Mord an Journalist Peter de Vries: Prozess im Hochsicherheitsgericht
Der Prozess um den Mord an Peter R. De Vries in Amsterdam stand kurz vorm Urteilsspruch, dann emigrierte ein Richter. Jetzt wird neu verhandelt.
Bilder statt Worte – so lässt sich die Wiedereröffnung des Prozesses vor einem Amsterdamer Hochsicherheitsgericht beschreiben, an dem seit Dienstag die Ermordung des Journalisten Peter R. De Vries neu verhandelt wird. De Vries, einer der profiliertesten Publizisten zum Thema organisierte Kriminalität in den Niederlanden und rechtlicher Berater eines Kronzeugen im sogenannten Marengo-Prozess, wurde im Juli 2021 im Zentrum Amsterdams auf offener Straße niedergeschossen. Neun Tage später erlag er seinen Verletzungen.
Die neun Angeklagten, darunter der mutmaßliche Schütze Delano G. sowie Kamil E., den die Staatsanwaltschaft als Fluchtfahrer verdächtigt, machten am ersten Prozesstag konsequent von ihrem Schweigerecht Gebrauch. Damit konterten sie sämtliche Fragen zum Tathergang. Auch im weiteren Verlauf wollen sie keinerlei Informationen preisgeben.
Umso mehr standen die Bilder des Anschlags im Mittelpunkt. Sie zeigen den bewegungslos auf der Straße liegenden De Vries. Zwei der Angeklagten wird vorgeworfen, die Bilder am Tatort mit Smartphones aufgenommen zu haben, um möglichst drastisches Material über soziale Medien zu verbreiten und damit die Bevölkerung einzuschüchtern.
Terroristische Tat
Die Staatsanwaltschaft wertet den Anschlag als terroristische Tat mit dem Ziel, Angst zu schüren. Präsentiert wurden auch Textnachrichten, in denen der Schütze fälschlicherweise den Tod De Vries’ verkündet. Kameraaufnahmen sollen außerdem belegen, dass der mutmaßliche Fahrer des Fluchtautos das Opfer zuvor tagelang observiert hatte.
Annemiek van Spanje, die Anwältin der Angehörigen von De Vries, sagt, dass es eine Überraschung gewesen wäre, wenn sich die Verdächtigen eingehend geäußert hätten. „Aber die Achtlosigkeit und Gleichgültigkeit, mit der sie sich auf ihr Schweigerecht berufen, war für die Familie schwer zu verkraften.“
In der kommenden Woche werden die Strafforderungen der Staatsanwaltschaft erwartet, ehe im Februar die Plädoyers der Anwälte folgen. Der Prozess war bereits im Jahr 2022 begonnen und bis zur Forderung nach lebenslanger Haftstrafe seitens der Staatsanwaltschaft durchgeführt worden.
Auch damals hatten die Angeklagten geschwiegen. Anschließend wurden neue Verdächtige festgenommen und ein Richter emigrierte. Laut Gesetz muss in diesem Fall das Verfahren neu aufgerollt werden.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste
Politikwissenschaftlerin über Ukraine
„Land gegen Frieden funktioniert nicht“
taz-Recherche zu Gewalt gegen Frauen
Weil sie weiblich sind
Scholz und Pistorius
Journalismus oder Pferdewette?
Verein „Hand in Hand für unser Land“
Wenig Menschen und Traktoren bei Rechtspopulisten-Demo
Internationaler Strafgerichtshof
Ein Haftbefehl und seine Folgen