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Mobbing gegen Bauernkinder„Deine Eltern sind Tiermörder!“

Kinder von Landwirten würden nicht häufiger schikaniert als die anderer Eltern, sagen Tierrechtler. Der Bauernverband ist empört.

Da ist noch alles in Butter: Kinder beim Schulausflug auf einen Bauernhof Foto: dpa

Berlin taz | Tierrechtler werfen Agrarverbänden vor, Berichte über Mobbing von Bauernkindern für Lobbyarbeit zu missbrauchen. In Wirklichkeit würden Kinder von Bauern ähnlich häufig Opfer wie Kinder anderer Eltern, sagte Sandra Franz, Pressesprecherin der Organisation Animal Rights Watch (Ariwa). Branchenvertreter nutzten die Klagen über Mobbing, um von der „Kritik an tierquälerischen Praktiken“ in der Landwirtschaft abzulenken.

Agrar- und Lokalmedien berichten in jüngster Zeit vermehrt, dass Kinder gehänselt würden, weil ihre Eltern Landwirte sind, die Tiere halten oder Pestizide spritzen. Auf Zetteln oder Schildern stehe zum Beispiel: „Deine Eltern sind Mörder!“ Verantwortlich machen Bauernvertreter für solche Vorfälle zum Beispiel Tierschutzverbände, die heimlich aufgenommene Videos aus Ställen veröffentlichen sowie angebliche Falschdarstellungen in Lehrbüchern.

„Tatsächlich gibt es für das Mobbing von Bauernkindern jedoch keine belastbaren Zahlen und kaum belegbare Beispiele“, so Ariwa. Das Nachrichtenportal agrarheute ermittelte 2017 in einer Umfrage unter 811 Landwirten, dass 17 Prozent der befragten Eltern über Mobbing ihrer Kinder klagten. Ob der Beruf der Eltern der Mobbing-Grund war oder andere Ursachen vorlagen, blieb offen. In einer Umfrage des Landfrauenverbands Württemberg-Hohenzollern Ende 2017 beklagten 27 Prozent der knapp 150 teilnehmenden Eltern das Mobbing ihrer Kinder.

„Diese Zahlen entsprechen recht genau dem Prozentsatz von Schulmobbing insgesamt“, urteilte Ariwa. Laut einer Sonderauswertung der Pisa-Studie 2015, für die 10.000 Schulkinder in Deutschland befragt wurden, werden hierzulande 15,7 Prozent der 15-Jährigen mehrmals im Monat Opfer von Mobbing an der Schule. Eine Untersuchung der Leuphana-Universität in Lüneburg unter fast 2.000 Schülern kam zu dem Ergebnis, dass fast ein Drittel Mobbingopfer werden. Auf solche Zahlenverhältnisse hat auch die ökologisch orientierte Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL) hingewiesen.

„Auch Agrarindustrie nimmt Einfluss auf Schulinhalte“

Ariwa-Sprecherin Franz warf der konventionellen Agrarlobby vor, „Bauernkinder zusätzlich zu Opfern zu machen, indem sie dafür missbraucht werden, die Kritik an tierquälerischen Praktiken auszusitzen“. Franz wies auch darauf hin, dass „die Agrarlobby ein emotional besetztes Thema wie Mobbing als Einfallstor für Propaganda benutzt, um vermehrte Einflussnahme auf Unterrichtsinhalte einzufordern“.

Im Zusammenhang mit Schikanen gegen Kinder hatte etwa Bauernverbandspräsident Joa­chim Rukwied beklagt, dass manche Schulbücher die Tierhaltung falsch darstellen würden. „Dabei wird von der Agrarseite gerne verschwiegen, in welch hohem Maße sie selbst Einfluss auf Schulinhalte nimmt“, konterte Tierrechtlerin Franz. „Der vom Bauernverband getragene Verein i.m.a. zum Beispiel gibt selber Materialien heraus, in denen die Tierhaltung eindeutig beschönigend und teilweise schlicht falsch dargestellt wird.“ Beispiele dafür seien etwa Aussagen, Schweine in Mastanlagen hätten „in den großen Buchten genug Platz“, und Muttersauen würden nach der Besamung in Gruppen gehalten. Richtig sei: Die Sauen verbringen die folgenden vier Wochen in körperengen Käfigen („Kastenständen“).

