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Mutmaßliche Polizeigewalt in HamburgFalsch verstandene Tradition

Katharina Schipkowski
Kommentar von Katharina Schipkowski

Hamburgs Polizei schafft es nicht, ihre Taktik den realen Erfordernissen anzupassen. Sie muss sich immer prügeln.

Haben vielleicht auch nicht immer Bock, aber die Tradition ruft: Hamburger Po­li­zis­t*in­nen Foto: Marcus Brandt/dpaMarcus Brandt

D er 1. Mai lebt von Traditionen und Folklore. Einerseits ist das gut: Viele, die am Kampftag der Ar­bei­te­r*in­nen auf die Straße gehen, tun dies, weil man eben am 1. Mai demonstrieren geht. Wo die Zwänge von Kapitalismus, Patriarchat und Klimazerstörung an 364 Tagen im Jahr nicht ausreichen, um die Menschen aus ihren Sofaecke hoch zu treiben, da genügt an diesem einen Tag die Besinnung auf die Tradition. Erster Mai, da ist frei, da geht man demonstrieren.

Andererseits ist es aber auch bescheuert. Dann, wenn Linken nichts Neues mehr einfällt, wenn Politgruppen bei Stalins UdSSR hängen bleiben oder linke Straßenfeste zu Sauf-und-Kauf-Märkten verkommen. Oder wenn sich Krawall-Kids mit Po­li­zis­t*in­nen durchs Viertel jagen, einfach weil es am 1. Mai dazugehört. Wobei, wenn sie es brauchen…

Allerdings scheint auch die Polizei diese Tradition zu brauchen, zumindest die Hamburger. Und das ist nicht nur bescheuert und irgendwie egal, denn Po­li­zis­t*in­nen sind eben keine aufgekratzten Jugendlichen, die sich beweisen müssen, sondern verbeamtete Erwachsene, die Waffen tragen. Wie sie sich verhalten, ist niemals egal, weil es tödliche Konsequenzen haben kann.

Dennoch schafft es die Hamburger Polizei nicht, ohne Prügelei, ohne feindselige Auseinandersetzungen, ohne die Schikanierung linker De­mons­tran­t*in­nen durch den Einsatz am 1. Mai zu kommen. Das hat die Polizeiführung dieses Jahr mal wieder bewiesen. Mit einem Großaufgebot inklusive Wasserwerfern und Räumpanzern rückten die Hundertschaften schon mittags zur kinderwagentauglichen Großdemonstration an.

Proteste kriminalisieren, schikanieren, kontrollieren

Als es, wie erwartet, keinen Grund gab, das schwere Gerät einzusetzen, drangsalierten die Po­li­zis­t*in­nen den schwarzen Block innerhalb der ansonsten schwarz-bunt gemischten Demo. Erst störte sich die Polizei an den Schlauchschals und Sonnenbrillen der Teilnehmer*innen, dann an schwarzen Coronamasken. Eine Stunde lang stand die Demo still, obwohl zu keinem Zeitpunkt ein Gewaltpotenzial seitens der Teil­neh­me­r*in­nen bestand.

Bei der anarchistischen Demo am Nachmittag ging die Schikane noch deutlich weiter. Ganze zwei Stunden lang hinderte der Einsatzleiter die Demo am Loslaufen. Schuld war erst die Vermummung, dann das eine, dann das andere Transparent, dann wieder die Vermummung und schwupps – waren zwei Stunden um und die Demo ging gar nicht mehr los.

Einfach zum Punkkonzert ins Schanzenviertel gehen sollten die Teil­neh­me­r*in­nen aber auch nicht, sie mussten da schon eskortiert werden, mit vier Po­li­zis­t*in­nen pro Demonstrant*in, als ob es gegolten hätte, eine Gewaltorgie zu verhindern. Dabei hatte die kurz vorher stattgefunden – und zwar dergestalt, dass ein Polizist einen Demonstranten mit voller Wucht umschmiss, sodass dieser schwerverletzt ins Krankenhaus kam.

Es ist verheerend, dass die Hamburger Polizei nicht in der Lage ist, das Gefahrenpotenzial von Situationen realistisch zu bewerten und ihre Taktik anzupassen, sondern auf Gedeih und Verderb bei ihrer Traditionslinie bleibt. Die gibt vor: Proteste kriminalisieren, klein halten, schikanieren, zu jedem Zeitpunkt kontrollieren, und wenn jemand ausbricht: draufhauen. Erster Mai, das geht nicht ohne Prügelei. Aber wie wäre es zur Abwechslung mal damit: Erster Mai, da mach ich – Po­li­zis­t*in – frei? Wer sich prügeln will, kann ja ins Boxstudio gehen.

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Katharina Schipkowski
Redakteurin | taz Nord
Jahrgang 1986, hat Kulturwissenschaften in Lüneburg und Buenos Aires studiert und wohnt auf St. Pauli. Schreibt meistens über Innenpolitik, soziale Bewegungen und Klimaproteste, Geflüchtete und Asylpolitik, Gender und Gentrification.
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5 Kommentare

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  • Es gibt in Hamburg eine leicht durchgebrannte Polizei - besonders bei Demos. Das Problem ist doch schon bekannt. Es gab etliche Vorfälle und Verfahren, wo Menschen durch die Polizei zu schaden gekommen sind. Immerhin kleine Verbesserungen gibt es schon, aber es müsste echt noch nachgearbeitet werden. Die Bevölkerung müsste besser und deutlicher die Bevölkerung abbilden, das wäre m.M. sehr wichtig. Es ist gut und richtig Bewerber aus anderen Bundesländern zu nehmen, aber der größte Teil sollte aus Hamburg kommen und dann stimmt auch der Mix. Und linke Demos gehören zur Stadt, da sollte die Polizeiführung einen demokratischen und korrekten Umgang schaffen.

  • Und nächstes Jahr gibt es dann eine Neuauflage des Hamburger Kessel?

  • Wozu braucht die Hamburger Polizei z.B. 6 Wasserwerfer? In den letzten Jahren gab es sehr wenig Möglichkeiten, die in Haburg einzusetzen - eigentlich blieb nur der 1. Mai. Da könnte ja jemand auf die Idee kommen, hier etwas Einsparpotential zu vermuten.

    Wenn die Hamburger Polizei ihr schönes Krawallspielzeug und die Mannstärke der Bereitschaftspolizei halten will, muss sie diese einsetzen.

  • Was erwarten Sie wenn der oberste Dienstherr ein "Pimmel" sein soll.

  • Ich bin froh über jeden Polizei Beamten der auch heute trotz allem auf Arbeit gegangen ist. .. und das Gefahrenpotietial hat Sie ja offentsichtlich richtig bewertet.