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Mobilitätswende in Hamburger BezirkenZurück in die Auto-Zukunft

Ein Bündnis warnt vor der Wende zur autogerechten Stadt in Hamburg-Nord. Im Nachbarbezirk Wandsbek werden schon Poller für mehr Parkplätze rausgerissen.

Wieder mehr Parkplätze oder nicht? Darüber gibt es in Hamburg-Nord Streit Foto: Markus Scholz/dpa

Hamburg taz | Im Bezirk Hamburg-Nord soll am 12. Dezember Donnerstag die SPD-Politikerin Bettina Schomburg zur Bezirksamtsleiterin gewählt werden und den Grünen Michael-Werner Boelz vorzeitig ablösen. Sie soll von SPD, CDU und FDP gewählt werden, die eine gemeinsame Koalition anstreben. Ein Bündnis aus Umwelt- und Verkehrsverbänden warnt vor einem verkehrspolitischen Rollback, da die drei Parteien das Auto und Parkplätze „ins Zentrum ihrer Politik“ stellten.

Damit werde die in Hamburg gerade erst begonnene Mobilitätswende gestoppt. „Dazu sagen wir klar ‚Nein!‘“, heißt es in dem am Freitag veröffentlichten Aufruf von 13 Organisationen wie Greenpeace, Nabu, dem Allgemeine Deutsche Fahrrad-Club (ADFC), aber auch dem Stadtteilrat Barmbek-Nord und dem Fussgänger-Verein. Verbesserungen für Fußgänger und Radfahrer dürften nicht „kurzsichtigen, machtpolitischen“ Interessen geopfert werden, Lebensqualität und Sicherheit der Menschen hätten „Vorrang vor der Bewahrung jedes einzelnen Parkplatzes“.

Die Gruppen fordern die Mitglieder der Bezirksversammlung auf, sich zur Mobilitätswende zu bekennen und „gegen die Rückkehr zur autogerechten Stadt“ zu stimmen. Sie sollten offen für neue Koalitionsgespräche sein.

Radroute soll gestoppt werden

Rechnerisch gibt es eine Mehrheit für Grüne, SPD und die Newcomer-Partei Volt. Doch die Grünen waren an den Koalitionsverhandlungen nach der Bezirkswahl im Mai nicht beteiligt. Stattdessen sprachen SPD, CDU, FDP und Volt miteinander. Die junge Partei stieg dann aber aus, weil die anderen Parteien nicht bereit waren, Parkplätze zugunsten von Rad- und Fußwegen aufzugeben. Das sei auf Druck eines CDU-Bundestagsabgeordneten geschehen, berichtet Christian Hinkelmann vom Online-Magazin „Nahverkehr Hamburg“.

Mit der nun anstehenden Wahl der SPD-Frau, die Michael-Werner Boelz vorzeitig ablösen würde, steht und fällt nach Ansicht von Beobachtern die Mobilitätswende in den Bezirken. Zwar könnten Bezirke überregionale Verkehrsprojekte nicht verhindern, aber bei Parkplätzen und bezirklichen Radwegen hätten sie „die Oberhand“.

Im Netz findet sich bereitsein Eckpunktepapier, auf das sich das nach seinen Farben Rot, Schwarz und Gelb auch Deutschland-Koalition genannte Parteien-Trio geeinigt hat. Darin heißt es unter anderem, man werde die „Radroute Plus ab Langenhorn nochmals kritisch überprüfen“ und erwäge, die Planungen zugunsten anderer sanierungsbedürftiger Radwege einzustellen.

Masterplan Parkplätze

Man setze sich für den Neubau von Quartiersgaragen sowie für eine „ehrliche Evaluierung des Anwohnerparkens“ ein und halte am Ausbaustopp für diese Gebiete ebenso fest wie an der „Leistungsfähigkeit der Hauptverkehrsstraßen“ mit dem Ziel, den Wirtschaftsverkehr nicht zu behindern und den Durchgangsverkehr aus den Wohngebieten herauszuhalten.

