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Mögliche Legalisierung von CannabisJoint Venture

Polizeigewerkschafter warnen vor einer möglichen Cannabis-Freigabe durch ein Ampelbündnis. Grüne und FDP sind dafür, die SPD tut sich schwerer.

Mit Tüte und Tütchen: Befürworter einer Cannabis-Freigabe in Köln Foto: Geissler Press/picture alliance

Berlin taz | Noch laufen die Sondierungsgespräche zwischen SPD, FDP und Grünen, aber schon jetzt melden sich die beiden Polizeigewerkschaften zu Wort, um vor der Legalisierung von Cannabis zu warnen. Oliver Malchow, Bundesvorsitzender der im DGB organisierten Gewerkschaft der Polizei meint, es ergebe keinen Sinn, die Tür neben Alkohol für eine weitere „gefährliche und oft verharmloste“ Droge zu öffnen. „Es muss endlich Schluss damit sein, den Joint schönzureden“, sagte er der Neuen Osnabrücker Zeitung.

Und Rainer Wendt, populistischer Rechtsaußenchef der im Beamtenbund organisierten Deutschen Polizeigewerkschaft, findet, Cannabis sei nicht nur eine gefährliche Einstiegsdroge, sondern wegen der Unkontrollierbarkeit der Zusammensetzung insbesondere für junge Menschen eine Gefahr. Und er fürchtet um die Sicherheit des Straßenverkehrs: „Wenn demnächst auch noch Bekiffte am Straßenverkehr teilnehmen, bekommen wir ein Problem.“

Die Argumente, nahezu wortgleich vorgebracht und widerlegt in allen Ländern, in denen Cannabis inzwischen freigegeben ist, dürften den mutmaßlichen zukünftigen Ko­ali­ti­ons­part­ne­r*in­nen nur ein müdes Lächeln abverlangen.

Grüne und FDP fordern schon seit Jahren die Aufhebung des Cannabisverbots und die kontrollierte Abgabe in lizensierten Fachgeschäften. Ihre Wahlprogramme unterscheiden sich dabei nur in winzigen Details.

Die SPD tut sich schwerer. Zwar hat auch in der Sozialdemokratie schon vor einigen Jahren ein Umdenken eingesetzt. 2015 setzte die SPD-nahe Friedrich-Ebert-Stiftung einen Arbeitskreis aus Fachleuten und Abgeordneten unter Leitung von Burkhard Blienert ein, damals drogenpolitischer Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion. Im abschließenden Positionspapier des Arbeitskreises wird eine staatliche Kontrolle und Regulierung des Marktes vorgeschlagen, ohne allzu sehr ins Detail zu gehen.

Zu einem beherztem Schwenk fehlt der SPD der Mut

Seither hat sich die SPD zwar in diese Richtung bewegt, aber angekommen ist sie da noch nicht ganz. Zwar lehnt auch die Sozialdemokratie inzwischen die zuletzt noch von CDU, CSU und AfD vertretene Prohibitionspolitik ab. Aber zu einem wirklich beherzten Schwenk fehlt der Mut – zunächst will die SPD nur Cannabisbesitz zur Ordnungswidrigkeit herunterstufen und Modellprojekte auf der Ebene von Ländern, Städten oder Gemeinden ermöglichen.

Die Initiative zu solchen Versuchen gab es in den vergangenen Jahren mehrfach – der Berliner Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg etwa wollte die kontrollierte Abgabe in Coffeeshops testen. Das aber hätte vom Bund genehmigt werden müssen und scheiterte daran, dass Cannabis nach wie vor als verbotenes Betäubungsmittel gelistet ist. Das würde die SPD wohl ändern und will dann die Versuche auswerten und Schlüsse ziehen.

Aus dem Papier von 2015 ist herauszulesen, dass sich die damaligen Au­to­r*in­nen eher an dem Modell Uruguays orientieren wollen als an dem der USA. Sie befürworten legale, kontrollierte staatliche Cannabiserzeugung und -abgabe, aber keine privatwirtschaftlich organisierte Cannabis-Industrie. Das könnten Grüne und vor allem FDP womöglich anders sehen.

Einig sind sich alle drei Parteien in dem Vorsatz, dem Schwarzmarkt die Kontrolle über das Geschäft zu entziehen, um Jugendschutz und Qualitätskontrolle umsetzen zu können und zukünftige Steuereinnahmen in Prävention und Hilfsprogramme zu stecken. Es gibt wahrlich Themen, bei denen die Parteien weiter auseinander liegen.

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9 Kommentare

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  • Ein bisschen Cannabis würde der Polizeigewerkschaft sicher gut tun.

  • Man muss sich schon fragen, warum die Polizeigewerkschafter dagegen sind.



    Haben die etwa ein ganz eigenes Interesse an den illegalen Drogengeschäften? Und zwar nicht etwa die Angst, dass ihnen plötzlich die Arbeit aus geht...

