Museum in Hamburg-Billwerder: Mehr als nur Anstrich

Das Deutsche Maler- und Lackierermuseum zeigt über 900 Jahre Geschichte des Handwerks. Und ist dabei fast ein Kunstmuseum.

Ein rot verklinkertes Fachwerkhaus mit Garten

Erst landwirtschaftliches Anwesen, dann Wohnhaus: das Museum befindet sich im „Glockenhaus“ Foto: flamenc/Wikimedia Commons

HAMBURG taz | Dass das Maler- und Lackiererhandwerk eine sehr künstlerische Tradition hat, wird bei einem Rundgang durch das Deutsche Maler- und Lackierermuseum in Hamburg-Billwerder schnell deutlich. „Man hat damals wirklich das Malen gelernt“, sagt Ulrich Seiss, stellvertretender Vorsitzender des Fördervereins des Museums. Filigrane Zeichnungen in Ausbildungsunterlagen aus dem Jahr 1600, große Wandgemälde als Vorläufer der Tapete und Schränke voller Farbpigmente zeigen, wie die Arbeit von Malern früher ausgesehen hat.

Die Geschichte des Handwerks lässt sich auch am Gebäude des Museums erzählen. Das Glockenhaus, in dem sich der größte Teil des Museums befindet, wurde 1600 erbaut und in den folgenden Jahrhunderten durch seine Besitzer angepasst und umgebaut. Das Glockenhaus könne in zwei Nutzungsperioden unterschieden werden, sagt Michael Sommersell, Vorsitzender des Fördervereins. „In der ersten diente das Gebäude als landwirtschaftliches Anwesen. In der zweiten Periode war es ein großbürgerliches Wohnhaus.“

1980 wurde das Gebäude restauriert. Dort sind nun Elemente aus beiden Nutzungsperioden sichtbar: Kreisförmig angelegte blaue Blumenranken verzieren die Decke im ersten Stock. Die Farben sind dunkel, der Pinselstrich grob. Die Verzierung wirkt rustikal. Diese Deckenbemalung sei aus dem Barock und aus der Entstehungszeit des Gebäudes im 17. Jahrhundert. „Es gibt insgesamt nur drei bekannte so bedeutende Decken aus der Barockzeit in Hamburg“, sagt Michael Sommersell. Die Seltenheit des Fundes sei der Grund gewesen, warum die Decke freigelegt wurde.

Im Erdgeschoss des Gebäudes deuten die in Pastellfarben gestrichenen Wände und der feine Stuck auf die Epoche des Klassizismus. Die Wände dort sind „dem Zeitgeschmack der zweiten Nutzungsperiode nachempfunden“, erklärt Sommersell. Die ursprüngliche Farbe, an der sich der Restaurator orientiert hat, ist noch heute an einer kleinen Stelle erkennbar.

Sichtbarkeit fürs Handwerk schaffen

„Im Maler- und Lackiererhandwerk geht es darum, Fläche mit Gestaltungstechniken aufzuwerten“, erläutert Ulrich Seiss. Zwar würde heute deutlich weniger dekorativ gearbeitet, als es in der langen Tradition des Handwerks üblich war, für Restaurationsarbeiten sei es dennoch wichtig, das Wissen von damals auch an künftige Maler- und Lackierergenerationen weiterzugeben.

Auch deshalb empfängt das Museum häufig Berufsschulklassen. „Beruf ist identitätsstiftend“, findet Seiss. Er betont häufig, wie wichtig er es deshalb findet, dass dem Handwerk eine größere gesellschaftliche Wertschätzung zukommt. Das Museum schaffe auch gegenüber Laien Sichtbarkeit für das Handwerk und zeige, auf welcher Tradition es aufbaut.

Diesen Gedanken hatte Joachim Germann, früherer Obermeister der Maler- und Lackierer­innung auch bei der Eröffnung des Museums 1984. Viele Utensilien stammen noch aus seiner Sammlung. Seitdem bekomme das Museum die Exponate von Berufsschulen oder Betriebsauflösungen. Unter ihnen findet sich alles, was wichtig ist, um von der 900 Jahre alten Geschichte des Handwerks zu erzählen: Briefe und Pokale aus der Zeit der Zünfte, Schablonen und Rollen zur Bemalung der Wände und Tafeln mit Schriften aus Zeiten vor Computerschreibprogrammen.

Für die weitere Entwicklung des Museums hat Seiss große Pläne. Perspektivisch möchte er Workshops anbieten, in denen Teil­neh­me­r:in­nen selber Farbe mischen oder Schablonen für Tapeten herstellen können. Einen kleinen Vorgeschmack darauf bietet die lange Nacht der Museen (22. April). Dabei wird das Deutsche Maler- und Lackierermuseum auch mitmachen.

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