLPD droht Nichtzulassung zur Wahl
Scheitert der „echte Sozialismus“ am Parteiengesetz?
Fake News liegen im Trend
Lügen mutiert zur Machtstrategie Nummer eins
Prozess zu Polizeigewalt in Dortmund
Freisprüche für die Polizei im Fall Mouhamed Dramé
Proteste in Georgien
Wir brauchen keine Ratschläge aus dem Westen
Mord an UnitedHealthcare-CEO in New York
Mörder-Model Mangione
Förderung von E-Mobilität
Habeck plant Hilfspaket mit 1.000 Euro Ladestromguthaben