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Montagsdemo in BerlinImmer wieder montags

Vor knapp zwei Jahren gingen die Friedrichshagener das erste Mal gegen Fluglärm auf die Straße. Heute treffen sie sich wieder: zu ihrer 100. Montagsdemo.

Wenn nichts mehr geht, kommt der Schallschutzexperte: Wie hier zum Ehepaar Irene und Helmut Schust aus Waltersdorf (Dahme-Spreewald). Der neue Schallschutzbeaftragte der Flughafen Berlin Brandenburg GmbH (hinten) schaut mir ihnen aus einem neuen Schallschutzfenster der Familie. Bild: dpa

„Da kommt ja unsere Corinna“, ruft Manfred Kurz ins Mikro. Freudiges Winken bei der Montagsdemo. Die Frau mit dem orangefarbenen Schal auf dem Fahrrad winkt zurück, lacht. „Dann kann’s ja losgehen“, sagt Kurz, schiebt sich die Brille ins Haar.

Gut 50 Bürger sind sie vorigen Montag auf den Marktplatz in Friedrichshagen. Graues Pflaster, grüne Linden, die Kirche auf der anderen Straßenseite. Und vor der großen Statue, dem Alten Fritz, dem Ortspatron, steht die Montagsdemo. Viele Ältere, aber nicht nur. Man grüßt sich mit Handschlag. An den Jacken Buttons mit einem durchgestrichenen Flugzeug. „Schöne Woche gehabt?“, fragt Manfred Kurz in die Runde. Einige haben Schilder mitgebracht. „Völlig irre“ oder „Empört euch!“.

Die Bilder dürften sich am heutigen Montag ähneln, nur mit mehr Beteiligung: Dann kommen die Friedrichshagener zu ihrer 100. Montagsdemo gegen Fluglärm zusammen.

Es war im Juli 2011, als die Deutsche Flugsicherung ihre überarbeiteten Flugrouten für den neuen Großflughafen in Schönefeld bekannt gab: Statt über Potsdam und Wannsee gehe es nun über den Müggelsee, mit etwa 120 Fliegern am Tag. Nur wenige Tage später standen 1.500 Friedrichshagener auf dem Marktplatz. Später waren es noch mehr. Renate Künast, Frank Henkel, Gregor Gysi kamen. Der Filmemacher und Friedrichshagener Leander Haußmann kam auch. Alle stellten sich auf die Seite der Protestler.

Vor zwei Wochen kam noch Harald Moritz, der Verkehrsexperte der Grünen. Es brauche Lärmschutz, sagte Moritz nur noch. Bei der Standortfrage aber wolle er nichts versprechen, was nicht durchsetzbar sei. Die Friedrichshagener ärgert das noch eine Woche später. „Wo ist da noch die Vision?“, fragt Corinna Ludwig, die Frau mit dem Schal, die nun das Mikro hält. „Warum sagen die Grünen nicht offen, dass die Entscheidung für Schönefeld falsch ist?“

Nicht mal die grünen Ökos. Über die Eröffnung des Flughafens, weit in die Ferne gerückt, streitet die Politik noch. Über die endlose Liste der Baumängel, über explodierende Kosten. Über andere Flugrouten und oder gar einen Alternativstandort, „weit außerhalb der Stadt“, wie es die Friedrichshagener fordern, wird schon lange nicht mehr geredet.

„Das ist ja das Schlimme“, sagt Manfred Kurz. „Alle wissen, wie widersinnig dieser Großflughafen ist, aber keiner ändert das mehr.“ Kurz trägt weißes Hemd unterm Pullover, Typ Segler, ist aber ein Informatiker. Eine ganze Region werde „verlärmt“, schimpft er. Noch dazu ein Erholungsgebiet, „nach dem sich andere Städte die Finger lecken würden“: der Müggelsee, vom Marktplatz aus gleich die Straße runter. Kurz selbst wohnt gar nicht hier, sondern in Köpenick. „Kein Flugzeug hält sich exakt an die Routen“, sagt Kurz. „Da gibt’s keinen im Südosten, der nicht betroffen ist.“

Ist es das, warum sie immer noch demonstrieren? Die eigene Wohnidylle bewahren? Es gehe um die Lügen, sagt Corinna Ludwig. Sie ist Friedrichshagenerin. Jahrelang hieß es, ihr Zuhause werde nicht überflogen, erzählt die Bauplanerin. Dann kam es anders. „Die Politik wusste das von Anfang an. Aber sie hat die Bürger belogen. Was ist das für ein System, wenn das keine Folgen hat?“

Protestler werden Experten

Ludwig ist hier eine der Wortführerinnen. Auf der Montagsdemo macht sie oft die Moderation. Bestimmt, aber mit einem Lächeln. Jetzt berichtet sie, was es Neues von der Baustelle gibt. Die Sprinkleranlage werde umgebaut, „in drei Module“. Dann übergibt sie das Mikro, an „Herrn Voss“, einen Mann mit blauem Jackett und strenger Miene. Herr Voss redet leise und schnell, über „Non-aviation-Bereiche“, man versteht nicht viel, aber es gibt Applaus. Längst sind aus den Protestbürgern auch Experten geworden.