„Ich finde den Vorwurf des Rollbacks nicht gerechtfertigt“, sagt SPD-Bezirkfraktionschefin Tina Winter. „Wir machen in dem Papier deutlich, dass wir auch am Umweltverbund und der Förderung von ÖPNV, Fuß- und Radverkehr weiter festhalten“. Es gehe aber darum, moderate Lösungen zu finden und zum Beispiel zu verhindern, dass Autos durch Wohngebiete statt auf Hauptverkehrsstraßen fahren.

Noch ist die Koalition nicht gebildet, noch sind die Pläne nicht offiziell. Die Kritiker befürchten das Schlimmste, nachdem auch SPD-Bürgermeister Peter Tschentscher einen „Masterplan Parkplätze“ ankündigt hatte und zudem bekannt wurde, was SPD und FDP im Nachbarbezirk Wandsbek auch unter Beteiligung der Grünen planen. „Viele Menschen sind auf das Auto angewiesen“, heißt es im dortigen Koalitionsvertrag. Darauf müsse man Rücksicht nehmen.

Wandsbek reißt Eichenpfähle raus

Symbolträchtig wollen die Wandsbeker in den ersten 100 Tagen 300 neue Parkplätze schaffen. Dazu sollen an fünf Orten Poller und Eichenpfähle herausgerissen werden, damit „PKW-Stellplätze wiederhergestellt“ werden. Außerdem soll das Gehwegparken wieder erlaubt werden und an bestehenden Park+Ride-Plätzen sollen Stellplätze für Kurzparker und Anwohner geschaffen werden. Anwohnerparkzonen soll es in Wandsbek nicht geben. Tempo 30 soll Ausnahme bleiben.

Die SPD wirbt in ihrem Programm für die Hamburg-Wahl für einen „Masterplan Parken“. Für Gebiete mit hohem Parkdruck soll es ein Moratorium beim Abbau von Parkplätzen geben, bis überzeugende Konzepte vorliegen. Das könne der Bau von Quartiergaragen sein oder die regionale Wiedereinführung einer Stellplatzpflicht beim Bau von neuen Wohnungen. „Wir setzen uns mit der Lebenssituation der Menschen auseinander“, sagt der SPD-Verkehrexperte Ole Buschhüter. „Der Verzicht auf Stellplätze führt nicht dazu, dass die Leute, die in neue Wohnungen einziehen, ohne Auto kommen“.

In ihrem Appell drängen die Initiativen darauf, bei der Mobilitätswende nicht nachzulassen. „Politik muss Verantwortung für die Zukunft übernehmen“, sagt Cajus Priun vom Hamburger ADFC. Dazu müsse der Umbau der autogerechten Stadt der 1970er Jahre hin zu einer „nachhaltigen, resilienten Stadtstruktur“ konsequent vorangetrieben werden. Der Bau von Kfz-Parkplätzen und die Bevorzugung des Autoverkehrs seien „keine Antworten auf die Klimakrise“.

Auto-Kuschelkurs der SPD

Auch die Gruppe „Parents for Future“ unterstützt den Aufruf. Eine Verkehrspolitik, die das Auto bevorzugt, gefährde nicht nur Kinder und ältere Menschen, sondern schade mittelfristig allen, sagt ihr Sprecher Christian Wöhrl. Denn wo eine Stadt dem Auto viel Raum auf versiegelten Flächen gibt, „heizt sie sich schneller auf und nimmt weniger Niederschlag auf“. Das sei das Gegenteil von dem, was angesichts zunehmender Wetterextreme in der Stadtplanung nötig wäre.

Manch einer im Umfeld der Grünen vermutet sogar eine größere Strategie hinter dem „neuen Autokuschelkurs der Hamburger SPD“, schreibt Christian Hinkelmann im Online-Magazin „Nahverkehr Hamburg“. Diese wolle sich für eine große Koalition nach der Bürgerschaftswahl öffnen und Stimmen von CDU-Wählern sichern. Aus der SPD heraus werden solche Ambitionen dementiert.

