NOlympia in München: Tausche Bäume gegen Sport
Vor dem Votum über die Spiele 2022 kritisieren die Gegner die Pläne des IOC. Vor allem der Olympia-Größenwahn gefährde München.
MÜNCHEN taz | Dieses Mal liegt der Fokus auf München. Hier wittern die Olympiagegner am Sonntag die beste Chance, im Bürgerentscheid eine Mehrheit gegen eine erneute Olympiabewerbung zu bekommen. Auch im Landkreis Traunstein gilt der Ausgang als relativ offen, in Garmisch-Partenkirchen und im Berchtesgadener Land dagegen ist ein Votum pro Olympia wahrscheinlich.
Der Garmischer Olympiagegner Axel Doering hat diesmal kein Gefühl, wie es ausgeht. Die Veranstaltungen seien gut besucht, im Ort würden die Spiele weiterhin kritisch gesehen. Allerdings gibt es für Doering ein großes Problem: „Die Fakten der Bewerbung sind hinter rosaroten Wolken versteckt“, sagt er gegenüber der taz. „Wir stimmen am Sonntag ab, ohne die konkreten Planungen zu kennen.“
Die Befürworter der Bewerbung haben dazugelernt, eine Abstimmung zum jetzigen Zeitpunkt birgt weniger Risiken. Zum einen bleibt die „Konzeptstudie München 22“ tatsächlich an vielen Stellen vage, insbesondere was mögliche Baumaßnahmen angeht. Zum anderen hätten die Olympiabefürworter bei vier positiven Bürgerentscheiden gehörigen Rückenwind und könnten ungestört agieren – die Olympiagegner dagegen müssten sich erst einmal sammeln, ein wirklicher Protest gegen die Bewerbung ist dann schwer vorstellbar.
Und das wissen natürlich beide Seiten. Die Befürworter setzen auf den einfachen Slogan „O ja“ und haben eine wahre Materialschlacht entfacht. Mit aller Macht wollen sie eine Niederlage verhindern – denn dann wäre eine Olympiabewerbung für viele Jahre unmöglich.
Werden 2.000 Bäume gefällt?
Und die Olympiagegner setzen auf jene Punkte, von denen sie glauben, dass sie gut beim Gros der Bevölkerung ankommen: die Knebelverträge des IOC und der Größenwahn durch Olympia. „Viele Münchner wollen einfach nicht, dass die Stadt immer weiter wächst und alles immer teurer wird“, ist sich Christian Hierneis, Sprecher von Nolympia München, sicher. Und der Umweltschutz? Für Umweltschützer Hierneis spielt der eine entscheidende Rolle. Im Gespräch betont er immer wieder, dass für Olympische Spiele 2.000 Bäume in München gefällt werden müssten.
Die 2.000 Bäume werden aber nicht den Bürgerentscheid am Sonntag bestimmen, das wird auch auf der letzten großen Veranstaltung der Olympiagegner deutlich.
Donnerstag, 19 Uhr, der holzvertäfelte Wappensaal im Hofbräuhaus ist gut gefüllt. Die Veranstaltung der grünen Landtagsfraktion trägt den Titel „IOC kassiert – München zahlt’s“, 90 Minuten geht es nur um Zahlen, um das Geschäftsgebaren des IOC, um die Knebelverträge. Bis eine Frau im Publikum sich meldet: Ihr fehle der Aspekt der Umweltzerstörung, „dazu hört man gar nichts“. Wie aus der Pistole geschossen, kommen die Argumente der Olympiagegner: die zu fällenden Bäume, versiegelte Flächen, neue Speicherseen, eine zehn Kilometer lange Loipe in Ruhpolding und, und, und.
Drohender Größenwahn
Die Umweltaspekte bleiben das Herzensthema der Gegner, aber sie setzen nicht darauf. Sie wissen, dass die Befürworter überall damit werben, dass die allermeisten der Sportstättenflächen schon vorhanden sind. Und die Gegner ahnen, dass es nicht gut ankommt, darüber zu streiten, ob 80 Prozent oder 50 Prozent der Sportstätten neu errichtet werden müssen.
„Vielleicht hilft uns die Materialschlacht der Gegenseite sogar“, sagt Nolympia-Sprecher Hierneis. „Die Menschen wollen mit Argumenten überzeugt werden und nicht das Gefühl haben, Euphorie verordnet zu bekommen.“ Dabei spielt den Gegnern ausgerechnet die Münchner S-Bahn in die Hände.
In Lautsprecherdurchsagen wurde in den vergangenen Tagen auf den Bürgerentscheid hingewiesen – nebst Wahlempfehlung pro Olympia. Seitdem wird in München diskutiert, wie viel Materialeinsatz in Ordnung ist – und die Gegner betonen noch stärker den drohenden Größenwahn durch die Spiele.
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