piwik no script img

Mugabes Terrorstaat

Die Gewalt, mit der staatstreue Milizen Simbabwes Bevölkerung einschüchtern, eskaliert. Menschenrechtler bedauern Abzug der EU

„Viele Menschen werden nachts abgeholt. Manche verschwinden“

von MARTINA SCHWIKOWSKI

Die Polizei bahnt mit ihren Fahrzeugen den Weg, und im Laufschritt versammeln sich etwa 500 Demonstranten in dem kleinen Park in Hillbrow, einem mit afrikanischen Ausländern dicht besiedelten Viertel in Johannesburgs Innenstadt. Auf ihren Plakaten steht „Stop violence in Zimbabwe“ und „Morgan Tsvangirai for president“. So machen in Südafrika lebende Simbabwer, Unterstützer der Oppositionspartei MDC (Bewegung für Demokratischen Wandel), ihre Haltung klar: „Wir wollen Frieden und Demokratie, sodass wir in unsere Heimat zurückkehren können.“

John Seluma hält sich allerdings im Hintergrund. Er wirkt verschüchtert, nur zögernd streckt er den Arm mit der offenen Handfläche in die Höhe zum MDC-Gruß. Der 29-jährige Simbabwer durchkroch vor einem Monat den Grenzzaun von Simbabwe nach Südafrika und ließ seine Frau und sein sechs Monate altes Kind zurück. „Ich war aktiv in der MDC in Bulawayo“, sagt er. „Sie kamen in mein Haus und haben meine Familie bedroht. Eines Tages haben sie mich aufgesucht.“ Er verkaufte Hemden auf der Straße, als „sie“ kamen und ihn verprügelten.

„Sie“ sind in Milizen organisierte Anhänger der Regierungspartei Zanu-Pf, die in Simbabwe vor den Präsidentschaftswahlen am 9. und 10. März Oppositionelle verfolgen und die Bevölkerung einschüchtern. Vor allem auf dem Land hat die Gewalt enorm zugenommen.

„Sie stoppen Busse und Wagen an Straßensperren“, erzählt Mathula Lusinga, Führer der MDC-Jugendliga, der ebenfalls aus Simbabwes zweitgrößter Stadt Bulawayo nach Südafrika geflohen ist. „Oft nehmen sie den Leuten ihre Ausweise weg, oder sie werden einfach gezwungen, eine Zanu-PF-Mitgliedskarte zu kaufen. Schläge sind dabei an der Tagesordnung.“ Lusinga sagt, die arbeitslosen und hungrigen Jugendliche würden von der Regierungspartei bezahlt und seien zu allem bereit. „Viele Menschen werden nachts aus ihren Häusern abgeholt, und manche verschwinden einfach.“

Der 25-jährige Jugendführer berichtet von Lagern daheim, in denen Oppositionelle oder „Verdächtige“ von Zanu-Anhängern misshandelt werden. Er selbst war im September verhaftet worden und verbrachte sechs Tage im Gefängnis wegen angeblichen Waffenbesitzes.

Auch sexuelle Gewalt habe zugenommen, sagt Tony Reeler, Direktor der simbabwischen Menschenrechtsorganisation Amani Trus. „Die Milizen beherrschen die ländlichen Gemeinden und haben dort ihre Basis. Es gibt No-Go-Areas, und die Opposition hat enorme Schwierigkeiten, in diesen Gegenden ihre Wahlkampagnen abzuhalten“, berichtet er. Von den dort geplanten 90 MDC-Veranstaltungen konnten daher nur wenige durchgeführt werden. Auf dem Land werde häufig der Verkehr eingestellt, sodass die Menschen kaum Möglichkeiten haben, an einer MDC-Demonstration teilzunehmen.

In den Städten finden zwar Demonstrationen statt. Bei einem Marsch der Regierungspartei in der Hauptstadt Harare am Montag sind allerdings mehr als 200 ihrer Anhänger aus dem Zug ausgebrochen und haben die Fenster der MDC-Büros mit Steinen eingeschlagen.

Mit der am Montagabend beschlossenen Verhängung von EU-Sanktionen gegen die politische Führung in Simbabwe und dem Abzug der EU-Wahlbeobachter werde sich die Situation möglicherweise verschärfen, meint Reeler. „Ihre Anwesenheit während der Wahlen ist wichtig, damit die Wähler sich etwas sicherer fühlen.“ Das EU-Team ist nach dem Sanktionsbeschluss gestern ausgereist.

Indes beschuldigte Simbabwes Informationsminister Jonathan Moyo die EU, sie wolle mit ihren Sanktionen Präsident Mugabe in die Knie zwingen. Die Regierung beschreibt den Brüsseler Entscheid für Sanktionen gegen Mugabe und 19 seiner Vertrauten als eine Schande. Aber die Wahlbeobachter der EU wollte sie auch nicht. „Die EU soll uns nicht weiter überwachen, denn wir gehen auch nicht in ihre Länder, um sie zu beaufsichtigen“, sagte Mugabe ärgerlich und warnte vor „neokolonialistischer Einmischung“.

Vor der Gewalt und dem wirtschaftlichen Niedergang fliehen immer mehr Simbabwer ins Ausland. Südafrikas Grenzpolizei stoppt täglich 150 simbabwische Flüchtlinge am Grenzübergang Beit Bridge. John Selum, der ängstliche Demonstrant in Hillbrow, ist einer der vielen, die den Behörden entschlüpft sind. Die MDC schätzt, dass zwei Millionen Simbabwer in Südafrika leben, davon eine Million MDC-Wähler. 2001 wurden an den Grenzen 20.000 Illegale gefasst – in den ersten sechs Wochen dieses Jahres waren es bereits 3.500.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen