Mythen über Rocker: Zu Gast bei Bandidos
Sie sehen gefährlich aus und es gibt Geschichten, die können einem Angst machen. Im Clubhaus bei zwei der führenden deutschen Bandidos.
Es ist nicht ganz einfach, Peter Maczollek und Leslav Hause zu treffen. Auch wenn sie jetzt ein Buch geschrieben haben, das „Ziemlich böse Freunde“ heißt, und von dem sie eigentlich gerne hätten, dass es sich ein bisschen verkauft. Untertitel: „Wie wir die Bandidos in Deutschland gründeten.“
Man schreibt also dem Verlag und sagt, dass man die beiden gern interviewen würde. Kein Problem, sagt der Verlag. Man wartet und schreibt dem Verlag dann noch einmal, dass man die beiden gern treffen würde. Kein Problem, sagt der Verlag wieder.
Irgendwann ruft Peter Maczollek dann an. Er klingt sehr nach Ruhrpott, ein bisschen gemütlich auch und vor lauter Schreck, dass plötzlich einer der führenden Bandidos von Deutschland am Apparat ist, redet man freundlichst als wäre es die Kanzlerin, man selbst eher Klöppel als Raab, und fragt sich danach, ob es ein wenig weniger höflich nicht auch getan hätte.
Fragen schicken, verlangt Peter Maczollek. Er buchstabiert die E-Mail-Adresse seiner Frau. Kein Problem ansonsten. Er werde sich dann melden.
Auch noch unentschlossen? Warum der Wahlkampf für Kandidaten und Demoskopen auf der Zielgeraden doch noch richtig spannend wird, lesen Sie in der taz.am wochenende vom 21./22. September 2013. Mit sechs Seiten wahl.taz. Außerdem: Eine Begegnung mit zwei der mächtigsten Bandidos Deutschlands. Und: Brauchen wir noch Buchläden? Am Kiosk, eKiosk oder gleich im praktischen Wochenendabo.
Man schickt also die Fragen. Wie ist das mit dem Rockerparadox, Freiheit zelebrieren und in strengsten Hierarchien leben? Hat das überhaupt noch etwas mit Motorrädern zu tun? Was ist da gerade im Ruhrgebiet los, warum wird wieder so oft geschossen? Und beweist nicht ein Prozess, der gerade in Berlin läuft, dass unter dem Dach der Bandidos doch ziemlich viel gedealt und geklaut wird?
Es passiert: nichts.
Man schreibt dem Verlag und sagt, dass man die beiden wirklich gerne sprechen würde.
Es dauert eine Weile, dann ist wieder Peter Maczollek dran. Alles kein Problem. Warum man sich denn nicht gemeldet habe? Man habe da so seltsame Fragen geschickt, irgendwas mit Rechtsradikalen. Aber alles kein Problem. Nächste Woche? Im Clubhaus in Bochum?
Eine Straßenbahn fährt vom Bochumer Hauptbahnhof in das Gewerbegebiet, durch das auch die Alte Wittener Straße läuft, auf der das Clubhaus der Bochumer Bandidos liegt. Ein Haus, Rolläden runtergelassen. An der Fassade der Mexikaner mit Hut.
Messer im Rücken
Es gibt diese Geschichten von einem Reporter, der aufgeschrieben hat, wie er Rocker traf, den Hells-Angels-Boss Frank Hanebuth, und wie ihm während dieses Treffens irgendwann jemand von hinten ins Ohr flüsterte, dass man schneller ein Messer im Rücken haben könne, als einem lieb sei.
Man denkt auch an so was, wenn man vor diesem Clubhaus in Bochum steht und die Nummer von Peter Maczollek wählt.
Ein paar Sekunden später kommen Peter Maczollek und Leslav Hause um die Ecke. Groß, breit, tätowiert. Mit Arbeiterhemden und verwaschenen Junge-Leute-Jeans voller überflüssiger Nähte. Sie stellen sich als Peter und Les vor. Man duzt sich, keine Frage.
Im Clubhaus ist im Untergeschoss eine Bar, an der Treppe hängen Bilder von Bandidos, oben im Member-Raum, wo nur die Mitglieder zugelassen sind, liegt ein Bandido mit Glatze auf dem Sofa und pennt. Nachtwache. Es ist mittags gegen eins. Was um das Haus herum passiert, zeigen mehrere Bildschirme am Ende des Raums. Überwachungskameras.
