Angespannte Lage der Museen: Lasst uns nicht nur über Bilder streiten
Identitätspolitik, rechte Agitation, Finanzknappheit, Restitution: Museen und Ausstellungshäuser stehen jetzt vielfach unter Druck. Ein Zustandsbericht.

Museen seien müde, hieß es vor einigen Jahren. Sie seien als Orte des gesellschaftlichen Austauschs erlahmt. Jetzt aber scheinen Museen und Ausstellungshäuser vielmehr total unter Adrenalin zu stehen. Sie erfahren Druck von vielen Seiten, finanziellen, politischen und öffentlichen Druck. Sie leiden unter den bundesweiten Etatkürzungen.
Die Akademie der Künste der Welt in Köln musste deswegen vor einigen Tagen ganz schließen. Kunstvereine müssen vor unwilligen Stadträten um die Finanzierung ihrer Ausstellungen kämpfen. Derweil beschimpft die AfD Sachsen-Anhalt das Bauhaus Dessau als „Irrweg der Moderne“ und will lieber deutsche Malerei in den Museen sehen.
Die Aggressionen gegen die Häuser aber kommen aus vielen politischen Richtungen. Vor allem in den sozialen Medien, wo man mit Shitstorms und Boykottaufrufen auf Kunstausstellungen reagiert. Und die Zerwürfnisse des Kulturbetriebs seit dem 7. Oktober sind noch lang nicht abgeklungen.
Cancel Culture von rechts
Klaus Biesenbach, Direktor der Neuen Nationalgalerie in Berlin, nahm in einem Spiegel-Interview vor einigen Wochen linke Identitätspolitik und ihren Ruf nach Political Correctness in die Verantwortung für dieses giftige Klima. Sie führe letztlich zu einer Cancel Culture, die Meinungsfreiheit und Kunstfreiheit unterbinde.
Dabei haben auch die Rechten für den Museumsbetrieb die Techniken der Cancel Culture für sich angeeignet. In Trumps USA werden mit faschistoider Energie Kultureinrichtungen umgestaltet. Selbst Leihanfragen für Kunstwerke würden von US-Museen abgelehnt, erzählt eine Kuratorin, wenn in dem Konzeptpapier der Anfrage Begriffe wie „Diversität“ oder „Inklusion“ fielen. Das ist schon krass.
Die Fronten sind ideologisch gepanzert in den Diskussionen um Kunstausstellungen. Der vor wenigen Wochen eröffneten Berlin Biennale sagte das britische Magazin Frieze nach, sie würde nicht benennen, welch angebliche Zensur herrsche in Deutschland seit dem 7. Oktober. Der Artikel wurde prominent in den sozialen Medien gespielt.
Dabei weicht die Biennale-Kuratorin Zasha Colah dem Nahostkonflikt zumindest nicht aus. In einem Hauptsaal der Biennale ließ sie die Künstlerin Margherita Moscardini eine Treppe aus dem Hof des Mariengrabes in Jerusalem nachbauen. Aus scheinbar uralten Steinen ist Moscardinis Installation, die aber niemandes Eigentum sein sollen. Auf offene Weise hinterfragt dieses Kunstwerk den Anspruch auf Territorium und Deutungshoheit für einen Ort, der auch Teil des Nahostkonflikts ist.
Aber es hinterlässt wohl zu viel Interpretationsspielraum in einer gereizten Öffentlichkeit. Die fordert von Ausstellungshäusern eher klare Bilder und Gegenbilder. Das tut die Frieze-Autorin, wenn sie von der Biennale ein eindeutiges politisches Bekenntnis will. Und das tut auf eine Art auch der Kulturstaatsminister Wolfram Weimer, wenn er auf den Angriff der AfD gegen das Bauhaus erwidert, die berühmte Schule für Gestaltung in Dessau sei eine „Weltmarke“.
Neigung zu gefährlichen Verrenkungen
Doch das sind Kämpfe auf der Oberfläche. Der derzeitige Druck auf die Museen geht auch nach innen, seit sie zur Plattform gesamtgesellschaftlicher Konflikte geworden sind. Noch nicht vergessen sind die aggressiven propalästinensischen Proteste bei der Ausstellungseröffnung der Fotografin Nan Goldin im letzten Winter, die auch Klaus Biesenbach im Spiegel zu seiner Generalkritik an die Politicial Correctness ausholen ließ.
Öffentliche Kulturhäuser scheinen noch immer verunsichert zu sein, wie sich Grenzüberschreitungen erkennen und moderieren lassen – und neigen mitunter zu gefährlichen Verrenkungen. Bei der Berlin Biennale soll man gefürchtet haben, einen Text auszulegen, allein weil darin – und losgelöst vom Nahostkonflikt – der Begriff „Genozid“ fällt. Vielleicht war es das, was Zasha Colah in der Berliner Zeitung dazu veranlasste, doch von einer „Selbstzensur“ in Deutschland zu sprechen.
Um von einem gereizten Klima so nicht zerquetscht zu werden, haben manche Museen Verhaltenskodizes eingeführt. Der Kunstkritiker Carsten Probst vermutet jedoch in der aktuellen Texte zur Kunst, dass gerade solch softe Kontrollmechanismen die Institution „erstarren“ ließen, sie würden „gezähmt“.
