piwik no script img

Mutmaßlicher Bilanzbetrug bei Dax-KonzernWirecard will Insolvenz beantragen

Dem Unternehmen Wirecard droht Zahlungsunfähigkeit. Wegen eines Bilanzskandals steht der Zahlungsdienstleister im Fokus der Strafverfolgungsbehörden.

Bald nutzlos? Kreditkarte von Wirecard Foto: Sven Hoppe/dpa

München dpa | Der in einen Bilanzskandal verstrickte Zahlungsdienstleister Wirecard will Insolvenz anmelden. „Der Vorstand der Wirecard AG hat heute entschieden, für die Wirecard AG beim zuständigen Amtsgericht München einen Antrag auf Eröffnung eines Insolvenzverfahrens wegen drohender Zahlungsunfähigkeit und Überschuldung zu stellen“, teilte das Unternehmen am Donnerstag mit. „Es wird geprüft, ob auch Insolvenzanträge für Tochtergesellschaften der Wirecard-Gruppe gestellt werden müssen.“

Wirecard hatte früher bereits mitgeteilt, dass 1,9 Milliarden Euro, die das Unternehmen auf Treuhänderkonten verbucht hatte, „mit überwiegender Wahrscheinlichkeit“ nicht existieren. Deswegen prüft der Konzern die nachträgliche Korrektur seiner Bilanzen: „Mögliche Auswirkungen auf die Jahresabschlüsse vorangegangener Geschäftsjahre können nicht ausgeschlossen werden“, hieß es.

An der Frankfurter Börse stürzte die Wirecard-Aktie ein weiteres Mal in die Tiefe, die Papiere notierten am Donnerstag erstmals seit Sommer 2011 nur noch einstellig. Mit 9,96 Euro erreichten sie den tiefsten Stand seit August 2011. Nach der abermaligen Verschiebung der Bilanz für 2019 in der Vorwoche und dem Eingeständnis mutmaßlicher Luftbuchungen verloren sie damit inzwischen gut 90 Prozent.

Wirecard ist auch im Fokus der Strafverfolgungsbehörden. „Wir prüfen alle in Betracht kommenden Straftaten“, hatte eine Sprecherin der Staatsanwaltschaft München I am Montag gesagt. Bei der Behörde läuft bereits ein Ermittlungsverfahren gegen den Ende voriger Woche zurückgetretenen ehemaligen Vorstandsvorsitzenden Markus Braun und drei weitere Manager der Wirecard-Spitze wegen des Verdachts der Falschinformation von Anlegern in zwei Börsen-Pflichtmitteilungen.

Mutmaßliche Scheingeschäfte mit Drittpartnern

Im Zentrum des Bilanzskandals stehen der ehemalige Wirecard-Finanzchef in Südostasien und ein Treuhänder, der bis Ende 2019 für Wirecard aktiv war und das – wie sich nun herausgestellt hat – in großen Teilen wahrscheinlich gar nicht existente Geschäft mit den Drittpartnern betreute.

Über mögliche Bilanzmanipulationen bei Wirecard hatte schon vor über einem Jahr die britische Financial Times berichtet. Im Oktober hatte die Zeitung dann berichtet, dass ein beträchtlicher Teil der Wirecard-Umsätze mit Drittfirmen in Asien womöglich auf Scheingeschäften beruhe.

Braun hatte die Berichterstattung der Financial Times über Monate als haltlos zurückgewiesen. Da es schon nach den ersten Artikeln zu außergewöhnlichen Kursstürzen der Wirecard-Aktie an der Frankfurter Börse gekommen war, hatten die Finanzaufsicht Bafin und die Münchner Staatsanwaltschaft Untersuchungen eingeleitet, ob Kursmanipulationen von Börsenspekulanten dahintersteckten.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

2 Kommentare

 / 
  • In Sachen Wirecard sollte man sich für die Zukunft einige wichtige Dinge merken, um sie ab jetzt regelmäßig und mit hartnäckigster Verbissenheit den sogenannten Börsen"expertInnen" und "-AnalystInnen" um die Ohren zu hauen, wenn die sich wieder aufspielen: Diese Personengruppe gehört zu einer besonders realitätsrenitenten Spezies, deren Geschwafel in die Sondermülltonne für Problemabfälle gehört.



    Man nehme die folgende Meldung aus dem Jahre 2016 von der Webseite finanzen100.de zur Kenntnis (Wirecard-Aktie bricht nach Zatarra-Bericht um 15 Prozent ein



    24.02.2016 - Finanzen100 ), um zu ermessen, mit welcher Verrücktheit die Wirecard-Story von den marktbestimmenden Spekulanten seit Jahren in die falsche Richtung getrieben wurde - Zitat: "Trotz SDK & Co 1500 Prozent plus seit Anfang 2006



    Die aufsehenerregendste Attacke gegen Wirecard waren im Sommer 2008 Untersuchungen der Schutzgemeinschaft der Kapitalanleger (SdK) über angeblich irreführende Bilanzierungsmethoden. Wirecard hatte diese über ein Sondergutachten von Ernst & Young entkräftet. Zudem wurde bekannt, dass einige SdK-Mitglieder auf fallende Wirecard-Kurse gesetzt hatten. Zwei Jahre danach sorgte eine Falschmeldung eines Internetportals für heftige Kursverluste

    Langfristig haben die immer wieder auftauchenden Attacken, Gerüchte und Spekulationen den Aufschwung des Unternehmens am Aktienmarkt nicht geschadet. In den vergangenen zehn Jahren legte der Kurs trotz der jüngsten Verluste rund 1500 Prozent zu. " So die Meldung vor vier Jahren.



    Jeder normale Mensch erkennt unzweifelhaft: DIESE AKTIENHASARDEURE HABEN DAS RISKANTE SPIEL GANZ KLAR UND BEWUSST WIE KLASSISCHES CRASH-ROULETTE WEITERGESPIELT. Nach dem Motto: Mal sehen, wer am Ende ganz blöd dasteht.



    Die BAFIN und Ernst & Young haben sich als die Obertrottel blamiert.

  • Der Skandal ist nicht, dass WireCard 1 900 000 000 € "erfunden" hat sondern dass das gesamte Bankensystem mehr oder minder auf solchen Geschäftsmodellen basiert.

    Wenn ich da nur an Optionsscheine denke oder an Warentermingeschäfte ...

    Poker, Roulette und Lotto folgen ja noch gewissen, nachvollziehbaren Wahrscheinlichkeitsrechnungen aber Banken ???