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Musikerin über Frauen der Wiener Klassik„Sie sind gefeiert worden“

Die Komponistinnen der Wiener Klassik wurden fast systematisch vergessen. Das junge Bremer Ensemble Namu spielt nun ihre Musik.

Marianne Martines, „Il Consiglio“ 1778: Um sie spielen zu können, musste Dannielle Seiler die Werke aus Handschriften übertragen Foto: IMSP/Public Domain
Interview von Benno Schirrmeister

taz: Frau Seiler, wie ist es zu dem Konzert-Programm mit den Frauen der Wiener Klassik gekommen?

Dannielle Seiler: Wir wollen Komponist*innen, die diskriminiert wurden, eine Bühne geben. Und wir wussten, es hat in der Zeit der Wiener Klassik eben nicht nur Haydn, Mozart und Beethoven gegeben, die alle kennen, sondern auch Frauen, deren Musik gefeiert wurde. Also haben wir uns, gefördert vom Bremer Kultursenator und der Waldemar-Koch-Stiftung, auf die Suche nach ihnen gemacht – und nach Werken von ihnen, die zu unserer Besetzung passen.

Und Sie sorgen für musik­historische Gerechtigkeit?

Warum nicht? Aber wichtiger ist uns doch die Gegenwart – also, dass man sich in der modernen Gesellschaft klar macht, dass die Erzählung, die Hälfte der Gesellschaft sei von der Kultur ausgeschlossen gewesen, nicht stimmt. Frauen waren stets beteiligt. Sie haben die Musik ihrer Zeit mitgestaltet.

Wenn sie dafür gefeiert wurden, heißt das: Die Diskriminierung setzt erst nachträglich ein?

Das ist ein sehr wichtiger Punkt. Einerseits gibt es bei den Frauen genau wie bei den Männern immer welche, die nicht bekannt geworden sind – unabhängig von der Qualität ihrer Werke. Zugleich hatten Komponistinnen immer auch mit frauenfeindlichen Vorurteilen zu kämpfen. Dafür gibt es viele Belege. Diejenigen, die es trotzdem geschafft hatten, sind vom Pub­likum durchaus gefeiert worden. Aber dann sind ihre Werke nicht in die Zukunft weitergegeben worden.

Bild: Kenneth Kato
Im Interview: Dannielle Seiler

29, ist Oboistin und Komponistin, hat an der Manhattan School of Music New York und in Bremen an der Hochschule für Künste studiert.

Wieso?

Nachruhm ist etwas, das nicht von selbst kommt. Die berühmten Komponisten haben sich stark darum gekümmert, dass ihre Musik auch nach ihrem Tod gespielt wird. Die haben diese Aufgabe oft ihren Schülern anvertraut oder sehr häufig haben die Witwen dafür gesorgt. Im umgekehrten Fall gab es das so gut wie gar nicht: Frauen fiel es sehr viel schwerer, die Pflege ihrer Werke sicherzustellen.

Waren die so bescheiden?!

Nein, aber ihre Erfolge waren nicht erwünscht. Sie galten als …

… unschicklich?

Das Konzert

„Die Frauen der Wiener Klassik“, Ensemble Namu, Zentrum für Kunst, Tabakquartier, H.-Ritter-Str. 108e, Bremen, Sa, 13. 1., 20 Uhr, und Dom zu Verden, Großer Saal, So, 14.1. 17 Uhr

Vielleicht ist es das. Jedenfalls wurden sie von der männlich dominierten Musikwelt nur ausgehalten, aber eben nicht weitergegeben. Seit den 1970er-Jahren gibt es viel sehr gute Forschung dazu, aber bis dahin hatte eine patriarchale Musikwissenschaft die Werke von Komponistinnen meist ignoriert oder kleingeredet, um das Narrativ vom männlichen Genius aufrecht zu erhalten.

Konnten Sie denn wenigstens auf edierte Partituren zurückgreifen?

Nein, ich habe die Noten für uns aus digitalisierten Handschriften oder sehr alten Drucken übertragen und für unsere Besetzung arrangiert. Wobei das Namu-Ensemble ein Nonett ist, wir aber beim Konzert in unterschiedlicher Besetzung spielen.

Der zeitliche und ästhetische Rahmen, den Ihr Programm setzt, ist ja deutlich weiter als Wiener Klassik: Er reicht von Rokoko bis Romantik. Wonach haben Sie die drei Komponistinnen ausgesucht?

Das stimmt: Es ging uns darum, ausschließlich anhand der Werke von Frauen eine stilistische Entwicklung der Epoche hörbar zu machen. Das ging mit den Werken von diesen dreien – Anna Bon, Marianna Martines und Maria Agata Szymanowska – sehr gut. Jede von ihnen hat einen persönlichen Stil und hat genau dadurch zu dieser Entwicklung beigetragen, wobei es stimmt, dass Szymanowska weit über die Wiener Klassik hinausweist. Die ist schon sehr romantisch.

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