Musikerinnen und Emanzipation: „Das ist Feminismus genug“
Künstlerinnen brauchen Förderung, das wissen sie selbst am besten. Darum geht es an drei Tagen in der Reihe „Female To Empower“ in Berlin.
Wir treffen uns in einem Café in Prenzlauer Berg mit rosaroten Plüschsesseln, rosaroten Tischen und einer rosaroten Backsteinwand. Die Musikerinnen, Musikjournalistinnen, Autorinnen und Zwillingsschwestern Sandra und Kerstin Grether essen Suppe und erzählen von ihrem Projekt „Bohemian Strawberry Night“, das bei der Veranstaltungsreihe „Female To Empower“ am Samstag im Silent Green Kulturquartier in Wedding stattfinden wird.
„Female To Empower“ wird kuratiert von Andreas Döhler: Er will an drei aufeinander folgenden Abenden Aufmerksamkeit auf Film- und Musikprojekte von Frauen lenken, so erzählt Döhler beim Auftakt am Donnerstag. Er wird deshalb Filme von Filmemacherinnen zeigen, es gibt Konzerte von Musikerinnen wie Tellavision, oder dem Künstlerinnenkollektiv „Monika Werkstatt“.
Für ihre „Bohemian Strawberry Night“ laden Sandra und Kerstin Grether unter dem Motto „Die, die drübersteht“ Musikjournalistinnen zum Gespräch ein, Miriam Davoudvandi (u.a. splash!Mag) und Diviam Hoffmann (ByteFM, taz). Außerdem geben sie ein Konzert mit Doctorella, ihrer Band, und haben die Protestsängerin Maike Rosa Vogel als Gast. Und es kommt die Rapperin Lena Störfaktor, die sich als eine der ersten Frauen im HipHop für Feminismus und gegen Sexismus in der Branche einsetzte. Am Ende des Abends zeigen sie den Film „Play Your Gender“ über Diskriminierung in der Musikindustrie.
Kerstin Grether erzählt: „Ich glaube manchmal, dass Leute eigentlich lieber über dieses Thema „Frauen und Musik“, reden, als sich wirklich Musik von Frauen anzuhören, deshalb wollten wir unbedingt auch Konzerte mit ins Programm nehmen.“ Mit ihrer Beteiligung an Projekten wie „Female To Empower“ oder ihrer eigenen Reihe „Ich brauche eine Genie“, die vierteljährlich in der Kantine am Berghain stattfindet, wollen Sandra und Kerstin Grether vor allem deutschsprachige Musikerinnen unterstützen.
„International, gerade im englischsprachigen Raum, hat sich bei der Gleichberechtigung in den letzten Jahren viel getan, in Deutschland ist bis dahin aber noch ein weiter Weg“, sagt Sandra Grether. Egal ob Indie-Rock oder HipHop, männliche Künstler würden in Deutschland Stadien füllen, während viele Frauen, die genauso talentiert sind, kaum einen Plattenvertrag bekommen.
Im Silent Green startet „Female To Empower“ mit dem Film „Grandma Lo-Fi“ über die Isländerin Sigrídur Níelsdóttir, die mit 71 Jahren begonnen hat, Musik zu machen und innerhalb weniger Jahre 600 Lieder und 59 CDs aufgenommen hat. Man sieht, wie sie in ihrem Wohnzimmer in Reykjavik nur mit ihrem Keyboard, Gesang, und Klängen, die sie auf Küchengeräten erzeugt, mit Aufnahmen von Hundgebell und Taubengurren ihre Lieder macht. Es scheint als würde sie einfach aus einem kreativen Impuls heraus agieren, ohne etwas politisches mitteilen zu wollen.
„An weibliche Musikerinnen wird heute oft der Anspruch gestellt, dass sie Care-Arbeit leisten, sich für Gleichberechtigung einsetzten, es geht selten nur um Musik als künstlerischen Ausdruck“, meint Kerstin. Diese Entwicklung sei einerseits sehr positiv, meinen beide Schwestern, denn noch vor wenigen Jahren, seien fast nur Musikerinnen populär geworden, die sich antifeministisch geäußert haben.
Kunst und Aktivismus muss man trennen können
Andererseits sei es dadurch aber für Frauen kaum möglich, Musik nur um der Kunst willen zu machen, ohne in eine bestimmte Schublade gesteckt zu werden. „Wir haben deswegen eine Platte gemacht, auf der fast nur Liebeslieder sind. Ursprünglich hatten wir auch einen Song über sexualisierte Gewalt drauf, wir haben uns dann entschieden, den nicht zu bringen, weil das ganze Album sonst wieder nur auf diesen einen Song reduziert worden wäre.“ Obwohl sie sich mit ihrer Band Doctorella als durchaus feministisch begreifen, müsse man Kunst und politischen Aktivismus auch trennen können.
Nach dem Film über Sigrídur Níelsdóttir gibt es im Silent Green ein Konzert von der deutschen Musikerin Tellavision. Sie macht ihre gesamte Musik selbst, vom Komponieren, über das Einspielen der Instrumente bis zum Gesang, erzählte sie Jan Paersch in der taz. Im Silent Green scheint sie gleichzeitig überall zu sein: Sie singt mit unheimlich kraftvoller, an Zola Jesus erinnernden Stimme, spielt Keyboard und E-Gitarre und dreht an den Verstärkern. Auf die Frage, warum sie Feminismus in ihrer Musik so wenig thematisiere sagte Tellavision in der taz: „Ich bin eine Frau, ich mach’ meinen Scheiß. Das ist Feminismus genug.“