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7 Kommentare

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  • Dumm nur, dass man nirgendwo VerkehrsplanerInnen finden wird, die diesen roll back-Kurs mitgehen (Gruß nach Berlin)

  • Ich glaube, dass ist überzogen. Der Ausbau von Radwegen und U-Bahnen (Nord, Wandsbek) zeigt deutlich, dass viel geändert wird. Der HVV kann sich noch stark verbessern, etwa dass die Busse dann auch verlässlich fahren, nicht einfach ausfallen oder Buslinien plötzlich anders fahren. Im Detail geht noch sehr viel, aber grundsätzlich geht es m.M schon in die richtige Richtung.

  • Spätestens seitdem die SPD die hamburger Strassenbahn dem Autofetisch geopfert hat, sollte jedem klar sein, was für eine vorvorgestrige Verkehrspolitik die SPD zu verantworten hat...!

  • "„Vorrang vor der Bewahrung jedes einzelnen Parkplatzes“."

    Ganz ehrlich?



    Jede:r - und auch jede:r in diesem Bündnis - weiß heute, dass es nichts Dümmeres gibt, als eine Verkehrswende-Kampagne an pro/contra Parkplätze aufzuziehen.

    In der entsprechenden Pressemitteilung ist viel von 'Menschen' & 'Kindern' die Rede.

    Man stelle sich vor, dass wäre mal nicht nur Wording, sondern Programm.



    Man würde dann wie in den Niederlanden & Dänemark ein Schulradweg-Programm vorlegen und die Schulen (zunächst die weiterführenden) mit Schulradwegen verbinden, so dass die dazwischen liegenden Wohngebite zu beiden Schulen hin erschlossen werden.



    Man erhält ein niedrigschwelliges Radwegenetz mit den Schulen als Knotenpunkte.



    Fortschritte würden in Zunahme von Schulkindern auf dem Rad gemessen statt in Streichung/Zunahme von Parkplätzen.



    Das würde ALLEN Kindern (+ Eltern) im gesamten Stadtgebiet, ob arm, ob reich, zugute kommen.



    Bedeutet: Max. gesellschaftliche Mobilisierung quer zu Parteipräferenzen.

    Einziger Nachteil:



    Die Bedürfnisse der MAMILs (Middle Aged Man In Lycra) vom ADFC und natürlich das verbiesterte '[für oder gegen] Parkplätze 1!!11!!' sind nicht mehr Richtschnur allen Handelns.

  • Oh jaa..wir brauchen unbedingt noch mehr Parkplätze. Schreit es laut heraus, auf daß ein jeder weiß in HH (Nord/Wandsbek) werden die Autofahrer wieder hofiert - es lohnt sich Auto zu fahren. Kauft Euch noch viel mehr Autos..dann werden die wichtigsten Verkehrsprobleme ganz sicher alle gelöst..

    Wird ganz sicher funktionieren..

    (so ungefähr liebe SPD CDU FDP)..??

    • @Wunderwelt:

      Von Berlin lernen, heißt Autofahren lernen ... seit unser Spandauer cdU-Bürgermeister mit einem ideologischen Pro-Auto-Wahlkampf bei der Wiederholungswahl erfolgreich war, heißt es wieder "freie Fahrt für freie Bürger" und das verbindliche Mobilitätsgesetz wird einfach ab absurdum geführt, gemeinsam mit einer sog. spD unter einer an Macht und Pöstchen klebenden Ex-Regierenden Frau Giffey

      Anwohnerparken für nen 10er im Jahr, Investitionsstau beim Öffentlichen Nahverkehr bei erneut steigenden Ticketpreisen und ausgedünntem Netz, Zurücknahme von erfolgreichen Tempo-30-Zonen, Verhinderung von Radwegneubau und Fußgänger können auch sehen, wo sie bleiben.

      Wenn Hamburg es so richtig verkacken will, sollte man auf Berlin seit dem Wegner-Senat schauen. So kommt man garantiert gemeinsam mit dem Auto zurück in die Zukunft mit dem Kopf durch die Wand.

      Ein Elend.

      • @Lahmarsch:

        Wie bekommt man denn hier vernünftige Absätze hin?

        Das sieht ja schlimm aus.