Möglicher Justizirrtum: Klaus Bräunig kämpft weiter

Wurde der Hilfsarbeiter 1972 zu Unrecht wegen Mordes verurteilt? Seine Anwältin gibt trotz gescheiterter Verfahrenswiederaufnahme nicht auf.

Ein älterer Herr sitzt im Grünen und lächelt in die Kamera

Klaus Bräunig im November 2023 Foto: Marion Mück-Raab

BERLIN taz | Der Fall Klaus Bräunig wird nicht noch einmal juristisch aufgerollt. Das entschied jetzt das Landgericht Bad Kreuznach: Die Rich­te­r:in­nen haben seinen Antrag auf Wiederaufnahme abgelehnt. Damit will sich Bräunig allerdings nicht abfinden.

Der heute 79-Jährige wurde 1972 in einem Indizienprozess zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe verurteilt. Wiederaufnahmen im Strafprozess sind schwierig, es müssen völlig neue Sachverhalte vorgebracht werden. Die konnte das Landgericht nicht erkennen. Bräunigs Rechtsanwältin Carolin Arnemann dagegen meint, neue Tatsachen vorgetragen zu haben.

Bräunig war verurteilt worden, weil er nach Überzeugung des Landgerichts Mainz im Juni 1970 die Mainzer Kinderärztin Margot Geimer und ihre Tochter Dorothee ermordet haben soll. Grundlage des Urteils waren Geständnisse, die der damals 24-jährige Hilfsarbeiter alle widerrufen hatte. Bräunig bestreitet die Tat bis heute.

Seine Anwältin Arnemann hat unter anderem ein Gutachten vorgelegt, in dem Bräunigs Geständnisse aussagepsychologisch beurteilt werden. „Es basiert auf wissenschaftlichen Erkenntnissen zu Falschgeständnissen, die es in den siebziger Jahren noch nicht gab“, so die Anwältin. Damals galt ein Geständnis noch als Königin der Beweismittel. Mittlerweile weiß man, dass besonders Menschen mit geringer Intelligenz gefährdet sind, Falschgeständnisse abzulegen. Der Fall Bräunig, argumentiert Arnemann, sei typisch: Der Mann, dem ein Intelligenzquotient von um die 70 attestiert wurde, wurde tagelang ohne Anwalt verhört. Auch seien seine Einlassungen widersprüchlich gewesen.

Hinweise auf Waffennarr als Täter

Darüber hinaus gibt Arnemann Hinweise auf einen anderen möglichen Täter. Dieser Mann soll einen Schlüssel zum Haus der Mordopfer besessen haben. Es könnte eine Frage beantworten, die nie geklärt wurde: Wie ist der Mörder ins Haus gekommen? Schon 1970 wurde vermutet, dass der Täter einen Schlüssel gehabt haben könnte, denn es fehlte einer der Hausschlüssel. Es gibt einige Indizien, die Arnemann vorträgt, darunter auch ein mögliches Motiv: enttäuschte Liebe.

Gestützt wird ihr Verdacht von einem kriminalistischen Gutachten aus dem Jahr 1982: Schon da wurde festgestellt, dass es sich um eine Beziehungstat handeln müsse. Zum Täterprofil heißt es, dass der Täter an Waffen interessiert gewesen sein muss. Denn in der Mordnacht wurde nur ein Revolver gestohlen, andere Wertsachen blieben unangetastet.

Bei dem verdächtigen Mann handelt es sich um einen Waffensammler, er ist in Mainz als gewaltbereit bekannt. Anfang der 2000er Jahre erschoss er seine Ehefrau. Weiter könnte es eine Verbindung zu einem anderen Doppelmord in Mainz im März 1984 geben, der bis heute nicht aufgeklärt wurde. Der Verdächtige kannte eines der Mordopfer. Es gibt Hinweise, dass sie sich unmittelbar vor dem Mord getroffen haben.

Belastbare Indizien, meint Arnemann und hat Ermittlungen gefordert. Doch nach Auskunft des Landgerichts in Bad Kreuznach wurde gerade einmal ein Zeuge vernommen, seinen Hinweisen wurde nicht nachgegangen. Die Staatsanwaltschaft in Mainz teilt auf Nachfrage mit, die Akte sei geschlossen. Zwischen den Doppelmorden ließen sich keine Bezüge erkennen oder herstellen.

Rechtsanwältin Arnemann kann nichts überprüfen, eine Akteneinsicht wird ihr verwehrt. Die will sie jetzt erzwingen. Gegen die Ablehnung ihres Antrags auf Wiederaufnahme hat sie beim Oberlandesgericht in Koblenz sofortige Beschwerde eingelegt.

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