    • @Grummelpummel:

      Gelernte Reflexe. Irgend jemand muss es halt sein, außerdem könnte es (indirekt) tatsächlich "mehr" Arbeit bedeuten, je nach dem, wie's umgesetzt wird und angenommen. Auch ist das Menschen- oder Gesellschaftsbild vielleicht etwas schräg und es kann ihnen noch mal wer versichern, dass es trotz der merkwürdigen Begeisterung aus Reihen der FDP nicht unbedingt der glattrasierte, gemeingefährliche Porschefahrer Marke Steuerberater sein wird, der hier drohte aus dem Rahmen zu fallen, ausgenommen ein paar die vielleicht glauben, sie hätten in der Jugend was verpasst (oder die Jugend). In Hotels wird auch weiterhin mehr getrunken und Apotheker und Ärzte haben besseren Stoff. Wenn man das im Jahr 2021 für progressiv hält, oder gar Priorität, möcht ich gar nicht mehr wissen, auf was die Ampel als nächstes springt. Das ist ja wohl'n Verständnis von Fortschritt, das hätt sich auch die Union auf Jamaika noch abringen lassen, für'n guten Preis und Zweck. Insofern sogar unter Schwarz/Gelb nicht völlig undenkbar. Und dass es solange dauern würde, das, was in Anbetracht der seit ich in diesem Land lebe de facto wenn nicht (in praxi) de jure Realität ist, m.E. mehr auf Symbolpolitik rausläuft, hätte sicher auch was mit der "Groko" zu tun. Für mich nur grad nicht einer der Gründe, sie zu vermissen, wenn die Nachfolgekonstellation jetzt schon mit Symbolik anfängt, jedenfalls eine recht absonderliche Reihenfolge an den Tag legt, was die Kommunikation inhaltl. Arbeitsergebnisse betrifft. Hoffentlich zieht sich diese "Debatte" jetzt nicht ne Woche künstlich hin, oder wird gezogen, sonst haben wir Zeit für Wetten darauf, was dafür alles abgeräumt wird, und dass das ein bloßes "Aufbruch"-Alibi ist. Mir wär's heute zu peinlich damit noch dick aufzutragen, im Koalitionsvertrag sollte sich eher ne Entschuldigung finden und Erklärung für den Verzug. am besten über die "Groko" hinaus, Denn die neuerdings schwer progressive sein sollende SPD war ja irgendwie dabei.

      • @Tanz in den Mai:

        Soweit ich das überschaue, ist das kein inhaltliches Arbeitsergebnis, sondern nur Spekulation. Allerdings eine wohlbegründete. Ein kleiner Schritt für eine Regierung, aber ein überfälliger Fortschritt gegen die Repression.

        Ebenso sollte man Schwarzfahren entkriminalisieren, und womöglich auch Widerstand und Beleidigung – denn deren Feststellung ist außerordentlich willkürlich und ungerecht.

        Die völlig unverhältnismäßige, mögliche Konsequenz Gefängnis ist potenziell existenzbedrohend – sofern man noch etwas zu verlieren hat.

  • Modellprojekte?



    Darüber hat man 1996 reden können, als die SPD diese Idee vorgebracht hat (s. ttps:www.spd-geschichts...rung_von_Cannabis)

    Damals wäre eine Legalisierung wegen dem Widerstand der USA nicht möglich gewesen.

  • Cannabis wirkt ganz anders als Alkohol und ist damit keine weitere sondern eine ganz andere Droge. Wenn es sein muss kann man dafür zum Ausgleich ja Alkohol verbieten. Dann bleibt es bei einer!

  • Sämtliche Argumente der Prohibitionsanhänger sind mittlerweile durch Studien, vor allem aber durch die Erfahrungen aus anderen Ländern widerlegt. Alles was denen noch bleibt, ist die Schiene, Cannabis ist verboten weil es illegal ist..

    Insofern sind die Einlassungen der Polizeigewerkschafter argumentativ absolute Nullnummern. Sie zeigen allerdings geradezu lehrbuchartig auf, wie tief eingefleischte (unbewußte) Ängste bei manchen Menschen zu Realitätsverweigerung führen..

  • „Wenn demnächst auch noch Bekiffte am Straßenverkehr teilnehmen, bekommen wir ein Problem.“

    Lächerlich. Keiner fordert ernsthaft die Legalisierung mit einer unbegrenzten Freigabe für den Straßenverkehr. Legalisierung bedeutet NICHT, dass man berauscht am Straßenverkehr teilnehmen darf.

    Im Gegenteil. Aktuell bekommt man bereits Probleme, wenn man nicht-berauschende Mengen THC Rückstände im Blut hat. Führerschein kann also weg sein, auch wenn man nicht berauscht fährt. Da gibt's doch gar keinen (gesetzlichen) Anreiz mehr, nicht berauscht zu fahren. Blödsinn...

  • "...Cannabis sei nicht nur eine gefährliche Einstiegsdroge, sondern wegen der Unkontrollierbarkeit der Zusammensetzung insbesondere für junge Menschen eine Gefahr."

    So? Mit dem Denken hats der Herr Wendt nicht so, das fällt immer mal wieder auf. Der Dealer auf der Sraße jedenfalls wird sich von seinen Kunden wohl kaum einen Nachweis über das Lebensalter zeigen lassen, der Tabakhändler, der Apotheker, voraussichtlich schon. "Einstiegsdroge" ist vor allem das Nikotin, denn Cannabis wird, blöderweise, meist geraucht. Dabei ist eine Verwendung als Tee oder ähnliche Zubereitungen viel angenehmer.



    Und die Reinheit des Produkts? Auf der Straße zweifelhaft - in der Apotheke oder einem ähnlichen legalen Handel vorbildlich.



    Und - der Dealer hat gefährlichere Drogen, die er schon mal mit anbietet - etwas, was sich der legale Händler, da bin ich sicher, tunlichst verkneifen wird.



    Amsterdam besiegte den unkrontrollierten Konsum aller möglichen und unmöglichen Drogen sehr effektiv mit der Einführung der "Coffeshops" - aber mal im Ausland zu fragen, wies sich denn entwickelt hat, dafür sind sich die Wendts und Co. natürlich viel zu fein, schließlich sind sie allwissend... :)