Mord an linker Politikerin in Brasilien: Mörder gefasst, Fall ungelöst
Ein Jahr nach dem Mord an der linken Stadträtin Marielle Franco: Brasiliens Polizei präsentiert die mutmaßlichen Mörder.
Eine Telefonüberwachung hatte die Ermittler auf Lessa gebracht. Er soll monatelang zu Francos Gewohnheiten, Adressen und Angehörigen sowie über die spätere halbautomatische Tatwaffe recherchiert haben. In den letzten Monaten wurden die Ermittlungen von mehreren Pannen überschattet. Mehrfach waren Verdächtige vor Polizeioperationen gewarnt worden, Dutzende Verdächtige entkamen so ihrer Festnahme. Anfang März wurden deshalb zwei Polizisten verhaftet.
Angehörige und Freunde von Franco begrüßten die Festnahmen, fordern aber, dass auch die Auftragsgeber ermittelt werden. Eine Spur führt direkt zum Staatspräsidenten. Der mutmaßliche Schütze lebt in derselben Wohnanlage, in der auch Jair Bolsonaro sein Haus hat. Zudem kursiert in den sozialen Medien ein Foto, das den Präsidenten in herzlicher Umarmung mit Queiroz zeigt.
Interessanter aber ist der Zusammenhang zwischen den mutmaßlich beteiligten Milizen. In den von ihnen kontrollierten Gebieten soll der Immobilienmarkt stark gewachsen sein. AnwohnerInnen-Initiativen, die sich gegen den Ausverkauf von Grundstücken wehrten, wurden von Marielle Franco unterstützt.
Die Motive sind nicht klar
Im Januar war bekannt geworden, dass die Mutter eines der mutmaßlichen Mitorganisatoren des Mordes, des Milizenchefs Adriano Magalhaes de Nóbrega, für den Abgeordneten und Präsidentensohn Flávio Bolsonaro gearbeitet hat. Dort soll sie sogar für seine illegale Finanztransaktionen bei Immobiliengeschäften zuständig gewesen sein, zu denen Ermittlungen laufen.
Doch sind die Motive für den Mord nicht klar. Als lesbisch lebende Schwarze, die in Rios berüchtigtem Armenviertel Favela da Maré aufgewachsen ist, war sie vielen Konservativen ein Dorn im Auge. Noch nach ihrem Tod hatte ein Delegierter der Bolsonaro-Partei PSL eine Gedenkminute für die Ermordete im Parlament gestört, indem er lauthals ihren „Lebenswandel“ ablehnte. Andere Abgeordnete zerrissen Bilder mit ihrem Namen.
Auch den Milizen und Militärpolizisten war Franco, die die brutalen Polizeieinsätze in den Armenvierteln wiederholt kritisiert hatte, nicht sympathisch. Eine Schmutzkampagne hatte sie in Verbindung mit Drogenhandel gebracht. Doch ist der Aufschrei, den der Mord weltweit ausgelöst hat, nicht verklungen. Am Jahrestag haben Angehörige und Parteifreunde zu Trauermärschen aufgerufen. Sie demonstrieren mit Bildern und T-Shirts mit Francos Konterfei und fragen: Wer hat den Mord an Marielle angeordnet?
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