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Montgomery gefeuertEin Heuschreck geht baden

Der Finanzinvestor und ehemalige Besitzer der "Berliner Zeitung" wird von seinen eigenen Aktionären in die Wüste geschickt. Er selbst spricht lieber von "vorgezogenem Ruhestand".

Das Gebäude der "Berliner Zeitung". Bild: ap

Die Lebensdauer einer erwachsenen Heuschrecke liegt einschlägigen Websites zufolge bei rund zehn Wochen, von daher hat sich David Montgomery gut gehalten: Er hat seine Mecom-Gruppe, die in einem spektakulären Deal 2005 die die Berliner Zeitung und andere Blätter übernahm, immerhin schon vor zehn Jahren gegründet.

Doch nun hat der Finanzinvestorentrupp, der zwischenzeitlich in einem halben Dutzend europäischer Staaten Zeitungen und Sender en gros aufkaufte, genug von seinem Vorstandschef. Montgomery (62) wird wegen Erfolglosigkeit gefeuert. Damit der Rausschmiss aber nicht ganz so dramatisch aussieht, darf er noch bis Januar bleiben und davon sprechen, dass er lediglich etwas vorgezogen, aber "wie geplant in den Ruhestand geht". Zwar hatte Mecom für das erste Halbjahr 2010 wieder Gewinne vermelden können, doch insgesamt schleppt das Unternehmen weiter Schulden in Höhe von rund einer halben Milliarde Pfund (rd. 607 Mio. Euro) mit sich herum.

Montgomery hatte daher schon Anfang 2009 seine deutschen Blätter Berliner Zeitung, Berliner Kurier und Hamburger Morgenpost wieder an das Kölner Medienhaus M. Dumont-Schauberg verkauft und sich wenig später auch von seinen Titeln in Norwegen getrennt. Zuvor hatte sein deutscher Statthalter Josef Depenbrock in Berlin massiv eingespart, Stellen gestrichen, Chefredakteure vergrault - und dennoch die kämpferische Belegschaft nicht klein gekriegt. Montgomery sei ein Mann, der sich "Illusionen" hingebe und "bestenfalls über rudimentäre Kenntnisse der deutschen Zeitungslandschaft" verfüge, hatte beim Kauf der Blätter der damalige Berliner-Zeitung-Chefredakteur Uwe Vorkötter gewarnt. Er sollte recht behalten.

Doch nicht einmal der Verkauf der deutschen Mecom-Töchter, die noch die ertragsstärksten im Konzern waren, konnten die Bilanz nachhaltig verbessern. Obwohl im Restunternehmen konzernweit nochmal rund 1000 Jobs abgebaut wurden, benötigte Mecom schon im Frühjahr 2009 nochmal eine Finanzspritze in dreistelliger Millionenhöhe aus der Investorenkasse.

Nun wurde Montgomery offenbar zum Verhängnis, dass er sich Mitte dieser Woche gegen Pläne der Hauptaktionäre von Mecom sträubte, die den Vorstand umbauen und dem Konzern eine neue Stratgie verordnen wollten. Nach Berichten des Guardian sollte der ehemalige Patrick Tillieux, ehemals Vorstandsmitglied bei der deutschen Sendergruppe ProSiebenSat.1 Media AG, in die Mecom-Chefetage einrücken und dort Montgomery ersetzen.

Dieser Plan scheint trotz Montgomerys nicht ganz freiwilligem Rückzug aber vom Tisch zu sein. Der Versuch der Finanzinvestoren, das lukrative Geschäft mit der Presse in eher kleinteilig geprägten Zeitungsmärkten wie Deutschland aufzurollen und durch drastische Einsparungen zu melken, ist damit wohl endgültig spektakulär in die Hose gegangen. David Montgomery, der ehemalige Journalist und Daily-Mirror-Chefredakteur, der den großen Einsparer geben wollte, sei gerade damit aber seinem Ruf treu geblieben, lästert der britische Medienkolumnist Roy Greenslade: "Montgomery hat beim Mirror alles falsch gemacht – und jetzt bei Mecom".

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1 Kommentar

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  • T
    tobiasmueller

    das bild der badenden heuschrecke mag ja ganz griffig sein. in anbetracht des packs, das sich solcher rhetorik ansonsten bedient, sollte die taz aber vielleicht lieber auf solche vergleiche verzichten.