Mord an Ex-Duma-Abgeordnetem in Kiew: Ende eines Putin-Kritikers
Der ehemalige russische Duma-Abgeordneter Denis Woronenkow wird in Kiew erschossen. Der Mord könnte politisch motiviert sein.
Zum Erstaunen seiner kommunistischen Weggefährten hatten Woronenkow und seine Frau, Maria Maksakowa-Igenbergs, Opernsängerin und Abgeordnete der Putin-Partei „Eines Russland“, Russland 2016 verlassen und waren ausgerechnet in die Ukraine gegangen.
Bis zu ihrer Flucht waren die beiden Abgeordneten, die eher durch ihre fraktionsübergreifende Hochzeit von sich reden gemacht hatten, nie durch irgendwelche kritischen Äußerungen gegenüber der russischen Regierung oder deren Ukraine-Politik aufgefallen.
Vielmehr hatten sie wie alle anderen auch für die Angliederung der Krim an Russland und für das Recht Russlands gestimmt, Truppen in die Ukraine entsenden zu können. Als Mitglied der kommunistischen Partei gehörte Woronenkow einer Fraktion an, auf deren Unterstützung die Putin-Partei „Eines Russland“ immer zählen konnte. Wenn man überhaupt Putin kritisierte, dann nur von einer nationalistischen Warte aus.
Hart gesottener Putin-Gegner
Doch einmal in der Ukraine angekommen, hatte der dreifache Vater Woronenkow, gegen den seit 2014 in Russland im Rahmen eine Korruptionsverfahrens ermittelt wurde, plötzlich seine ukrainischen Wurzeln entdeckt. Er entpuppte sich gar als hart gesottener Putin-Gegner.
Anfang dieses Jahres erhielt er bereits die ukrainische Staatsbürgerschaft. Von Kiew aus verglich der Kommunist nun das heutige Russland mit Nazi-Deutschland. Was für die Regierung in Kiew besonders wichtig gewesen sein dürfte: Er war auch bereit, gegen den 2014 geschassten früheren ukrainischen Präsidenten Viktor Janukowitsch auszusagen.
Es ist nicht auszuschließen, dass die Gründe für den Mord an Woronenkow politischer Natur sind. Schließlich befand er sich gerade auf dem Weg zu einem weiteren flüchtigen und in Kiew ansässigen Duma-Abgeordneten, Ilja Ponomarjow. Für diese These spricht auch, dass er genau vier Jahre nach dem ungeklärten Tod des russischen Exilpolitikers Boris Beresowskij ermordet wurde.
Doch die Motive des Mordes könnten wirtschaftliche sein. So soll der Mann, der gerne in 5-Sterne-Hotels abstieg, nach Berichten des russischen Oppositionellen und Anti-Korruptionskämpfers Alexej Nawalnij, fünf riesige Wohnungen, zwei Garagen, und eine riesige Datscha besessen haben.
Einen kann man jedenfalls nicht mehr nach den Motiven befragen. Nur kurz nach dem Mord verstarb der Killer in einem Kiewer Krankenhaus an Herzversagen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nahost-Konflikt
Alternative Narrative
Putins Atomdrohungen
Angst auf allen Seiten
James Bridle bekommt Preis aberkannt
Boykottieren und boykottiert werden
Krise der Linke
Drei Silberlocken für ein Halleluja
Die Wahrheit
Der erste Schnee
Schraubenzieher-Attacke in Regionalzug
Rassistisch, lebensbedrohlich – aber kein Mordversuch