Musikfestivals der Woche in Berlin: Dicht an dicht
Monika Werkstatt und Katharina Ernst spielen beim experimentierfreudigen XJazz-Festival. In der Akademie der Künste endet „Memories in Music“.
E in gutes Jahr ohne Livemusik. Langsam schwindet die Erinnerung daran, wie es war, dicht an dicht im Club zu stehen. Komisch wird es sich anfühlen, wenn es wieder geht, für uns zwischenzeitlich anders konditionierte Wesen. In Jazz-Gefilden fehlt das Livemoment ganz besonders, schließlich lebt das Genre von Improvisation. Ganz abgesehen davon, dass es in den letzten Jahren verstärkt ein junges, tanzwilliges Publikum in die Clubs zog. Bitter für Musiker*innen wie Fans.
Schon zum zweiten Mal muss nun das experimentierfreudige XJazz-Festival digital stattfinden, das genau diese neue Jazz-Nische bedient, die sich in jüngerer Vergangenheit aufgetan hat. Am Freitag (7.5.) geht es los, live aus der atmosphärischen Emmaus-Kirche am Lausitzer Patz, mit einem auf Berliner Künstler*innen fokussierten und doch vielseitigen Programm. Über die nächsten zehn Abende wartet es mit jeweils zwei oder auch drei Performances auf (ab 21 Uhr, Tagesticket 8 Euro, Festivalpass 35 Euro).
Das wird die Live-Erfahrung selbstredend nicht ersetzen, aber wenigstens bestimmte Aspekte: etwa, dass man andere Menschen außerhalb der eigenen Blase zu sehen bekommt – nicht nur die Musiker*innen, sondern auch die anderen Publikum, mit denen man sich austauschen oder an der virtuellen Bar ein Getränk nehmen kann.
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Zum Auftakt am Freitag (7.5.) tritt unter anderem die Saxofonistin und Vokalistin Fabia Mantwill mit Quintett auf – ein insofern stimmiger Ausblick auf das anstehende Programm, als dass sie in manchen Momenten traditionell jazzig klingt, in anderen dann aber wiederum in ganz andere Klanggefilde schweift. Letzteres ist nicht zuletzt inspiriert durch Mantwills stets großes Fernweh. Wie sie dieses Gefühl, das sich aktuell nur durch Kopfreisen stillen lässt, diesmal in Musik übersetzt, bleibt abzuwarten.
Technoid präzis + Solo am Schlagzeug
Samstag (9.5.) wartet dann die Simulation einer Cluberfahrung als Late Night Special für zuhause: mit dem Trio Komfortrauschen, dass technoide Präzision mit Live-Energie zusammenbringt. Also schon mal überlegen, wie man das im heimischen Wohnzimmer lichttechnisch umsetzt! Und reintanzen in den bisher wohl wärmsten Tag des Jahres, den Sonntag.
Ebenfalls elektronisch und eher experimentell dürfte es am Dienstag (11.5.) bei der Monika Werkstatt zugehen, einem sich immer wieder neu aufstellenden Künstlerinnenkollektiv aus dem Umfeld von Monika Enterprise, dem des Label von Elektronik-Ikone und Underground-Vernetzerin Gudrun Gut. Beim XJazz wird sie auf Beate Bartel, Lucrecia Dalt, Midori Hirano and Pilocka Krach treffen.
Musik ist ja einerseits Trost, andererseits aber auch ein Trigger für das Vermissen gemeinschaftlicher Erlebnisse. Schließlich kann Klang der Kitt sein, der aus einer Gruppe mehr als die Summe der eigenen Teile werden lässt. Mit Katharina Ernst, einem großen Highlight auf der Zielgerade des Festivals, lässt sich jedoch die genau umgekehrte Erfahrung machen. Was die Musikerin und Bildendende Künstlerin ihrem Schlagzeug entlockt, so ganz alleine, ist schlichtweg atemberaubend. Unbedingt ansehen, am zweiten Festival-Samstag (15.5.).
Nicht einfach Natur: Memories in Music
Der Abschlussabend der ersten Runde des „Memories in Music“-Festivals (6.-9.5.) an der Akademie der Künste – eine zweite wird Anfang August stattfinden, dann hoffentlich mit „echten“ Konzerten, und dem pandemiebedingt verschobenen Outdoor–Parcours – stehen unter dem Motto ‚Naturvölker‘.
Dabei geht es unter anderem um den bolivianischen Komponisten Carlos Gutierrez, der in seiner Arbeit manche Vorstellung davon auf den Kopf stellt, was Natur, von der es ja angeblich nur eine gibt, und Kulturen, die bekanntlich facettenreich daherkommen, voneinander unterscheidet. Oder auch nicht. Zu erleben ist das am Sonntag (9.5.) ab 18 Uhr.
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