Mordfall in Idar-Oberstein: Holpriger Prozessstart
Nach dem mutmaßlichen Mord an einem Tankstellenverkäufer in Idar-Oberstein hat der Prozess begonnen – wurde jedoch schnell wieder unterbrochen.
Die Tat löste großes Entsetzen aus – entsprechend groß ist das mediale Interesse beim Prozessauftakt. Schon früh am Morgen versammeln sich dutzende Journalisten vor dem Eingang des Justizzentrums. Trotz Pandemie und Abstandsgebot ist der Saal gut gefüllt.
Verteidigung beantragt Unterbrechung
Doch der Verfahrensbeginn verläuft schleppend. Grund dafür ist eine CD mit weiteren Daten, die das Gericht den Beteiligten aushändigt. Hintergrund sind Ermittlungen des Landeskriminalamts Rheinland-Pfalz im Auftrag der Generalstaatsanwaltschaft Koblenz.
N.s Verteidiger bitten zunächst um eine Unterbrechung, um sich die mehr als tausend Seiten der Akten anzuschauen. Dann gibt es offenbar viel zu bereden: Eine ursprünglich geplante Unterbrechung von einer Stunde dauert am Ende rund doppelt so lang.
N.s Verteidigung beantragt zunächst, den Prozess bis zum 31. März auszusetzen. „Wir wurden überrascht, dass die Generalstaatsanwaltschaft Ermittlungen zum Tathintergrund durchgeführt hat“, heißt es zur Erklärung. Den Anwälten zufolge lagen die Ergebnisse, darunter ein 26-seitiges psychologisches Gutachten über N., den Behörden seit drei Monaten vor.
Eine anschließende Diskussion zu der Frage, ob N. von in den Dokumenten erwähnten weiteren Ermittlungsverfahren betroffen ist, klärt sich nach einem Telefonat mit der Generalstaatsanwaltschaft. Demnach gibt es gegen N. keine weiteren Verfahren. Einen bereits gestellten Antrag auf Akteneinsicht bei den Ermittlern zieht N.s Verteidigung daraufhin zurück.
Am Mittwoch wollen die Verteidiger nun mit ihrem Mandanten die übrigen Dokumente durchgehen. Ob ihnen die Zeit dafür bis zum nächsten Verhandlungstag am Freitag reicht, bleibt am Montag ungewiss.
„Für den Fall, dass sich keine weiteren Erkenntnisse aus den Unterlagen ergeben, können wir die Verhandlung am Freitag fortsetzen“, sagt N.s Anwalt nach weiteren Sitzungsunterbrechungen. Sollte das nicht der Fall sein, plant die Kammer, den Termin am Freitag abzusagen und am 31. März weiter zu verhandeln.
N. zeigt keine Regungen
Mit der Maske scheint sich N. indes auch im mittlerweile dritten Jahr der Pandemie nicht arrangiert zu haben. Als die Vorsitzende Richterin Claudia Büch-Schmitz darauf hinweist, dass Prozessbeteiligte sie abnehmen dürfen, wenn sie sie nicht den ganzen Tag tragen können, legt er sie sofort vor sich auf den Tisch. Während der Anklageverlesung blickt er nach unten – Regungen zeigt er keine.
W.s Mutter, die als Nebenklägerin am Prozess teilnimmt, tupft sich während der Anklageverlesung mit einem Taschentuch Tränen aus den Augen. Immer wieder redet ihre Anwältin leise auf sie ein. Bei der Trauerfeier für ihren Sohn im Oktober hatte die Mutter erklärt, dass sie und die ganze Familie stolz auf ihn seien.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Anschlag in Magdeburg
„Eine Schockstarre, die bis jetzt anhält“
Nach dem Anschlag in Magdeburg
Rechtsextreme instrumentalisieren Gedenken
Exklusiv: RAF-Verdächtiger Garweg
Meldung aus dem Untergrund
Wirbel um KI von Apple
BBC kritisiert „Apple Intelligence“
Russische Männer auf TikTok
Bloß nicht zum Vorbild nehmen
Bundestagswahl am 23. Februar
An der Wählerschaft vorbei