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Mutmaßlicher Mörder aus RuandaEntführt und der UN übergeben

Ein mutmaßlicher ruandischer Völkermörder war seit 20 Jahren auf der Flucht. Jetzt wurde er von Unbekannten im Ostkongo gekidnappt.

In der ruandischen Gemeinde Nyanza wird der Toten in einer Gräberstätte gedacht. Foto: reuters

Berlin taz | Es war eine Operation wie aus einem Gangsterfilm: In der tiefschwarzen Nacht von Sonntag auf Montag seien unbekannte Männer in eine kleine Hütte tief im ostkongolesischen Busch eingedrungen, schossen auf die Ehefrau und entführten einen Mann in den Wald, so heißt es in einer E-Mail von einem Informanten in der Region im Ostkongo.

Bei der Geisel handelt es sich um den seit fast 20 Jahren international gesuchten Ruander Ladislas Ntaganzwa. Der ehemalige Bürgermeister der südruandischen Gemeinde Nyakizu in der Präfektur Butare soll während des Völkermordes 1994 für die Ermordung der Tutsi-Minderheit in seiner Gemeinde verantwortlich gewesen sein. Er soll die örtliche Hutu-Miliz Interahamwe mit Waffen ausgestattet und befohlen haben, die Gegend von Tutsi zu säubern. Dazu hatte er mutmaßlich aufhetzende Reden gehalten.

Die Massaker in der Präfektur Butare galten als besonders grausam: Da sich der Präfekt gegen die Ausrottung der Tutsi ausgesprochen hatte, hatten sich Tutsi aus anderen Teilen Ruandas nach Butare geflüchtet und dort in Schulen und Kirchen Schutz gesucht, auch in der Gemeinde Nkyakizu. Dort begann aber am 18. April das Massenschlachten – mutmaßlich auch unter Anleitung Ntaganzwas.

Auf den flüchtigen mutmaßlichen Völkermörder hatte das UN-Sondertribunal für Ruanda (ICTR) mit Sitz im tansanischen Arusha 1996 einen ersten Haftbefehl ausgestellt. Bereits damals war bekannt, dass Ntaganzwa nach Zaire geflüchtete war, in die heutige Demokratische Republik Kongo. Der ICTR hatte mehrfach die zairischen, später kongolesischen Behörden aufgefordert dem Haftbegehren nachzukommen, vergeblich. Das US-Justice-Award-Programm setzte fünf Millionen Dollar auf seine Ergreifung aus.

Keine Spur von den Kidnappern

Der ruandische Hutu lebte seitdem unbehelligt im Ostkongo unter Schutz der dortigen ruandischen Hutu-Miliz FDLR (Demokratische Kräfte zur Befreiung Ruandas), deren Führung sich aus ehemaligen Tätern des Völkermordes zusammensetzt. Zuletzt unterhielt Ntaganzwa in dem kleinen Ort Kiyeye im Nyanzare-Wald in Nord-Kivu in seinem Haus, in welchem er mit seiner Frau wohnte, eine Apotheke. Er war auch als Heiler bekannt – bis zur Geiselnahme zu Beginn dieser Woche.

Wer die Kidnapper waren, bleibt ein Rätsel. Dieser Tage geriet die FDLR immer wieder unter Angriff einer lokalen Miliz. Kongos Armee geht seit Februar gegen die FDLR vor und hat immer wieder schwere Verluste hinnehmen müssen. Vergangene Woche eroberte sie das Hauptquartier des FDLR-Oberkommandierenden Sylvestre Mudacumura in Rushihe, der ebenfalls mit internationalem Haftbefehl gesucht wird. Auch auf ihn sind fünf Millionen Dollar ausgeschrieben.

Aus verschiedenen Quellen wird bestätigt: Der gekidnappte Ntaganzwa wurde einer UN-Station unweit des Hauses Ntaganzwa in Nyanzare „übergeben“ und am Mittwochnachmittag mit einem UN-Hubschrauber nach Goma geflogen. Kongos Behörden sollen ihn nach Ruanda ausliefern.

Der ICTR wird am Ende des Jahres abgewickelt und hat den Fall Ntaganzwa bereits 2012 an Ruanda übergeben. Am Mittwoch dem 9. Dezember wurde von der UN zum ersten Mal der internationale Völkermord-Tag begangen. Auch ICTR-Chefermittler Hassan Bubacar Jallow ist zu den Feierlichkeiten in New York anwesend. Die mysteriöse „Geiselnahme“ des gesuchten mutmaßlichen Völkermörders in der zeitlichen Nähe des symbolischen Datums mag also alles andere als ein Zufall gewesen sein.

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