NDR-Doku über Transmänner im Fußball: Go Grün-Weiß Eimsbüttel
Die Doku „Testosterongesteuert – Wenn aus Fußballerinnen Männer werden“ erzählt eine gesellschaftlich relevante Geschichte.
Wie geht es eigentlich Huub Stevens gerade so? Solche Themen handelt das NDR-Fernsehen gern in seiner Reihe „Sportclub Story“ ab, die sonntags sehr spät zu sehen ist.
Dass ein nichtaktuelles Sportformat auch dazu dienen kann, gesellschaftlich relevante Geschichten zu erzählen, zeigen Ina Kast und Anne Strauch in ihrer 45-minütigen Dokumentation „Testosterongesteuert – Wenn aus Fußballerinnen Männer werden“. Ihr Film beginnt 2016, als Marino, 22, und Fabian, 29, noch Frauenfußball bei Grün-Weiß Eimsbüttel spielen; erst vor Kurzem haben sie sich innerhalb des Vereins als Transmänner geoutet.
Die Filmemacherinnen begleiten ihre Protagonisten nun während ihrer „zweiten Pubertät“: Der Zuschauer ist dabei, als Marino seine erste Testosteronspritze bekommt beziehungsweise seine „lebenslange Hormonersatztherapie“ beginnt, wie Jens Jacobeit, der behandelnde Sexualmediziner, ihm erläutert.
Zumindest Marino spielte noch eine Zeitlang in seiner alten Frauenmannschaft, obwohl er zu der Zeit bereits „auf Testosteron“ war. „Die Mannschaft hat mich gebraucht“, sagt er heute. Irgendwann habe er sich aber gesagt: „Ich passe hier nicht mehr rein.“ Der DFB vertritt die Auffassung, dass ein Transmann dann, wenn die Vornamensänderung gerichtlich vollzogen ist, also der männliche Name im Personalausweis steht, nicht mehr bei den Frauen spielen kann.
„Testosterongesteuert – Wenn aus Fußballerinnen Männer werden“, Sonntag, 17.9., 23.35 Uhr, NDR
Jens Jacobeit, der auch professionelle Sportler als Patienten hat, sagt dagegen, maßgeblich sei allein das Gutachten des behandelnden Sexualtherapeuten: Wenn der etwa eine Person als Transmann einstufe, dürfe dieser als Mann bei den Olympischen Spielen starten.
Ein perfekter Großstadt-Mikrokosmos
Kast und Strauch inspirieren die Zuschauer zu generellen Betrachtungen zu Sport und Transgender, überladen ihren Film aber nicht. Die Autorinnen haben ihren Text angenehm knapp gehalten, oft lakonisch, manchmal dezent humorvoll, stets angemessen im Ton. Zu den großen Stärken von „Testosterongesteuert“ gehört, dass der Film ohne Musik auskommt. Allzu viele Autoren deutscher TV-Dokus setzen Musik ja ein, um die Gefühle der Zuschauer in eine bestimmte Richtung zu lenken – und schaden ihrem Film damit.
Die beiden NDR-Mitarbeiterinnen hatten das Glück, ihren Film in einem perfekten Großstadt-Mikrokosmos drehen zu können: Ob nun die zehn- bis zwölfjährigen Kinder, die Fabian an einer Ganztagsschule unterrichtet, oder Marinos Kollegen in einem Schuhmacherbetrieb; ob der weltoffene Sportverein oder Marinos Mutter, die sagt: „Es bleibt ja mein Kind. Es ist egal, welches Geschlecht“ – das Verständnis für Fabian und Marino ist beinahe überwältigend. In einer, sagen wir mal: ländlichen Region Mecklenburg-Vorpommerns – Fabian ist dort aufgewachsen – wäre zu diesem Thema wohl ein anderer Film herausgekommen.
Man kann von einem Feelgood-Film sprechen, der aber die Probleme, die noch kommen könnten, keineswegs ausblendet. Er hoffe, dass er „trotz der ganzen Operationen gesund bleibt“, sagt Fabian. Wenn er sich jetzt, als mittlerweile 30-Jähriger, den Film anschaue, frage er sich, wie sich sein Leben wohl entwickelt hätte, hätte er mit 18 „das Selbstbewusstsein“ gehabt, den Schritt in Richtung Mann zu machen.
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