Der Generalsekretär des Deutschen Bauernverbandes, Bernhard Krüsken, erklärte zu den Vorwürfen „der sogenannten Tierschützer“ über Missbrauch der Mobbing-Schicksale auf taz-Anfrage: „Hier macht sich der Bock zum Gärtner. Wir sehen hier ein Höchstmaß an Verlogenheit.“

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17 Kommentare

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Kommentarpause ab 30. Dezember 2024

Wir machen Silvesterpause und schließen ab Montag die Kommentarfunktion für ein paar Tage.
  • Die Bauern produzieren letztendlich das was der Verbraucher kauft, die Verbraucher wollen gröstenteils billiges Essen und dazu viel günstiges Fleisch vom Besten den Rest müssen wir exportieren. Der Maktanteil dieser konventionell hergestellten Produkte liegt bei rd. 95% wertmäßig, mengenmäßig liegt er noch höher weil Bio-Lebensmittel teuer sind. Dieses pass einer kleinen aber lautstarken Minderheit, die sich auch sehr stark in den Medien artikuliert,nicht. Das hat zwar kaum Auswirkungen auf das Verbraucher verhalten, erzeugt aber eine schlechte Stimmung gegenüber den Landwirten. Diese schlechte Stimmung führt zu Mobbing.

  • Interessant finde ich, das laut einer Sonderauswertung der PISA- Studie Kinder mehrmals im Monat Opfer von Mobbing werden. Die Definition von Mobbing besagt deutlich, dass es sich bei Mobbing um einen zeitlich länger anhaltenden Rahmen handelt, sonst ist es etwas anderes und muss eben auch anders behandelt werden. An dieser Stelle verliert der Artikel für mich einen Großteil seines Wertes, weil nicht mehr verlässlich klar ist, über welche Form von Repression gesprochen wird.

  • 8G
    81331 (Profil gelöscht)

    ..."Die Zukunft darf nicht von Angst bestimmt sein!"

    Dieser Satz gilt nicht nur für den Menschen.

  • Neulich tagte der Bauernverband in Stuttgart zum Thema Landwirtschaft 4.0, mit einer Lobeshymne auf die Chancen der Digitalisierung - digitalisierte Betriebsorganisation, selbstfahrende Schlepper, Spritz und Düngemitteleinsatz per GPS-Daten- bzw. Steuerung, Kühe mit Pedometer Pansenbolus und anderen Folterinstrumenten. Egal ob Glyphosat und oder Tierschutzinitiativen- der Bauernverband schwört seine Mitglieder zuverlässig aufs Gegenteil ein, von dem was sich die Bevölkerung von der Landwirtschaft wünscht und ist damit erheblich verantwortlich für die Kälte, die zwischen den Bauern und er Bevölkerung herrscht. Kein Wunder, daß manche/n einfach nur noch auskotzt was sie/ihn ankotzt. Und machen die Kinder dann eben auch.

    • 7G
      73176 (Profil gelöscht)
      @noncarnnever:

      Ihren ersten Teil finde ich interessant! Warum gestehen Sie der Landwirtschaft keinen Fortschritt zu (digitale Betriebsorganisation)? Was haben Sie gegen Schlepper, welche per GPS gesteuert werden, wenn damit Diesel und somit CO2 gespaart wird? Was haben Sie gegen GPS/Kameras/Sensoren beim Spritzen/Dünger streuen, wenn dadurch Spritzmittel und Dünger gespart wird (bzw. nur die Pflanzen Dünger bekommen, welche ihn auch aufnehmen können => Wahrscheinlichkeit, dass Nährstoffe aus dem Boden gewaschen werden, wird reduziert)?

      Ich vermute, dass Sie ein ganz bestimmtes Bild von Landwirtschaft im Kopf haben! Aber erklären Sie mir doch bitte, warum der kleine Bauer besser, effizienter, ökologischer (suchhen Sie es sich aus) wirtschaftet, als der größere Bauer?

      • @73176 (Profil gelöscht):

        mir ging es hier vor allem um die schändliche Rolle des deutschen Bauernverbandes für den gesellschaftlichen Frieden.

         

        Ob die Digitalisierung zum Segen oder Fluch der Menschheit wird, das ist doch immer eine Frage der Parameter. Würde der Pestizideinsatz per GPS über die Piorität: Erhaltung der Artenvielfalt konfiguriert, käme man wohl zum gleichen Ergebnis, wie mit dem Rechenstab aus Holz.

        Zweitens: Landwirtschaft bedeutet v.a. auch Arbeitsplätze und lebendige ländliche Strukturen (Weltweit sind fast 3 Milliarden Menschen überwiegend in der Landwirtschaft beschäftigt), deshalb haben die kleinbäuerlichen Stukturen ein immenses Gewicht für die Stabilität auf der Erde. In Deutschland wird die Digitalisierung vor allem die hochsubventionierte Konzentration beschleunigen, und damit Landsschaften wie in Südamerika. Das wollen hier nicht nur die Träumer nicht.

    • @noncarnnever:

      Genau deswegen brauchen wir ein ökosoziales Pflichtjahr in Deutschland !

      Wenn die Kevins & Chantalls mal ein Jahr lang auf dem Acker ohne W-Lan und Handyempfang Unkraut gezupft, Kartoffelkäfer gesammelt und in gute Alter Handarbeit geerntet haben wird auch nicht mehr gemobbt.

