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Mob tötet Minister

Krawalle bei Freundschaftsspiel zwischen Afghanen und Soldaten der Isaf in Kabul

In Kabul wird auch gemunkelt, der Mord sei kein Zufall gewesen

KABUL taz ■ Überschattet vom Lynchmord an dem afghanischen Luftverkehrsminister ist gestern Nachmittag im ausverkauften Ghazi-Stadion von Kabul das erste internationale Fußballspiel seit der Niederlage der Taliban ausgetragen worden. Unter hohen Sicherheitsvorkehrungen spielten Soldaten der internationalen Friedenstruppe Isaf vor rund 30.000 Zuschauern gegen eine Auswahl der afghanischen Hauptstadt („Kabul United“). Das von den Briten dominierte Isaf-Team mit Spielern aus neun Nationen gewann mit 3:1.

Vor Spielbeginn wurde des in der Nacht zuvor auf dem Kabuler Flughafen ermordeten Luftfahrtministers Abdul Rahman gedacht. Der Isaf-Oberkommandierende John McColl sprach von einer „großen Tragödie“. Rahman war von aufgebrachten Pilgern aus einem Flugzeug gezerrt und die Gangway herabgestützt worden. Er verstarb später im Krankenhaus.

Die Pilger wollten zum traditionellen Hadsch nach Mekka fliegen. Doch die zwei dafür gecharterten Flugzeuge seien nicht aufgetaucht, hieß es aus diplomatischen und Isaf-Kreisen in Kabul. Stattdessen wollte Rahman mit einem der nur zwei Flugzeuge der staatlichen afghanischen Fluglinie Ariana nach Indien fliegen. Die Pilger, die aus religiösen Gründen noch vor Mitternacht abfliegen mussten, um am Id-e-Milad-Fest aus Anlass des Geburtstags des Propheten Mitte nächster Woche in Mekka teilzunehmen, hatten wegen bürokratischer Probleme bereits seit Tagen auf ihre Reise warten müssen. Schon am Donnerstagnachmittag hatte deshalb eine aufgebrachte Menge den Chef der Fluggesellschaft Ariana verprügelt.

Am Abend forderten die Pilger dann Rahman auf, ihnen das Flugzeug zur Verfügung zu stellen. Als dieser sich weigerte, stürmten die Pilger das Flugzeug und lynchten ihn.

Rahman war bereits vor den Taliban Minister und galt in der Interimsregierung als einer der stärksten Verfechter demokratischer Reformen. In dieser Frage soll er bereits mit Verteidigungsminister Mohammed Kassim Fahim aneinander geraten sein. Andererseits war Rahman auch als korrupt bekannt.

Die Interimsregierung sagte gestern fast alle Termine ab. Der Besuch des britischen Außenministers Jack Straw, der erst beim Anflug vom Mord erfuhr, fand allerdings statt. Straw drückte seinem afghanischen Kollegen Abdullah sein Mitgefühl aus und besuchte unter anderem die internationale Friedenstruppe.

Die Friedenstruppe Isaf soll auch die Interimsregierung schützen, macht dies aber nur auf Anforderung. Denn zuächst sind für den Schutz der Minister afghanische Kräfte zuständig wie auch für den zivilen Teil des Flughafens. Diese haben die Situation offenbar falsch eingeschätzt. In Kabul wird auch gemunkelt, der Mord sei kein Zufall gewesen, was hier nach solchen Ereignissen allerdings immer schnell angenommen wird.

Das gestrige Fußballmatch am muslimischen Feiertag war für die Stadt und die internationale Friedenstruppe die erste große öffentliche Großveranstaltung und damit eine wichtige Nagelprobe. Es strömten wesentlich mehr Männer vor das Stadion, als es Tickets gab, von denen auch etliche gefälschte in Umlauf waren. Viele wollten über die Mauern klettern. Polizisten schlugen mit Stöcken und Gewehrkolben auf die Menge ein, vereinzelt wurde auch in die Luft geschossen. Die eingesetzten Bundeswehrsoldaten benutzten Feuerlöscher. Die Menge warf während des Spiels Steine ins Stadion und verursachte dort vereinzelt Panik.

Beim Spiel war zunächst die Mannschaft von Kabul besser. Verdient ging sie nach einer Viertelstunde mit einem herrlichen Fallrückzieher von Said Taher von Maywand Kabul in Führung. Taher gewann damit 100 US-Dollar, die die Fluggesellschaft Ariana jedem afghanischen Torschützen zugesagt hatte. Nach dem umjubelten 1:0 sprach der Stadionsprecher etwas voreilig davon, dass afghanische Spieler damit auf dem Weg zur Fußballweltmeisterschaft seien.

Kabuls Spieler waren lauf- und zweikampfstärker, wesentlich ehrgeiziger und auch technisch besser als ihre wesentlich korpulenteren westlichen Gegner. Die spielten ruhig, konnten aber trotz zahlreicher Fehlpässe bald durch den italienischen Stabsunteroffizier Giacomo Ligouni ausgleichen. Der einzige deutsche Spieler, der Fallschirmjäger Gerd Bohme, kam erst in der zweiten Hälfte zum Einsatz. Da erzielte das Isaf-Team kurz hintereinander zwei weitere Tore durch Briten, und plötzlich verließ die Afghanen auf dem Spielfeld und im Publikum die Motivation.

Ein Teil der Zuschauer verließ – auch wegen des einsetzenden Nieselregens – das Stadion, andere stellten sich wie zu Taliban-Zeiten direkt ans Spielfeld, diesmal hinters Isaf-Tor. Die mit Kalaschnikows bewaffneten Polizisten schritten nicht mehr ein.

Die Taliban führten in dem Stadion, das nach seiner Zerstörung Mitte der 90er-Jahre mit EU-Mitteln wieder benutzbar gemacht worden war, vor Fußballspielen öffentliche Exekutionen und Amputationen durch, zum Teil direkt vor der Ehrentribüne.

Mit dem gestrigen Spiel wollte Isaf die völkerverbindende und friedliche Bedeutung des Sportstadions betonen. Vor dem Anpfiff stiegen Luftballons und weiße Tauben auf. Die Vögel waren allerdings so abgemagert, dass sie gleich auf dem verdorrten Rasen zu picken begannen oder erschöpft auf den zerschossenen Masten der Flutlichtanlage Zuflucht suchten. SVEN HANSEN

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