Myanmar nach dem Putsch: Chinas brennende Probleme in Yangon
Wem könnte die Brandstiftung in chinesischen Fabriken in Yangon nach dem Wochenende mit einer Rekordzahl an getöteten Demonstrant:innen nutzen?
Zuvor waren am Sonntag die bisher meisten Toten zu beklagen gewesen. Laut Myanmar Now zählten an dem Tag allein in Yangon drei Krankenhäuser 59 Tote und 129 Verletzte. Die Gefangenenhilfsorganisation AAPP gab die Gesamtzahl der bis Sonntagabend Getöteten mit mindestens 126 an, die Webseite „Myanmar Spring“ nennt seit dem Putsch am 1. Februar 171 bestätigte Todesfälle, darunter schon 6 am Montag.
„Die Juntaführer gehören nicht an die Macht, sie gehören hinter Gitter“, twitterte der so empörte wie machtlose UN-Sonderberichterstatter für Menschenrechte in Myanmar, der US-Amerikaner Tom Andrews.
Bisher verhinderten China, aber auch Russland und zuletzt auch Indien und Vietnam eine Verurteilung der Junta im UN-Sicherheitsrat und damit auch Sanktionen. China und Russland stellten sich schon im UN-Menschenrechtsrat vor das Putschmilitär, stets mit der Betonung, die Ereignisse in Myanmar seien eine „innere Angelegenheit“.
Proteste vor der chinesischen Botschaft
In den letzten Wochen gab es deshalb fast täglich Proteste vor den Botschaften Chinas und Russlands in Yangon. China ist Myanmars größter Handelspartner, größter Waffenlieferant und zweitgrößter ausländischer Investor. Pekings Medien hatten den Putsch nur als „größere Regierungsumbildung“ bezeichnet.
Für die Volksrepublik ist Myanmar strategisch und wirtschaftlich wichtig, Letzteres für Rohstoffe wie als Absatzmarkt. Vom südchinesischen Yunnan verlaufen chinesische Öl- und Gaspipelines durch Myanmar zum Indischen Ozean.
Peking hatte schon die frühere Militärjunta international gestützt und mit seinem Handel westliche Sanktionen unterlaufen. Doch hatte China auch gute Beziehungen zur jetzt durch den Putsch entmachteten Regierung der Friedensnobelpreisträgerin Aung San Suu Kyi.
Berichten zufolge sollen Pekings Kader Myanmars grobschlächtige Generäle verachten. Die Chinesen konnten bessere Geschäfte machen, als unter Aung San Suu Kyi die Wirtschaft florierte. Sie haben jetzt vor allem ein Interesse an Stabilität, Demokratie in Myanmar ist für sie nicht attraktiv. Und Peking hat westliche Länder bereits vor einer Einmischung dort gewarnt.
Aung San Suu Kyi hatte ein gutes Verhältnis zu Peking
Ausgerechnet die frühere Militärregierung hatte 2011 den Bau des von China finanzierten umstrittenen Myitsone-Staudamms im nördlichen Kachin-Staat gestoppt, für dessen Weiterbau sich später überraschend Aung San Suu Kyi gegen den Protest der Anwohner einsetzte.
Myanmars nationalistische Generäle brauchen Chinas internationalen Schutz, wollen aber nicht noch abhängiger von Peking werden. Jetzt beunruhigten China die Proteste vor seiner Vertretung in Yangon wie auch Aufrufe zum Boykott chinesischer Waren.
Deshalb erklärte Botschafter Chein Hai, dass die Entwicklungen in Myanmar nicht dem entsprächen, „was wir sehen wollen“. China hatte auch Aung San Suu Kyi zum Wahlsieg ihrer Partei im November gratuliert. Doch das Militär begründete seine Putsch mit angeblichem Unregelmäßigkeiten bei der Wahl.
Peking sorgt sich jetzt auch um seine Investitionen und verlangte in einem Ende Februar geleakten Brief von der Junta einen stärkeren Schutz seiner Pipelines. Das führte zur Retourkutsche von Juntagegner:innen, dass mögliche Beschädigungen der Pipelines doch eine „innere Angelegenheit“ seien.
In Yangons Industrieviertel Hlaing Tharyar starben am Sonntag mindestens 22 Demonstranten. Dort befinden sich viele chinesische Fabriken. Mindestens zwei chinesische und eine taiwanische brannten später ab. Laut Chinas KP-Blatt Global Times griff ein Mob auf Motorrädern insgesamt 12 chinesische Firmen an, in anderen Berichten ist von rund 30 zerstörten oder beschädigten Firmen die Rede.
Industrieviertel jetzt unter Militärverwaltung
Die Junta stellte das Viertel und noch einen weiteren Stadtteil am Sonntag unter Militärverwaltung. Am Montag kamen weitere Viertel hinzu, auch in Mandalay.
Chinas Botschaft forderte jetzt die Junta auf, chinesische Fabriken zu schützen, davon ausgehend, dass Demonstrant:innen Feuer gelegt hätten. Das ist auch nicht auszuschließen. Aber es könnte genauso eine Taktik des Regimes sein, um China zur Parteinahme für die Putschisten zu drängen und zugleich einen Vorwand zu schaffen, die Repression zu verstärken.
Im Februar waren vom Regime 23.000 Strafgefangene freigelassen worden. Viele mutmaßten damals, diese könnten womöglich vom Regime als Unruhe- oder Brandstifter eingesetzt werden. Eine Taktik, die vom Militär schon früher angewandet worden war.
Die Global Times machte jetzt „westliche und Anti-China-Kräfte“ bis hin zur Hongkonger Demokratiebewegung verantwortlich, in Myanmar gegen Peking Stimmung zu erzeugen und womöglich hinter den Brandstiftungen zu stehen.
Will die Junta antichinesische Ressentiments nutzen?
Im Internet gab es am Sonntag Warnungen, nicht in eine mögliche Falle der Junta zu tappen. Diese könnte antichinesische Gewalt und eine Eskalation für sich nutzen. Auch weil sie antichinesische Gewalt fürchten, hatten lokale Chines:innen in ihrer Hochburg Mandalay schon im Februar mit gegen das Militär demonstriert.
Am Montag empörten sich viele über Chinas Reaktion auf die Brandstifungen. Denn während Peking diese verurteilte und das Militär zum Eingreifen aufforderte, schwieg China bisher zu den Schüssen der Armee auf Demonstrant:innen. Viele Juntagegner werten deshalb Chinas Reaktion als einseitige Parteinahme zugunsten der Generäle. Das verstärkt die ohnehin vorhandenen antichinesischen Ressentiments.
Die Junta sperrte am Montag das mobile Internet für zunächst unbestimmte Zeit. Deshalb fiel eine Gerichtsanhörung per Video der unter Hausarrest stehenden Aung San Suu Kyi aus.
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