Mit Pump-Guns und Kabelbindern
Peter Maczollek und Leslav Hause saßen zuletzt vor mehr als zwanzig Jahren im Knast, WM 1990. Da hatten sie irgendeine Road Gang in Baden-Württemberg, die ihre Brüder nach einer Messerstecherei verpfiffen hatte, mit Schlägern, Pump-Guns und Kabelbindern überfallen – in einem etwas zu gelben Wagen. Die Wiederherstellung der Rockerehre scheiterte an derartigen Auffälligkeiten.
Aber seitdem?
Der Staat mag einen Verdacht haben. Der Staat hat gerade aber nichts in der Hand.
Nichts Auffälliges, sagt auch die Polizei in Bochum. Wenn, dann in Gelsenkirchen, in Duisburg oder Krefeld. Maczollek, Hause? „Die fallen hier in Bochum in unserem Bereich nicht auf.“ International, keine Ahnung. Aber hier? Nein, wirklich nicht.
Andererseits: Vielleicht hätte das auch die Polizei in Hannover vor ein paar Wochen noch über Frank Hanebuth gesagt. Jetzt sitzt er in Spanien im Knast. Die Vorwürfe: Geldwäsche, Drogenhandel, Erpressung.
Überall Clubhäuser
Peter Maczollek und Leslav Hause werden in diesem Gespräch alles abstreiten oder relativieren, was man ihnen vorhalten könnte. Sie mögen eben Motorräder. Ist es nicht toll, dass man überall Clubhäuser hat, wo man übernachten kann? Selbst in Frankreich oder Spanien?
Das ist ja auch der Grund, warum jemand Nachtwache macht. Dass immer einer da ist, falls unverhofft Brüder aus einem anderen Land vorbeikommen. Und dass manchmal Hells Angels auf Bandidos-Clubheime schießen, dass sogar Granaten geworfen worden sind, auf dem Höhepunkt des so genannten Rockerkrieges vor drei Jahren? Damit hat das ja gleich mal überhaupt nichts zu tun.
„Expect No Mercy“, das Zeichen, das angeblich die ledernen Kutten von Rockern ziert, die das Mitglied eines anderen Motorradclubs schwer verletzt oder getötet haben. Da sagen sie mal lieber nichts dazu. Und der 1-Percenter-Mythos. Das eine Prozent der Rocker, die sich nicht an die Gesetze halten. Deshalb gelten die Hell's Angels und die Bandidos in den USA doch seit Jahrzehnten als Outlaw Motorcycle Gang.
Ein paar schwarze Schafe
„Das heißt doch nicht, dass sie kriminell sind. Das sind Leute, die vielleicht schräger sind und härter“, sagt Leslav Hause.
Man kann das alles erklären.
Vereinzelte schwarze Schafe, klar. Gebe es immer. Aber ist der ganze FC Bayern kriminell, nur weil Uli Hoeneß Steuern hinterzieht?
Nach dem Gespräch hat man keine Angst mehr, man fühlt sich nur, als hätte einem der Vorstandsvorsitzende der Deutschen Bank gerade erklärt, er habe mit diesem Kapitalismus ja nicht wirklich etwas zu tun.
War doch ganz lustig.
Aber kein Zweifel: Es ist derselbe Peter Maczollek, dessen Bild 2008 von allen Zeitungen der Welt gedruckt wurde, als er mit Frank Hanebuth in einer Anwaltskanzlei in Hannover einschlug. Rockerfrieden.
Der Frieden ist vorbei.
Ein paar Wochen nach dem Treffen in Bochum randalieren rund 100 Rocker in der Duisburger Innenstadt, schlagen mit Knüppeln auf Autos und werfen Flaschen auf andere.
Peter Maczollek könnte das aber bestimmt erklären.
Vereinzelte schwarze Schafe.
Die Ganze Geschichte „Männer, die Halt suchen“ erscheint in der taz.am wochenende vom 21./22. September.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Israelische Drohnen in Gaza
Testlabor des Grauens
Proteste bei Nan Goldin
Logiken des Boykotts
Bundeskongress der Jusos
Was Scholz von Esken lernen kann
Bündnis Sahra Wagenknecht
Ein Bestsellerautor will in den Bundestag
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste
Schwedens Energiepolitik
Blind für die Gefahren