Musik und Literatur im Radio: Sparkultur beim Rundfunk
Wenn die öffentlich-rechtlichen Sender ihr Programm reformieren, geht das immer häufiger zulasten der klassischen Kultursendungen.
Die schlechteren Rahmenbedingungen für den „Nachtclub“ haben mit zwei Trends zu tun. Spiegel Online konstatierte schon 2016, die „Sendeplätze für Autoren-Musikradio“ seien „rar geworden“. Anlass damals: Beim WDR-Programm „Funkhaus Europa“ (heute: „Cosmo“) verschwanden auf einen Schlag 17 musikjournalistische Sendungen.
Kürzlich endete bei Radio Eins (RBB) die Sendung „Roots“, in der der Journalist Wolfgang Doebeling auf einmalige Art ursprüngliche Spielarten populärer Musik vorstellte. Im Forum des Magazins Rolling Stone sprach Doebeling von einem „unfreiwilligen Ruhestand“.
Auch die klassische Kultur kommt bei öffentlich-rechtlichen Reformen stets unter die Räder: RBB Kultur hat im September haufenweise Magazinsendungen gestrichen. Der WDR versucht gerade mit aller Gewalt, seine Kulturwelle WDR 3 zu einem Programm umzumodeln, das tendenziell jedem gefallen soll, aber bloß nicht der kulturinteressierten Kulturradio-Zielgruppe.
„Veraltetes Kulturverständnis“
Die Veränderungen beim „Nachtclub“ haben zwei Gründe: Auf dem alten Sendeplatz bei NDR Info läuft seit Anfang des Jahres die „ARD-Infonacht“, deren Produktion der NDR vom MDR übernommen hat. Und der NDR will innerhalb von vier Jahren 300 Millionen Euro einsparen. Ein freier Mitarbeiter lobt, die „Nachtclub“-Redaktion habe sich bemüht, die Honorar-Einbußen bei Moderatoren – teils über 50 Prozent – gleichmäßig zu verteilen.
Immerhin kündigt Norbert Grundei, Leiter der „Audio-Strategie“ bei NDR, für März ein „neues Nachtclub-Format mit dem Schwerpunkt deutscher Musik“ an. Bei N-Joy, der Welle für die Jüngeren.
Bald nicht mehr beim „Nachtclub“ ist Ruben Jonas Schnell, sein Rahmenvertrag läuft aus. Er konzentriert sich auf das von ihm gegründete Onlineradio Byte FM, wo 24 Stunden „Nachtclub“-artiges läuft. Er kritisiert am NDR ein „veraltetes Kulturverständnis“. Klassik und Jazz werde über das gestellt, was im „Nachtclub“ abgebildet wird: „HipHop, Techno, Rock, Indie, R’n’B, Outernational – das ist kulturell relevanter als die meiste klassische Musik und auch der meiste Jazz“, sagt Schnell. „Musikjournalismus à la ‚Nachtclub‘ hätte einen prominenten Sendeplatz auf NDR Kultur verdient.“
NDR-Stratege Grundei sagt dazu, NDR Kultur habe sich in den vergangenen Jahren „mit großer Offenheit für einen erweiterten Kulturbegriff“ weiterentwickelt. Im Moment sei das „sehr engagierte neue Leitungsteam dabei, das Programm für die Zukunft aufzustellen“. Es sei vorstellbar, dass „Nachtclub“-Angebote auch dort zum Zuge kämen.
Manche Menschen schätzen zwar den „Nachtclub“, zucken aber ob der Veränderungen mit den Achseln: Musikjournalismus sei aus der Zeit gefallen, wegen Spotify müsse niemand auf neue Musik hingewiesen werden. Ruben Jonas Schnell findet: im Gegenteil. „Gerade weil jederzeit so viel Musik zugänglich ist wie nie zuvor, ist Einordnung wichtig – jedenfalls für jene, die sich nicht auf einen Algorithmus verlassen wollen.“
Transparenzhinweis: Die taz kooperiert mit Byte FM bei der Sendung taz.Mixtape.
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