Mossad überwacht Schachpartie: Aufpasser für das Giftduell
Wesselin Topalow und Gata Kamsky spielen um das Recht, den Schachweltmeister herauszufordern. Angeblich achtet der israelische Geheimdienst darauf, dass sie nicht mogeln.
BADEN-BADEN taz Während des Kalten Krieges hatte der sowjetische Geheimdienst KGB regelmäßig seine Finger im Spiel, um den politisch wichtigen Titel eines Schachweltmeisters für das "geistig überlegene Proletariat" zu verteidigen. Weniger politische Ziele verfolgt im aktuellen Agenten-Kapitel der israelische Mossad. Er soll in Sofia ein Auge auf das Schachbrett werfen, um Chancengleichheit beim Duell der WM-Herausforderer zu sichern. Genauer: die Gleichheit der Waffen zwischen Gata Kamsky und Wesselin Topalow.
Der einheimische Exweltmeister kam auch prompt in der ersten von acht Partien nicht über ein Remis mit den weißen Steinen hinaus. Ein Achtungserfolg für den gebürtigen Tataren Kamsky, der 1989 mit 15 Jahren mit seinem Vater Rustam aus der UdSSR in die USA geflüchtet war. Nach einer achtjährigen Pause wegen seines Studiums hatte der Weltcup-Sieger mehr Schlappen gegen Topalow kassiert, als er Unentschieden schaffte. Schlagen konnte Kamsky seinen Angstgegner noch nie. Deswegen sehen die Experten den Juristen als krassen Außenseiter im Kampf um die 250.000 US-Dollar und vor allem die lukrative Aussicht auf ein anschließendes Millionen-Match gegen Weltmeister Viswanathan Anand.
Vor dem ersten Zug im Nationalen Kulturpalast gab es fast schon ein so großes Gerangel wie einst beim Jahrhundertmatch 1972 zwischen Bobby Fischer und Boris Spasski. Gegenseitige Vorwürfe wechselten sich ab. Die von Kamskys Seite lancierte Offerte eines Geschäftsmannes, den Zweikampf zur Ermittlung des WM-Herausforderers für 750.000 Dollar in Lemberg auszutragen, nennt Topalow "leere Worte eines Betrügers, auf den die Organisatoren in der Ukraine hereingefallen sind". Nach monatelangem Hickhack hatte sich das Angebot als Luftblase entpuppt. Kurzfristig sprang daher das bulgarische Sportministerium für den eigenen Nationalhelden ein und legte den Löwenanteil des Preisgelds auf den Tisch.
Kamsky willigte letztlich im November bei der Schach-Olympiade in Dresden dank eines neuen Beraters endlich in alle Vorschläge ein: Der israelische Weltklasse-Großmeister Emil Sutowski hatte neuen Schwung in die Verhandlungen und diese auch zum Abschluss gebracht.
Dass Sutowski vermeintlich den Geheimdienst einschaltete, nahm Topalows Manager gelassen. Gegenüber der bulgarischen Zeitung Standart sagte Silvio Danailow: "Kamsky will einen Experten vom Mossad mitbringen, der den Spielsaal überprüft - aber wir haben nichts zu befürchten und zu verstecken." Der Amerikaner wollte wohl in dem Schachkrimi auf Nummer sicher gehen, weil die Gerüchte nie ganz verstummten, der Weltranglistenerste bekäme während der Partien geheime Zeichen. Diese sollten Topalow signalisieren, welche Züge ein Schachprogramm empfiehlt. Die elektronischen Geister hatte der 33-Jährige selbst gerufen, als er während des WM-Wiedervereinigungskampfes dem Russen Wladimir Kramnik nach einem deutlichen Rückstand Betrug im Ruheraum vorwarf. An der Niederlage des bis dahin beliebten Angriffskünstlers änderte dies 2006 nichts. Das Theater kostete ihn weltweit alle Sympathien.
Auch jenseits des Psychokriegs erwartet Topalow gegen den Weltranglisten-17. "einen harten Fight". Im Interview mit der Schach-Webseite www.chessbase.de lobte der Favorit den Außenseiter als "großen Kämpfer mit eisernen Nerven" und sagte: "Er wird mir ganz sicher gehörig zusetzen." In der ersten Partie bestätigte Kamsky die Einschätzung. Der 34-Jährige zeigte keinerlei Nervosität, verteidigte sich umsichtig und machte im 36. Zug mit einem Dauerschach durch die Dame das erste Remis perfekt.
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