Stimmt das? Dem widerspricht der Pressesprecher der Staatlichen Kunstsammlungen Dresden, Holger Liebs, auf taz-Anfrage. Auch sein Haus hatte 2024 einen Code of Conduct erstellt. Er ist im Netz öffentlich einsehbar.
Nachwirkung der Restititutionsdebatte
Dass von den einst „müden Museen“ Transparenz gefordert wird, ist auch eine Nachwirkung der Restititutionsdebatte. Sie hat den Blick der Öffentlichkeit auf Museen wirklich verändert. Was verbirgt sich in ihren Tiefen? Welche Spuren hinterließen die Verbrechen der Kolonialzeit und des Nationalsozialismus bei den Museumsobjekten, die uns eigentlich zur Anschauung des Schönen dienen?
Noch vor wenigen Tagen schlug die vermeintlich mangelnde Aufarbeitung über die Provenienz des Tänzerinnenbrunnens im Georg Kolbe Museum Wogen in den Medien. Die Frankfurter Allgemeine Zeitung warf dem Museum vor zu verschleiern, dass es sich um NS-Raubgut handele. Dabei hatte es sich in dem Fall ziemlich um Transparenz bemüht, die Erforschung von Provenienzen ist nämlich auch eine diffizile Angelegenheit.
Die Öffentlichkeit aber fordert von ihr schnelle Ergebnisse. Und die AfD hat die Provenienzforschung für ihre Attacken erkannt. Sie verursache einen „Ausverkauf“ der Museen, sei Symptom eines deutschen „Schuldkomplexes“, und Bemühungen um Aufarbeitung von Kolonialverbrechen seien das Einfallstor für einen „Rassismus gegen Weiße“. Mit derart verdrehten Argumenten will die AfD am liebsten alle Fördergelder streichen, wie ein offener Brief von Provenienzforscher:innen an die Bundesregierung in diesem Frühjahr beklagt. 220 Fachleute haben ihn mittlerweile unterschrieben.
Misstrauen gegenüber den Museumssammlungen
Eigentlich sind wir ja schon in einer Post-Restitutions-Debatte angekommen. Aus einem öffentlichen Misstrauen gegenüber den Museumssammlungen hat sich nämlich auch ein Misstrauen demgegenüber entwickelt, was Museen in ihren Ausstellungen überhaupt zeigen, wen sie damit ansprechen oder auch ausschließen. Die Institutionen sind angerufen, zwischen verschiedenen gesellschaftlichen Perspektiven zu verhandeln. Und das läuft über Sprache und Kommunikation.
Vermittlung und Zugänglichmachung sind aber eben keine sichtbare, materielle Sache. Keine blinkende Ausstellungshalle und keine beeindruckende Schau, wie die Ausstellung monumentaler Stoffkreaturen der tschechischen Künstlerin Klára Hosnedlová, die derzeit von der Decke der Museumshalle im Hamburger Bahnhof hängen, bezahlt von der Luxusmarke Chanel. Dem Berliner Museum stehe nämlich für solch eine Installation nur ein ungenügender Etat zur Verfügung, wie die Pressesprecherin bekundet.
Wohl weil sie nicht so bestechende Bilder liefern wie Hosnedlová, werden Programme für Inklusion, Diversität und Vermittlung schnell durch Sparmaßnahmen eingestampft. Dazu gezwungen war auch Emma Enderby, Direktorin des Berliner Ausstellungshauses KW. Sie musste für 2025 eine Kürzung der Berliner Fördermittel um 14 Prozent hinnehmen.
Repräsentation und stattliche Bilder
Der Staatsminister für Kultur und Medien Wolfram Weimer hingegen stockt finanziell auf. Mit einer Kulturbautenoffensive sollen deutschlandweit auch Museen saniert und modernisiert werden. 50 Millionen Euro sind dafür zusätzlich im Haushalt vorgesehen. Es gehe ihm um eine „lustvolle Sichtbarmachung kultureller Orte“. Die Museumsinsel in Berlin, für die der Klassizist Karl Friedrich Schinkel 1825 den Grundstein legte, solle wieder „in Glanz und Gloria“ erstrahlen, sagte Weimer kürzlich im Bundestag.
Weimers neuer Kulturetat zeichnet auch einen Kulturbegriff ab. Einer, der auf Repräsentation setzt, auf stattliche Bilder. Das können tolle Museumsbauten leisten. Doch hat das offenbar wenig mit den Herausforderungen zu tun, denen Museen gerade gegenüberstehen.
Auf diese angesprochen, sagt Barbara Steiner, Stiftungsdirektorin des gerade zur politischen Zielscheibe erkorenen Bauhauses Dessau: „Für die Kulturinstitutionen steht einiges auf dem Spiel, weswegen es darauf ankommt, Allianzen zwischen Institutionen, aber auch zivilgesellschaftlichen Initiativen zu verstärken.“ Am Ende geht es vor allem um Beziehungsarbeit.
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