Rund 20 Initiativen gegen Fluglärm gibt es in der Region. Kaum eine ist noch so aktiv wie die Friedrichshagener. 90.000 Flyer haben sie zuletzt wieder gedruckt. „Liegen bei uns auf der Remise“, sagt ein Montagsdemonstrant. „Könnt ihr euch einfach abholen.“ Bei der EU haben sie sich beschwert, vorm Verwaltungsgericht Klagen eingereicht. Und wenn Anfang Juni Berlins Regierender Klaus Wowereit zum Hoffest lädt, wollen ihm die Friedrichshagener kaputte Tontöpfe vor den Eingang kippen, ein „Scherbengericht“.

Als die Montagsdemo nach einer Dreiviertelstunde zu Ende geht, wirbt ein älterer Mann mit Halbglatze noch mal für die nächste, die 100. Demo. „Dann singen wir wieder die ’Zehn kleinen Fluglärmopfer‘, diesmal mit neuem Text, sind ja einige nicht mehr da.“ Rainer Schwarz etwa, der frühere Flughafenchef, der Generalplaner Manfred Körtgen oder der Aufsichtsratsvorsitzende Klaus Wowereit.

Weiter da ist der Friedrichshagener Protest. Vielen auf dem Marktplatz geht es jetzt vor allem um Schallschutz und um ein Nachtflugverbot von 22 bis 6 Uhr. Und darum, den Flughafen nicht weiter zum Drehkreuz auszubauen. Manfred Kurz will mehr. „Der Widerstand wird bleiben“, glaubt er. Wirtschaftlichkeit über Gesundheit, das funktioniere nicht. „Der Flughafen ist Irrsinn, der kippt hundertprozentig. Wenn nicht jetzt, dann in ein paar Jahren.“

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4 Kommentare

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  • F
    Friedrichshagenerin

    @ Ullrich Reimers.

     

    Das ist doch schön, wenn mal endlich jemand so gut Bescheid weiß wie Sie!! Wenn endlich mal jemand die Leute aufklärt darüber, was da auf dem Marktplatz in Friedrichshagen abläuft und was das für Gestalten sind, die da hingehen: Jetzt wissen wir es: Es sind alte, reiche, laute und motorisierte Zugezogene, die Papier verschwenden und die das Mitleid der "richtigen" Friedrichshagener auf sich ziehen. Darauf hat die Welt gewartet. DANKE! Gut auch, dass Sie das Mandat haben, im Namen der "Richtig alten Friedrichshagener" zu sprechen.

     

    Oder ist es doch bloß billige Polemik?

    Vielleicht klären Sie mich und die anderen zu Ihrer Schreib-/Mitteilungsmotivation mal auf.

     

    Ach übrigens, dies schreibt eine "richtig semialte" Friedrichshagenerin, die der Meinung ist, dass eindimensionale Stammtischparolen hier entbehrlich sind.

    Diskussionen über Fakten aber immer gern. Sie werden überrascht sein, wie vielschichtig die Sachlage und auch die Motivation der Menschen ist (egal von wo sie kommen und wie lange sie schon am Müggelsee oder der Umgebung wohnen).

  • UR
    Ullrich Reimers

    Bei der 100. Demo waren es noch ein paar mehr als 100.Aber nicht so viele wie die Presse und der RRB

    schönfärben.Meist kommen die Bewohner aus diversen Altersresidenzen vom

    Müggelseeufer, die sich die teuren Behausungen leisten können u. immer wieder Anwälte aus dem Westen

    bezahlen.Dann sind da noch die Villenbesitzer, die mit dem geräuschfreundlichen Audidiesel anreisen und

    tagsüber mit Motorjachtengeheul die Müggelruhe

    sabotieren.Feine Modeläden spendieren blaue Bänder, die zertrennten FDJ-Hemden ähneln .Richtige alte Friedrichshagener schauen sich das mitleidig an

    und lassen die Stapel Protestzettel in gelben Tonnen

    verschwinden.. schade ums Papier !

    Hier weiss man seit der Existenz von Schönefeld, dass

    von einem Flugplatz Flieger abfliegen und je nach Windrichtung auch mal über Köpenick.

    Und da wir nun doch eine Haupstadt sind , sind da die

    Sprechzeiten nicht so sparsam, wie bei manchen

    Kassenärzten.Im Ausland arbeitet man sogar nachts !

    Es grüßt ein Bürger, der nicht für teure Verandafenster vor Gericht geht oder sich um seinen

    Immobilienpreis grämt. Mich ärgert der Motorenkrach

    im undiszipliniertesten Straßenverkehrsviertel Berlins und dem lautesten Yachten- u. Motorbotlärm

    der gesamten Gegend und nach der Wende.Bei solchem

    Lärm und den pausenlosen Wochenendfeuerwerken kann man nicht einmal normale Fluggeräusche richtig genießen..

  • F
    Fritz

    Kleinbuerger allerschlimmster Sorte wie die Haeuslebauer an der Frankfurter Startbahn West. Immerhin wissen sie, dass der Flughafen kommen wird.

  • L
    lisbeth

    Na danke, jetzt habe ich wieder den ganzen Tag einen Ohrwurm aus "Haialarm am Müggelsee"....

     

     

    *Friedrichshagen, Friedrichshagen du alte [zensiert], du alte [zensiert], ich lieb dich mehr, ich lieb dich mehr als Berlin!*