      • @Alreech:

        ...ganzjährig 3 hochmotivierte Paktikanten auf Medienentzug?- das haut den stärksten Bauern um!

      • @Alreech:

        Könnte es vielleicht sein das wir Menschen gerade nicht nur in der digitalen Revolution stecken sondern auch völlig überfordert sind mit der vielfalt der Dinge die wir wahrnehmen und verstehen müssen ? Kinder haben es sich doch immer schon einfach gemacht , nach dem Motto :''... du trägst ne Brille ? Du bist doof !'' ... Wenn wir Erwachsenen es nun nötig haben uns darüber zu streiten wer/was/wann/wo gemobbt wurde , machen wir uns selbst zum Problem ohne es zu merken ! Agrarlobbyisten hin Tireschutzverbände her.... jeder weiß doch das unser derzeitiges Leben ein Paradies auf Kosten anderer ist ..... und was tun wir ? Nix ... Die Agrarleute können aus reinem Selbsterhaltungstrieb nicht mehr wirklich raus aus ihrem Tiertötungs und Pestiziedrad und der Tierschutz agiert meiner Meinung nach zu einseitig und zu brav....

      • @Alreech:

        ... sehr guter Ansatz ! Ich frage mich nur aus welcher Referenz sie Unkraut zupfen, Kartoffelkäfer sammeln und alte Handarbeit nehmen wollen um soetwas durchzusetzen ? Unkraut beim bäuerlichen Betrieb gibt es genauso wenig wie Kartoffelkäfer und Altes Handwerk... ausser vielleicht das Muddi Socken strickt.... Ein Ökologischen Pflichjahr im kontext zum mitmenschlichmoralischen Umgang mit allem fände ich auch Super !!!

  • Vermehrt Einflussnahme auf Unterrichtsinhalte einfordern: Das wäre gut - falls es darum geht, Kinder über die Konsequenzen des Giftkrieges auf Äckern und Wiesen aufklären, genauso wie über unnötig quälerische Tierhaltung! Die Kinder haben ein Anrecht auf KORREKTE Information. Wenn da irgendein komischer Verband falsche Zusammenhänge zwischen Kinder von gewissen Bauern und Mobbing in der Schule herzustellen, dann muss man ALLEN Informationen dieser Lobbyisten noch kritischer gegenüberstehen. Das geht nach dem Spruch: 'Wer einmal lügt, dem ...'.

    • @fvaderno:

      Naja, wenn auf Zetteln (wie im artikel behauptet) tatsächlich stünde: "Deine Eltern sind Mörder", dann kann man schon einen Zusammenhang zwischen Bauern und Mobbing in der Schule herstellen. Das dafür Tierschutzgruppen, die Bilder von Tierquälereien verantwortlich gemacht werden, ist natürlich Humbug oder bedürfte eines Beweises. Genau irrig im übrigen, wie von einem Giftkrieg auf Äckern und Wiesen zu sprechen, Fvaderno. Fragen Sie mal die irakischen Kurden oder Syrer...

      • @mlevi:

        1) Es geht nicht um Tierschutzgruppen oder Tierschutz, es sind Tierrechtler, die haben mit Tierschutz nix zu tun.

        2) Die Tierrechtsszene setzt beim Thema grundsätzlich auf Infantilisierung, extrem Übertreibung und -ja! - Kinderbeeinflussung. Von Plakaten mit Kälbern "Warum bringen Deine Eltern meine Mama um?" bis hin zu komplett unhaltbaren Darstellungen von Landwirtschaft mit Gruselgeschichten DIREKT an Kinder.

  • Ein ganz einfacher Satz wäre doch viel sinnvoller als diese Relativierungen:

     

    es ist inakzeptabel, Kinder zu mobben. Ob für den Beruf ihrer Eltern, ihre Religion, ihre Haarfarbe oder ihre Haut. Ob sie dick sind oder "im falschen Körper".

     

    Ist das so schwer?

    • @Dr. McSchreck:

      Anscheinend schon, sonst hätte man es ja gemacht.

    • @Dr. McSchreck:

      Kinder sind nicht besser als ihre Eltern.

      • @Cededa Trpimirović:

        klar, es geht in meinem Beitrag auch eher um die Verbände. Man kann natürlich sagen, dass Bauernkinder nicht mehr gemobbt werden als andere. Aber aus meiner Sicht hätte davor ein Satz gehört, wie ich ihn vorgeschlagen habe. Ich will nicht, dass Kinder dafür büßen sollen, was ihre Eltern machen - selbst wenn der Vater wegen Mordes im Gefängnis säße - das Kind ist nicht der Täter.

         

        Das ist eigentlich sehr einfach und ein Verband, dem es nicht nur um Tiere geht, sondern auch um ein humanes Zusammenleben der Menschen, sollte dies beachten.