NDR schafft Sendung „Intensivstation“ ab: Hirn geht, billiges Gelaber kommt
Der Radiokanal NDR Info stellt seine Satiresendung „Intensivstation“ samt Podcast ein. Ersetzt werden soll sie durch ein Talkformat. Wie bitter.
K nall auf Fall hat der NDR seine montägliche Satiresendung „Intensivstation“ abgeschafft. Nach der Sommerpause soll es „etwas Neues“ geben. „Seien Sie gespannt!“, teilte der NDR seinen Hörern mit. Nun ist es bis zur Sommerpause noch ein Weilchen hin und man fragt sich, was denn nun so dringlich war bei der Absetzung der „Intensivstation“, als dass das nicht noch bis zum Sommer hätte warten können.
Ersetzt werden soll die Satireshow – und das ist so ärgerlich wie bezeichnend – durch ein weiteres Quatsch-Format. Quatsch wie Quatschen, denn den Sendeplatz soll in Zukunft „Mitreden! Deutschland diskutiert“ füllen. Das ist einigermaßen erstaunlich, denn die Möglichkeiten mitzureden sind Dank des Internets ja besser als je zuvor und nicht durchgehend segensreich. Und NDR Info, der Heimatkanal der „Intensivstation“, bietet schon bisher mit der „Redezeit“ viermal die Woche ein Talk-Format zum Mitreden an.
Der Sender beschwichtigt: Es würden nur die Sendung am Montagabend und der Podcast eingestellt. Dafür gebe es tagsüber Einzelbeiträge der „Intensivstation“, „auch in der hörerstarken morgendlichen Primetime“. Zur Absetzung jetzt heißt es, ab dem 29. April kooperierten die Infowellen der ARD-Sender beim Abendprogramm. Ziel sei es, „Ressourcen für den Ausbau digital nutzbarer Angebote vor allem für jüngere Zielgruppen freizumachen“.
Was dabei verloren geht, ist eine Sendung die mit einigem Hirnschmalz und Kreativität von Journalisten und Kabarettisten gemacht wird; Leuten, die sich eigene Gedanken machen und diese auf professionelle, kluge und unterhaltsame Weise dem Publikum servieren. Satire zu machen, ist ein bisschen Handwerk und ein bisschen Kunst. Sie gelingt nicht immer, aber bei der „Intensivstation“ ziemlich oft. Dass das ersetzt werden soll durch ein weiteres Laberformat, entwertet den NDR und passt zur Abschaffung von so charakterbildenden Sendungen wie des „Zeitzeichens“ im linearen Programm.
Satire ist das Mittel der Wahl
Als Podcast hat sich die „Intensivstation“ von vielen anderen positiv abgehoben, weil sie eben eine Show war – einschließlich einer bemerkenswert originellen Playlist. Und sie war eben nicht das tausendste „Journalisten befragen Journalisten, was sie Tolles bei ihrer Recherche erlebt haben“. Das ist stets ein bisschen peinlich und außerdem langatmig, während die Kollegen Satiriker angenehm zackig auf den Punkt zu kommen pflegten.
Abgesehen davon wird ja gern von den multiplen Krisen geschrieben, denen die in Wohlstand und Sicherheit gewiegte Bevölkerung neuerdings ausgesetzt ist und die angeblich Mühe hat, sie zu verarbeiten. Dazu kommt die zunehmend eigenwillige Interpretation der Wirklichkeit durch viele Zeitgenossen, die vom einfachen Ignorieren des wissenschaftlichen Diskurses bis zur Lüge reicht.
In beiden Fällen ist Satire das Mittel der Wahl, um dagegen anzuarbeiten. Denn je schlimmer die Zustände, desto befreiender das Lachen; je absurder, desto notwendiger ein Mittel, das Absurde in den Griff zu bekommen. Wo Argumente an ihre Grenzen kommen, hilft nur noch der Instrumentenkasten des Satirikers.
Der Rundfunk: ein Fall für die Satire
Nun ist die Versuchung groß, zum Ende dieses Abgesangs selbst mit einer Verschwörungstheorie aufzuwarten: Könnte es sein, dass sich zu viele des handelnden Personals auf den Schlips getreten fühlten und die Sendung deshalb abgesetzt wird? Das Bedürfnis nach Humor lässt sich ja auch mit harmloser Comedy gut befriedigen.
Wie der Sender selbst nahelegt, ist die Antwort schlichter: Hier wird eine aufwendig produzierte Sendung durch ein billigeres Format ersetzt, weil viele Politiker den öffentlich-rechtlichen Rundfunk zum Schaden der Demokratie unter Spardruck setzen. Dass sich der Rundfunk durch Qualitätsverschlechterung selbst entleibt, ist schon wieder ein Fall für die Satire.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Anschlag in Magdeburg
Vorsicht mit psychopathologischen Deutungen
Kochen für die Familie
Gegessen wird, was auf den Tisch kommt
Insolventer Flugtaxi-Entwickler
Lilium findet doch noch Käufer
Polizeigewalt gegen Geflüchtete
An der Hamburger Hafenkante sitzt die Dienstwaffe locker
Lohneinbußen für Volkswagen-Manager
Der Witz des VW-Vorstands
Angriffe auf Neonazis in Budapest
Ungarn liefert weiteres Mitglied um Lina E. aus