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Mobbing-Vorwürfe am Schauspiel KölnZitternde Stimmen

Müssen Kulturinstitutionen ernsthaft noch funktionieren wie absolutistische Hofstaaten? Das Schauspiel Köln scheint ein Beispiel dafür zu sein.

Stefan Bachmann, Intendant des Schauspiel Köln Foto: dpa

Vor Kurzem wären die Mobbing-Vorwürfe gegen den Kölner Schauspiel-Intendanten Stefan Bachmann und seine Frau Melanie Kretschmann vermutlich unter „Interna“ gefallen, Kollateralspäne beim Schnitzen der umfassenden Kunst-Anstrengung Stadttheater. Doch in Zeiten, in denen schwedische Nobelpreis-Akademien wie Münchener Hochschulen sich selbst zerlegen, ist die Aufmerksamkeit für Machtstrukturen, die Missbrauch ermöglichen – oder geradezu herausfordern –, hoch wie nie zuvor.

Sichtlich angespannt tritt Stefan Bachmann vor die voll besetzten Ränge seines Theaters, zwischendurch muss er sich hinsetzen, ungewöhnlicherweise sind auch die Mitarbeiter des Hauses anwesend. Eigentlich soll der Spielplan vorgestellt werden. Schmallippig verliest er ein Statement, in dem er von „Ratlosigkeit“ spricht und von mutwilliger Beschädigung seiner Arbeit. „Warum werden mit viel Aufwand Zerrbilder produziert, die nicht die offene, kreative und respektvolle Arbeitsatmosphäre am Haus wiedergeben?“

Wenn man mit ehemaligen Mitarbeitern spricht, hört sich das anders an: Bereits während Bachmann Schauspieldirektor in Basel war, gab es Proteste gegen die robuste Einflussnahme seiner Frau Melanie Kretschmann, die zudem stets Hauptrollen spielt und selbst inszenieren darf. In Köln wurde bereits im zweiten Jahr ein Ensemblebrief geschrieben.

Angela Richter, ehemalige Hausregisseurin, kann wüste Details erzählen – die glaubhaft von vielen Thea­terkollegen bestätigt werden – und empfindet das Statement von Bachmann als ignorant: „Genauso ist es abgelaufen: Auf konkrete Probleme wurde nicht eingegangen. Es bräuchte an so großen Institutionen ein Korrektiv, damit man als Künstler dieser quasifeudalen Struktur nicht mehr so ausgeliefert ist.“

Grundsätzliches Strukturproblem

Damit trifft sie den wahren Punkt. Denn wie sehr sich Bachmann auch vom eigenen Mitarbeiterstab beklatschen lässt, wie überzeugend Star-Schauspieler Bruno Cathomas auch wirkt, wenn er mit zitternder Stimme von „lustvoller und angstfreier Arbeitsatmosphäre“ spricht, auch an Königshöfen gibt es Günstlinge und jene, die willkürlich von der Gunst abfallen.

Die wahre Frage ist wohl eher, ob Kulturinstitutionen im 21. Jahrhundert ernsthaft noch wie absolutistische Hofstaaten funktionieren sollten. Gewiss haben Intendanten die Freiheit, zu arbeiten, mit wem sie wollen – und am Schauspiel Köln, das zeigt der neue Spielplan, will man in Zukunft mit ganz großen Namen operieren, Frank Castorf ist darunter.

Gewiss auch hat der Vorgang, ein künstlerisch nicht eben herausragendes, aber doch grundsolide und erfolgreich arbeitendes Haus in Verruf zu bringen, auch etwas von mutwilliger Beschädigung, die etwas schmierig den allgemeinen Voyeurismus bedient. Zweifellos steckt im Bild der intrigierenden Intendantengattin auch manch fragwürdiges Klischee.

Und doch zeigt sich hier das grundsätzliche Strukturproblem: Die Machtfülle des Intendanten ist zu groß. Insofern ist die Kölner Schmutzwäsche momentan vor allem das Symptom einer schwelenden Stadttheater-Krise.

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2 Kommentare

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  • Absolutistische Kultur

     

    Das Problem Mobbing wird in unserer Gesellschaft nicht energisch genug angegangen.

    Demokratie muss endlich auch in die Kultur und in die Medien. Der satirereife Starkult ist antiintellektuell und abzuschaffen. Die Zustände sind unwürdig.

  • Fragt sich vielleicht wer, wie es kommt? Ich meine: Diese "Stadtteater-Kriese" - wo kommt die her? War die schon immer da? Und warum geht sie dann nicht langsam weg, wo die Gesellschaft doch angeblich immer freier wird?

     

    Der "große Künstler", heißt es, wäre ein Genie. So einem muss man Extrawürste braten, damit er kreativ sein kann. Der muss sich angeblich bedienen lassen von Leuten, die nicht so genial sind. So war das immer schon. Nur wurde früher nicht so viel gespart. Ein Stadttheater war nicht nur ein Nice-To-Have. Das war Institution und stand kaum je in Frage. Inzwischen brauchen auch Theater Geld. Sie werden sonst nämlich geschlossen.

     

    Geld können die Theater auf zwei Wegen kriegen: Von „oben“ oder von „unten“. Entweder spielen sie, was „der Plebs“ will, oder sie spielen, was die Kritiker zu sehen wünschen. Bringen sie „Spitzenleistungen“, die zwar kein Schwein versteht und auch kam jemand sehen will, die aber immerhin für Presse sorgen, können sie jenen „Druck“ aufbauen, der Kommunalpolitiker zur Mittelfreigabe bewegt. Man will sich schließlich nicht blamieren. Wenn sie hingegen spielen was „das Volk“ liebt, weil es damit aufgewachsen ist, kommt der „Druck“ eher aus der Wählerschaft.

     

    In dem Fall ist es vielleicht so: Die Frau hat irgendwie die Hosen an und sitzt an einem langen Hebel. Dass das einem Klischee entspricht, muss ja nicht heißen, dass es nicht so ist. Der Intendant gibt den Druck, den er selbst empfindet (von Seiten seiner Frau, von Kritiker und von „der Politik“) an seine „Untertanen“ weiter. Die haben dann das dämliche Gefühl, dass sie sich immer mehr gefallen lassen müssen für immer weniger Geld und/oder Sicherheit, obwohl in andren Jobs alles ein wenig anders läuft.

     

    Vielleicht ist es nicht sehr weit her mit der Kultur in der Kultur. Vielleicht ist der Erwartungsdruck einfach zu groß. Künstler sind Menschen und werden es bleiben. In Köln nicht anders als in der Provinz.