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Münsters Polizeipräsident für CannabisLegalisierung erst im Ruhestand

Die deutsche Sektion der Gesetzeshüter gegen Prohibition hat ihre Gründung verschoben. Ihr künftiger Vorsitzender musste seine Teilnahme absagen.

Grün, so grün. Bild: dpa

KÖLN taz | Münsters grünem Polizeipräsidenten Hubert Wimber ist offenbar vom sozialdemokratisch geführten Innenministerium in Nordrhein-Westfalen untersagt worden, Vorsitzender einer Vereinigung zu werden, die sich gegen die Kriminalisierung von Drogenkonsumenten einsetzt. Am Mittwoch sollte Wimber zum Vorsitzenden der deutschen Sektion der Organisation „Law Enforcement against Prohibition“ (Leap), der Gesetzeshüter gegen Prohibition, gewählt werden. Doch kurz vor der Gründung sagte er überraschend ab.

Ihm sei die Teilnahme aus dienstrechtlichen Gründen verboten worden, sind die deutschen Leap-Initiatoren überzeugt. „Bei der Vorstellung, dass sogar die eigenen Polizeibeamten die bisherige Verbotspraxis der Drogenpolitik hinterfragen, bekommt das Innenministerium von Nordrhein-Westfalen offensichtlich kalte Füße“, sagte das designierte Leap-Vorstandsmitglied Frank Tempel, drogenpolitischer Sprecher der Linksfraktion im Bundestag und ehemaliger Kriminalbeamter. Das sei eine „Bankrotterklärung“. Gerade die SPD tue sich schwer mit Forderungen nach einer liberalen Drogenpolitik.

Die Leap ist ein aus den USA hervorgegangener internationaler Zusammenschluss, in dem sich sich Polizisten, Kriminalisten und Richter für eine repressionsfreie Drogenpolitik einsetzen. Auch Wimber plädiert seit Langem öffentlich für einen liberaleren Kurs. „Der Umgang mit psychoaktiven Substanzen sollte ein Problem der Gesundheitspolitik und nicht der Kriminalpolitik oder der Strafverfolgung sein“, ist das Credo des 65-jährigen Grünen, der auch Vorsitzender der Bundesarbeitsgemeinschaft der Polizeipräsidenten ist.

Das Landesinnenministerium bestreitet, Wimber zurückgepfiffen zu haben – begrüßte jedoch, „dass er von dieser Aufgabe Abstand genommen hat“. Seine Absage sei jedoch rein „aus organisatorischen Gründen“ erfolgt, behauptet ein Sprecher. Wimber selbst will sich nicht äußern.

Seine Partei gibt sich diplomatisch. „Grüne stehen für die Entkriminalisierung von Cannabis-Konsumenten“, sagte der grüne Landesvorsitzende Sven Lehmann. Sie würden sich sehr freuen, dass Polizeigewerkschaften und Strafrechtler diese Position teilten. „Politik sollte sich dem Erkenntnisgewinn der Polizei und Experten nicht verschließen“, sagte Lehmann.

Die Gründung der deutschen Leap-Sektion soll nun im Sommer kommenden Jahres nachgeholt werden. Dann ist Wimber in Pension.

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5 Kommentare

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  • ...der Einstellung der Verfahren wegen Geringfügigkeit (Eigenbedarf evtl.) und der sich anschließenden, obligatorischen Verfolgung durch die Führerscheinstellen muss endlich begegnet werden.

  • Eine berechtigte Forderung von Herrn Wimber. Wer Drogen nimmt (und diese zu Konsumzwecken besitzt) braucht keine Strafverfolgung, sondern ggf. Hilfe.

    Ich behaupte aber das die meisten Konsumenten von (illegalen) Drogen gar keine Probleme mit ihrem Konsum haben.

    Von über 230.000 angezeigten BtMG Delikte richten sich über 130.000 BtMG-Verstöße gegen ausschließlich Cannabis. Davon sind über 100.000 sogenannte kontextbezogene Delikte.

    Mit diesen Fakten sollte klar sein gegen wen sich die derzeitige Drogenpolitik wendet.

    Die Konsumenten müssen sich auf dem Schwarzmarkt bedienen. Dieser hat zur Folge im Extremfall auch mal ein Mensch stirbt. So geschehen im letzten Jahr, bei einem geplatzten Deal der mit einer Leiche im Dortmund-Ems-Kanal endete. Ein Schaden den die Substanz Cannabis so nicht hätte anrichten können. (Cannabis kann nicht tödlich überdosiert werden.)

    Das die Menschen kein Cannabis nehmen, weil es verboten ist oder wesentlich mehr Menschen konsumieren würden wenn es reguliert erlaubt wäre ist ein Trugschluss, der mit einem Blick in die Niederlande (Gegenbeispiel Frankreich) widerlegt werden kann.

    Ich bin für eine rationale ideologiefrei Drogenpolitik; genau wie Herr Wimber. Schade, dass er es in seinem Beruf offensichtlich nicht sagen darf.

  • Und wieder mal kann man laut singen:

    "WER HAT UNS VERRATEN?

    SOZIALDEMOKRATEN!"

    • @Markus Müller:

      Naja. Das Umfallen und Einknicken ist ja praktisch Parteilinie - und das sich Anbiedern beim rechten Rand Parteitradition. Von "Verrat" kann man also schlecht sprechen, weil kein vernünftiger Mensch etwas Anderes von ihnen erwarten würde.

      Es stellt sich eher die dringende Frage nach der Daseinsberechtigung der SPD, bzw. ob ein solches U-Boot der Union tatsächlich als Opposition durchgehen kann. Als Verräterpartei konnten sich die Grünen, dank einiger Überraschungsverrätereien, blitzschneller Richtungswechsel und technisch perfekter Dolchstöße in letzter Zeit wesentlich besser profilieren.

  • Meine Güte, gebt das Zeug frei. Wer sich unbedingt zu dröhnen will soll es eben tun.