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Mordfall KhashoggiSaudi-Arabien behält alles für sich

Die Türkei verlangt die Auslieferung der Tatverdächtigen, Saudi-Arabien verweigert das. US-Verteidigungsminister Mattis warnt vor neuer Instabilität in der Region.

„Wir werden das überstehen“, sagt der saudische Außenminister Al-Jubeir Foto: Reuters

Manama afp | Der Streit zwischen Riad und Istanbul im Fall Khashoggi dauert an: Saudi-Arabien hat am Samstag die Forderung der Türkei abgelehnt, die im Zusammenhang mit der Tötung des Journalisten festgenommenen Verdächtigen an die Türkei auszuliefern. Es handele sich um saudiarabische Staatsbürger, die in Saudi-Arabien inhaftiert seien, sagte Riads Außenminister Adel al-Dschubeir am Samstag in Manama zur Begründung. Die US-Regierung warnte unterdessen davor, dass die Krise die „regionale Stabilität“ im Nahen Osten gefährden könnte.

„Sie sind in Saudi-Arabien inhaftiert, die Ermittlung findet in Saudi-Arabien statt und sie werden in Saudi-Arabien strafrechtlich verfolgt“, sagte al-Dschubeir während einer Konferenz in Bahrains Hauptstadt, an der auch US-Verteidigungsminister Jim Mattis und dessen deutschen Amtskollegin Ursula von der Leyen (CDU) teilnahmen. „Wir werden die Verantwortlichen zur Rechenschaft ziehen. Und wir werden Mechanismen entwickeln, die sicherstellen, dass es nicht noch einmal passiert“, sagte Riads Außenminister.

Die Türkei hatte am Freitag die Auslieferung der 18 Verdächtigen gefordert, die im Zusammenhang mit Jamal Khashoggis Tötung im saudiarabischen Konsulat in Istanbul Anfang Oktober festgenommen worden waren. Der saudiarabische Journalist lebte seit 2017 im selbstgewählten Exil in den USA und hatte sich zuletzt in der Washington Post kritisch mit der Lage in seiner Heimat auseinandergesetzt.

Am Donnerstag hatte die saudiarabische Generalstaatsanwaltschaft unter Berufung auf die türkischen Ermittlungen die Tötung Khashoggis erstmals als eine vorsätzlich geplante Tat bezeichnet. Die bis zu diesem Zeitpunkt von Riad nach anfänglichem Leugnen offiziell verbreitete Version zu dem Todesfall besagte, dass Khashoggi während eines Besuchs des saudiarabischen Konsulats in Istanbul bei einem „Faustkampf“ zu Tode gekommen sei. Diese Darstellung wird international jedoch stark angezweifelt.

Merkel sollte dafür sorgen, dass der Waffenhandel aus Deutschland und auch aus anderen Ländern in Europa mit Saudi-Arabien gestoppt wird

Turan Kislakci, Chef des saudisch-türkischen Medienverbandes

US-Verteidigungsminister Mattis warnte auf der Konferenz in Manama, dass „der Mord an Jamal Khashoggi auf einer diplomatischen Anlage uns allen große Sorge bereiten muss“. Sollte ein Land die internationalen Normen und die Rechtsstaatlichkeit nicht beachten, untergrabe das „die regionale Stabilität“, sagte Mattis.

Die Tötung des Journalisten hat weltweit für Empörung gesorgt und stellt die Beziehungen Riads zu Washington und anderen westlichen Staaten auf die Probe. Al-Dschubeir gelobte jedoch, „wir werden das überstehen“.

Diskussion um ein Waffenembargo geht weiter

In Deutschland wird unterdessen die Diskussion um ein Waffenembargo gegen Saudi-Arabien weitergeführt. FDP-Vize Alexander Graf Lambsdorff begrüßte am Samstag im Deutschlandfunk die Entscheidung der Bundesregierung, vorerst keine Genehmigungen für Rüstungsexporte in das Golf-Königreich zu erteilen. Gleichzeitig sprach er sich für europäische Standards in der Rüstungskontrolle aus. Die Gespräche über diesen Prozess müssten „dringend beginnen“, sagte Lambsdorff.

Am Freitag waren Meinungsverschiedenheiten zwischen Berlin und Paris hinsichtlich der Rüstungsexporte nach Saudi-Arabien zutage getreten. Während Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) die deutsche Position eines vorläufigen Waffenembargos bekräftigte, sprach Frankreichs Präsident Emmanuel Macron mit kaum verhohlener Kritik an Deutschland in diesem Zusammenhang von „reiner Demagogie“ und forderte eine „europäische Lösung“.

