piwik no script img

Modellprojekt in KreuzbergZukunft wird zersägt

Die Ratibor14 in Kreuzberg sollte ein Vorzeigeprojekt werden. Jetzt gerate es zum Alleingang der Finanzverwaltung, warnen Initiativen.

Eine Säge Foto: dpa

Berlin taz | Im Streit um die Zukunft des Areals an der Ratiborstraße 14 zeichnet sich eine Lösung ab – nur leider eine, die nicht ganz zufrieden stimmt. 250 statt der ursprünglich fünfhundert Plätze für Geflüchtete in Modularbauweise (MUF) sollen auf der Kreuzberger Fläche entstehen. Die bisherigen Nutzer*innen sollen auf der verbleibenden Geländehälfte zusammenrücken.

Anwohner*innen- und Nutzer*inneninitiativen üben daran Kritik: Weder sei durch die Lösung das ansässige Handwerk und Gewerbe dauerhaft vor Verdrängung geschützt, noch biete sie eine würdige Unterbringung für Geflüchtete. Die jetzige Lösung sei vor allem ein Alleingang der Senatsverwaltung für Finanzen und ignoriere den bisherigen Beteiligungsprozess.

Die rund drei Hektar große Fläche am Landwehrkanal ist eine der letzten Rückzugsorte für Handwerksbetriebe in Kreuzberg, die aufgrund steigender Gewerbemieten kaum noch Platz im Bezirk finden. Dementsprechend sorgte die Ankündigung im März vergangen Jahres, auf dem Areal 500 MUF-Plätze errichten zu wollen für Aufregung. Nicht nur würde durch die Bebauung angestammtes Gewerbe verdrängt, sondern durch eine derartige Massenunterbringung die Integration von Geflüchteten im Kiez unmöglich gemacht.

Gegen die Pläne formierten sich mehrere Initiativen, es wurde ein Alternativkonzept entworfen, das die Unterbringung von Geflüchteten mit der gewerblichen Nutzung kombinierte – die sogenannte Kreuzberger Mischung sollte wieder aufleben. Statt 500 Plätze an einem Ort, sollten die MUF auf mehrere Standorte dezentral aufgeteilt werden, die bisherigen Nutzer*innen – Handwerk, aber auch eine Kita, Wagenplatz und Biergarten – sollten bleiben können und gleichzeitig bei der Integration der Geflüchteten helfen.

Protest am Donnerstag

MUF Modulare Unterkünfte für Flüchtlinge sind in Schnellbauverfahren gebaute Unterkünfte. Durch Sonderbaurecht entfällt das reguläre B-Plan Verfahren – und damit die Bürgerbeteiligung. Bewohner*innen werden zugeteilt und haben keine Mieter*innenrechte. Stattdessen fordern Kritiker*innen sozialen Wohnungsbau mit Kontingent für Geflüchtete.

Protest Am Donnerstag hält die Initiative die Kundgebung „Ende dem Nebel“ vor der Senatsverwaltung für Finanzen (12–14 Uhr) ab, um für mehr Transparenz und den Erhalt des Areals zu protestieren.

Baustadtrat Schmidt sagte noch im Februar gegenüber der taz, das Areal der Ratiborstraße 14 könne „Modellcharakter“ für die Stadtentwicklungs- und Flüchtlingspolitik haben, auch wegen der intensiven Bürger*innenbeteiligung.

250 Plätze für Geflüchtete

Nun soll, angeordnet durch die Senatsverwaltung für Finanzen die gesamte, bisher bundeseigene Fläche, an die Berlinovo Tochter Berlinovo Grundstücksentwicklungs GmbH (BGG) verkauft werden. Die BGG ist angewiesen, auf dem Gelände 250 MUF-Plätze nach Flüchtlingssonderbaurecht zu errichten, bestätigte eine Sprecherin der Senatsverwaltung am Dienstag. Der Verkauf solle in wenigen Wochen abgeschlossen sein.

Die rund drei Hektar große Fläche am Landwehrkanal ist eine der letzten Rückzugsorte für Handwerksbetriebe in Kreuzberg

Moritz Metz, Mitglied der Nutzer*inneninitiative Areal Ratiborstraße 14sieht durch den Verkauf an die BGG den Erhalt des Gewerbes in Gefahr: „Wir haben kein Vertrauen in das Land“, so Metz, „dass die Fläche nicht doch irgendwann weiter verkauft wird.“ Die Berlinovo ist kein vollwertiges landeseigenes Wohnungsbauunternehmen. Das heißt, es arbeitet in erster Linie profitorientiert und unterliegt nicht den selben Auflagen für sozialen Wohnungsbau.

Deshalb halte er es für fraglich, dass die BGG das Gelände dauerhaft zu bezahlbaren Konditionen an das Kleingewerbe vermieten könne, so Metz. Dies sei auch abhängig vom Kaufpreis des Geländes – über den schweigt sich die Senatsverwaltung noch aus. Auf taz Anfrage hieß es am Dienstag, die Senatsverwaltung sei noch in Verhandlungen mit der Bundesanstalt für Immobilienaufgaben (BIMA) über den genauen Preis, die das Grundstück für den Bund verwaltet.

Initiative will Erbbaurecht

Um das ansässige Gewerbe längerfristig vor Verdrängung zu schützen und die „Kreuzberger Mischung“ doch noch zu realisieren, fordert die Initiative einen auf 60 bis 99 Jahre angelegten Vertrag nach Erbbaurecht. Auf dem Gelände soll dann durch eine Anfang des Monats gegründete Genossenschaft gebaut werden können. Darüber, ob dies möglich sei, hat sich die Senatsverwaltung für Finanzen noch nicht geäußert – sie habe sich weder an den gemeinsamen Planungswerkstätten beteiligt, noch antworte sie auf schriftliche Anfragen.

„Wir fordern Transparenz von Seiten Senfins, eine Preisveröffentlichung und unmittelbare Vertragsverhandlungen mit finanzierbarem Erbbaurecht an unsere Genossenschaft“, so Metz, „Der Prozess ist im von der Senatsverwaltung vorgegebenen Eiltempo kaum nachhaltig machbar.“

Katrin Schmidberger, Sprecherin für Mieten und Wohnen der Grünenfraktion im Abgeordnetenhaus, äußert Verständnis für die Sorgen der Nutzer*innen. „Die BGG als Eigentümer ohne Erbbaurecht für die Nutzer*innen ist eine schwierige Kombination.“ Auch sie wundere sich über die Alleingänge der Senatsverwaltung für Finanzen, die Entscheidung wäre so in der Koalition nicht abgesprochen gewesen. Allerdings erwarte sie, dass „die Senatsverwaltung ihre Zusagen erfüllt.“

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

1 Kommentar

 / 
  • 9G
    97287 (Profil gelöscht)

    Ich würde erstmal das Gewerbeaufsichtsamt hinschicken. Schon als 14 - jähriger bekam man in Berufsschule und im Betrieb eingebläut: An Maschinen mit drehenden Wellen immer bei langen Haaren Haarnetz und enge körpernahe Kleidung. Mit einem



    Schal an einer Kreissäge, dem Betrieb gehört die Ausbildungserlaubnis entzogen.