Mutter Teresa und ihre Heimat: Heilig, heilig, heilig
Als Papst Franziskus Mutter Teresa heiligsprach, feierten gleich drei Heimatländer. Albaner sind muslimisch? Egal, nur das nationale Symbol zählt.
t az „Erst gewann die Judokämpferin Majlinda Kelmendi bei der ersten Teilnahme Kosovos die erste Goldmedaille bei Olympischen Spielen, dann wird Mutter Teresa heiliggesprochen und zu guter Letzt schlägt sich unsere Fußballmannschaft aus Kosovo bei der WM-Qualifikation recht passabel“, begeistert sich der junge albanische Anwalt Bekim Haxhiu. In seiner Stimme schwingt Stolz mit: endlich einmal gute Nachrichten aus Albanien und Kosovo, der ärmsten Ecke Europas.
„Die Menschen haben von den Negativnachrichten der letzten Jahre die Schnauze voll“, sagt auch Shota Bukoshi in dem Garten eines Hotels in Prishtina und freut sich. Die kosovarische Jungdiplomatin ist für ein paar Tage aus Berlin in ihre Heimat zurückgekehrt.
Vielen Albanern in Albanien und auch Kosovo ist aufgefallen, dass die Presse vor allem in Europa (nicht US-Sender CNN) es vermieden hat, Mutter Teresa in der Berichterstattung über ihre Heiligsprechung als Albanerin vorzustellen. Auch die katholische Kirche habe das eher verschwiegen, sagt Shkelzen Maliqi, außenpolitischer Berater der albanischen Regierung.
„Wir gelten wohl nicht als besonders heilig“, schmunzelt der 69-jährige Intellektuelle, auch darüber, dass sich nun drei Staaten und ihre Repräsentanten im Glanze der Heiligsprechung sonnen dürfen: Kosovo, wo ihre Familie herstammt; Mazedonien, wo sie als Angehörige der albanischen Minderheit geboren wurde; und natürlich Albanien, wo sie zeitweise zur Schule ging.
Drei Staatschefs in Rom
Da ließen es sich die drei Staatschefs mit ihrem Anhang auch nicht nehmen, zur Heiligsprechung nach Rom zu fliegen. Das Staatstheater und Künstler in Tirana feierten ebenso pompös wie das offizielle Prishtina.
Sogar unter dem überwältigend kitschigen Denkmal Alexanders des Großen im neuen Stadtzentrum von Skopje – einer Kreation des mazedonisch-orthodoxen Nationalismus – gedachte man an diesem Tag der katholischen Heiligen. Und in Prishtina wurde am „Teresa-Boulevard“ eine mächtige neue Kirche am Tage der Heiligsprechung feierlich eingeweiht. Die überdimensionalen Gemälde und Büsten der Heiligen in Prishtina konkurrieren mit dem Wandrelief aus Muscheln und den Skulpturen in der katholischen Kirche von Tirana.
Nationalheilige in gleich drei Staaten zu sein schafft nicht jeder. „Bei der Heiligsprechung waren wohl mehr Muslime in Rom anwesend als Katholiken“, lästert Shota Bukoshi.
Muslimisch, aber weltlich
Sind doch 60 Prozent der Albaner nominell Muslime, ob als Sunniten oder Schiiten der gesellschaftlich liberalen Bektashi-Sekte.
„Die meisten Albaner sind nicht besonders religiös, ob sie dieser oder jener Religionsgemeinschaft angehören“, meint Shkelzen in Tirana. Religion spielt unter den Albanern des Kosovo und Albaniens keine große Rolle, mit Ausnahme der albanischen Landbevölkerung in Mazedonien überwiegt doch ein recht weltliches Weltbild.
Und so ist es auch kein Wunder, dass die Reaktionen auf Kritik an der Nationalheiligen verhalten ausfallen. War Mutter Teresa wirklich der Anwalt der Kranken und Armen? Diente das Sterbehospiz in Kalkutta nicht vor allem dazu, im letzten Moment des Lebens aus Hindus Christen zu machen? Warf sie nicht auch Knüppel zwischen die Beine jener, die den Lebenden helfen wollten?
Es ging bei den Feierlichkeiten für die Albaner der drei Staaten aber nicht um die kritische Interpration historischer Fakten, sondern um ein staatsübergreifendes nationales Symbol. Ein paar Tage später feierte auch das Volk, mit Alkohol und Ausgelassenheit: in Prishtina nach dem 1:1 der erstmals spielberechtigten Nationalmannschaft Kosovos in Finnland und in Tirana nach dem Sieg Albaniens – gegen Mazedonien.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Exklusiv: RAF-Verdächtiger Garweg
Meldung aus dem Untergrund
Anschlag in Magdeburg
„Eine Schockstarre, die bis jetzt anhält“
Wirbel um KI von Apple
BBC kritisiert „Apple Intelligence“
Russische Männer auf TikTok
Bloß nicht zum Vorbild nehmen
Streit um Russland in der AfD
Chrupalla hat Ärger wegen Anti-Nato-Aussagen
Umgang mit nervigen Bannern
Bundesrat billigt neue Regeln für Cookies