Der Chef des saudisch-türkischen Medienverbandes, Turan Kislakci, mahnte Deutschland und die EU unterdessen zu „echten Konsequenzen“ im Fall Khashoggi. „Merkel sollte dafür sorgen, dass der Waffenhandel aus Deutschland und auch aus anderen Ländern in Europa mit Saudi-Arabien gestoppt wird“, sagt er der Bild-Zeitung.

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12 Kommentare

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  • 7G
    76530 (Profil gelöscht)

    Es bedarf allenfalls eines soliden Halbwissens über den Nahen Osten, um diese Reaktion vorhergesehen zu haben.

    Dass diese "verdienstvollen" Männer irgendwo einrücken, darf mit Fug und Recht bezweifelt werden.

    Für was gibt es die plastische (respektive ästhetische) Chirurgie?

  • 8G
    84935 (Profil gelöscht)

    @ Bundesregierung: Einfach den Koalitionsvertrag umsetzen, da steht wohl schon das Waffenembargo drin. Hat die Waffenlobby wohl damals verschlafen, oder es wahr (eher noch) gleich mit Mutti ausgehandelt, das das nur pro Forma als Zuckerchen für die SPD drin steht.



    Was die Ermittlungen in Saudi Arabien angeht, ist das Ziel doch ziemlich klar: Ein paar Schuldige verurteilen, um die hochrangigen Hintermänner zu schützen. Die verurteilen sitzen dann angeblich 20 Jahre ein, werden aber mit neuer Identität ehrenvoll in gute Geheimdienst-Positionen befördert...

  • Wie kommt es, dass weltweit soviele skrupellose, verbrecherische und psychopathische Egomanen in Amt und Würden sind? Möglicherweise irrte Darwin und die Menschwerdung hat noch gar nicht stattgefunden.

    • 7G
      76530 (Profil gelöscht)
      @Joe Brother i.a.:

      Welche Menschwerdung?

      • @76530 (Profil gelöscht):

        "The missing link we are." Für Darwin, Thomas Henry Huxley und Ernst Haeckel war die Bezeichnung Missing Link das vermutete fehlende Bindeglied zwischen Affen und Menschen.

        • 7G
          76530 (Profil gelöscht)
          @Joe Brother i.a.:

          Sorry. Ich hätte meine Frage besser als Ironie kennzeichnen sollen!!! Gelobe Besserung. ;-)

  • Wird denn Fleischermeister Hoffnungsträger alias Kronprinz Mohammed bin Salman auch angeklagt?

  • 8G
    81331 (Profil gelöscht)

    ...nur so 'ne Frage, wieviele Tote gibt es bis heute im Jemen?!

    • @81331 (Profil gelöscht):

      ...nur so ne Antwort, keine Ahnung?!

  • Eine beispiellose Brüskierung der Bundeskanzlerin

    Zitat: „Während Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) die deutsche Position eines vorläufigen Waffenembargos bekräftigte, sprach Frankreichs Präsident Emmanuel Macron mit kaum verhohlener Kritik an Deutschland in diesem Zusammenhang von ,reiner Demagogie‘“

    Dazu die derzeit gebräuchliche Begriffsdefinition:

    „Demagogie betreibt, wer bei günstiger Gelegenheit öffentlich für ein politisches Ziel wirbt, indem er der Masse schmeichelt, an ihre Gefühle, Instinkte und Vorurteile appelliert, ferner sich der Hetze und Lüge schuldig macht, Wahres übertrieben oder grob vereinfacht darstellt, die Sache, die er durchsetzen will, für die Sache aller Gutgesinnten ausgibt, und die Art und Weise, wie er sie durchsetzt oder durchzusetzen vorschlägt, als die einzig mögliche hinstellt.“ (Martin Morlock: Hohe Schule der Verführung. Ein Handbuch der Demagogie.)

    Da wird die deutsche Bundeskanzlerin also in einer brüskierenden Rhetorik von dem jungen Mann an der Spitze Frankreichs abgekanzelt, wenn man so sagen darf, die in der Diplomatiegeschichte unter Bündnispartnern ihresgleichen sucht. Bei der Konkurrenz im Rüstungs-Business findet die deutsch-französische Fraternité und die gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik der EU ihre ersichtlichen Grenzen.

    Dabei kann man Macron sogar verstehen angesichts der notorischen Finanzverstrickungen und Kungeleien der französischen Classe politique mit den Petro-Diktaturen des Nahen Ostens und Nordafrikas, die jetzt sogar einem früheren Präsidenten zum Verhängnis werden können.

    • @Reinhardt Gutsche:

      "Erst kommt das Fressen, dann kommt die Moral."

    • @Reinhardt Gutsche:

      Na warten Sie mal ab, wann der Rüstungszug in Richtung Saudi Arabien wieder anfährt, und was es da dann alles für Begründungen dafür gibt.