Musiktipps der Woche: Echtmusik digital
Gefeiert wird weiterhin aus dem heimischen Wohnzimmer. Etwa mit dem Festival „Jenseits von Nelken und Pralinen“ oder dem neuen Album von Sicker Man.
D a hat man als Berliner*in nun endlich den überfälligen zusätzlichen Feiertag – und dann fällt er sogar in diesem Jahr nicht aufs Wochenende, sondern verlängert selbiges. Feiern lässt sich das nur eingeschränkt, aus bekannten Gründen.
Aber es geht doch was! Das „Jenseits von Nelken und Pralinen Festival“ zum Internationalen Frauentag lässt sich von der Pandemie nicht ausbremsen und wartet mit einem so interaktiven wie internationalen Livestream auf. Im heimischen Wohnzimmer darf ein*e jede*r mitfeiern. Nicht allein, sondern via Webcam auf der Leinwand im Club – auf dass sie auch die Künstlerinnen beim Performen nicht alleine fühlen.
Der taz plan erscheint auf taz.de/tazplan und immer Mittwochs und Freitags in der Printausgabe der taz.
Etwa das Electro-HipHop-Duo Ravi Kuma aus Dänemark oder die junge Katalanin Santa Salut, die stilistisch in vergleichsweise klassischen Rapgefilden unterwegs ist. Den von woanders via Zoom zugeschalteten Freunden zuwinken kann man zudem. Los gehts am Sonntag (7. 3., 19 Uhr, Ticket 2 Euro, Weitere Infos unter www.gretchen-club.de).
Am Donnerstag (11.3.) spricht Mathias Maschat im Rahmen der Denkraum-Reihe key_concepts mit der Pianistin Magda Mayas. Die beschäftigt sich seit 20 Jahren mit dem präparierten Klavier und wie sich das mit improvisierter Musik zusammendenken lässt. Im Denkraum-Gespräch soll es nicht nur um Theorie gehen.
Mayas, die seit 2019 Improvisation an der Hochschule im schweizerischen Luzern unterrichtet, will zudem ganz konkret vorführen, was man dem Innenleben eines Klaviers jenseits des Beabsichtigten noch entlocken kann (20 Uhr, Livestream auf YouTube, weitere Infos unter: exploratorium-berlin.de).
Ebenfalls der Improvisation zugewendet hat sich der Komponist und Musiker Tobias Vethake aka Sicker Man. Lange eher in Gefilden der experimentellen Popmusik zuhause, beschäftigt er sich dieser Tage mit Echtmusik, Noise und Improvisation. Am Freitag erscheint nun sein Album „Dialog“ (blankrecords).
Musikalisches Zwiegespräch
Mit verschiedenen Protagonist*innen, neuen Bekanntschaften sowie alten Wegbegleitern aus der Berliner Improvisations- und Experimentalmusikszene, suchte er das musikalisches Zwiegespräch. Schneider TM oder der mittlerweile in Südafrika beheimateten João Orecchia sind unter anderem dabei.
Dabei steht, wie Vethake es ausdrückt, „nicht die Überwindung und Synthese von Unterschiedlichkeit, sondern das Wahrnehmen und Aushalten verschiedener Positionen im Vordergrund“ – eine nützliche Anregung in diesen seltsamen Zeiten, wo Diskurs so schwierig geworden zu sein scheint. Die Sessions fanden im Sommer 2019 statt, als das noch einschränkungsfrei ging.
Sicker Man feiert den Release, indem er nun improvisierend am Freitag (12. 3., 20 Uhr) – live, aber auf digitalem Weg – auf die musikalischen Briefe antwortet, die ihm seine acht Dialogpartner geschickt haben. Ziemlich genau vor einem Jahr spielte er übrigens mit Kiki Bohemia im damals frischen Lockdown Tag für Tag die Sessions „Cleansing Drones for Locked Down Homes“ ein. Jetzt sind wir immer noch in einer ähnlichen Situation und auch wenn die nicht mehr neu ist – die „cleansing drones“ tun immer noch gut (YouTube-Kanal seines Labels: www.sicker-man.com)
Und weil ja auch in Britannien noch nix geht, lohnt ein Blick auf die Webseite des Barbican (www.barbican.org.uk). Dort sind als „Concerts On Demand“ lohnenswerte vergangene Performances aus dem Londoner Kulturzentrum streambar (12,50 Pfund, verfügbar bis 24. 3.). Toll etwa der Auftritt des Jazzklarinettisten Shabaka Hutchings (sonst mit den tollen Sons of Kemet unterwegs). Der trifft sich in ganz unerwarteten Gefilden, nämlich in Americana, mit dem Kammerensemble Britten Sinfonia.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!