Musikmagazin „Rolling Stone“: Männer auf dem Cover
Ein Coverfoto mit Joy Denalane und Ilgen-Nur war dem „Rolling Stone“ nicht kraftvoll genug. Die Redaktion entschied sich für Bruce Springsteen.
Beinahe hätten es zwei Frauen auf das Cover der deutschen Rolling Stone geschafft: Soulsängerin Joy Denalane und Rockmusikerin Ilgen-Nur. Am Ende entschied sich die Redaktion dann aber für Bruce Springsteen, für ein Foto, das aufgenommen wurde vor dessen ersten Auftritt in Großbritannien im Jahr 1975. Anlass war der 45. Geburtstag des Albums „Born To Run“.
Medienjournalist Stefan Niggemeier schrieb am Sonntag auf seinem Portal Übermedien die Hintergründe des Falls auf: Die beiden Künstlerinnen, die in der aktuellen Ausgabe mit einem Interview auftreten, seien davon ausgegangen, dass sie auf das Cover kommen würden. Nach dem Interview sei eine „aufwändige Fotoproduktion“ gemacht worden, in den Vorbereitungen sei von einem „Cover-Shooting“ die Rede gewesen.
Übermedien hat auch einen Cover-Entwurf mit den beiden Künstlerinnen veröffentlicht, der offenbar gestaltet wurde – aber dann zugunsten des Springsteen-Covers mit dem alten Foto gekippt.
Die letztendliche Entscheidung sei „natürlich die freie Entscheidung der Redaktion“, schreibt der Medienbeobachter. Zugleich verweist er auf die Aussagen der Künstlerinnen aus ebenjenem Rolling-Stone-Interview, in denen es um Fragen von Repräsentation, um Rassismus und Sexismus geht: „Ich habe es immer als ein sehr männliches, weißes Magazin wahrgenommen“, sagt Denalane etwa über das Magazin, dem sie das Interview gibt.
Froh, aber nicht überzeugt
Explizit sprechen beide Künstlerinnen über die Unterrepräsentation von Frauen und nichtweißen Menschen auf dem Cover des Rolling Stone. Auf Nachfrage zur Cover-Entscheidung sagt Chefredakteur Sebastian Zabel zu Übermedien, dass er sich über das Interview freue, „gerade weil es fast ausschließlich um Rassismus und Sexismus im Musikgeschäft“ gehe; er habe aber nie eine feste Titelzusage gegeben.
Springsteen sei von Anfang an als mögliche Alternative geplant gewesen, weil der Musiker „wie wenige andere zur DNA“ des Magazins gehöre. Und weil die Redaktion „nicht hundertprozentig von der Kraft des Fotos mit Joy Denalane und Ilgen-Nur überzeugt“ gewesen sei.
Frauen sind auf dem Cover des Rolling Stone tatsächlich eine Seltenheit. In den vergangenen vierzehn Ausgaben waren es nur zwei: Billie Eilish und Lana del Rey, Letztere allerdings gemeinsam mit Popikone Elton John. Es scheint, als sei es für Musikerinnen nach wie vor äußerst schwierig, sich auf dem Titel des Magazins gegen das männliche Altbekannte durchzusetzen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Historiker Traverso über den 7. Oktober
„Ich bin von Deutschland sehr enttäuscht“
Elon Musk greift Wikipedia an
Zu viel der Fakten
Grünen-Abgeordneter über seinen Rückzug
„Jede Lockerheit ist verloren, und das ist ein Problem“
Nach dem Anschlag in Magdeburg
Das Weihnachten danach
Hoffnung und Klimakrise
Was wir meinen, wenn wir Hoffnung sagen
Der Fall von Assad in Syrien
Eine Blamage für Putin