piwik no script img

■ Mit sauberer Energie auf du und duSiegel für Grünen Strom

Berlin (taz) – Atomkraftgegner und Umweltfreunde können bald ohne schlechtes Gewissen kochen, waschen und fernsehen: Der Sonnenenergieverband Eurosolar und der Naturschutzbund Deutschland (Nabu) rufen das erste deutsche Ökostrom-Label ins Leben. Dieses Zertifikat soll wirklich umweltfreundliche Anbieter von Trittbrettfahrern unterscheidbar machen. Das Label soll am 8. Dezember in Bonn aus der Taufe gehoben werden: Die beiden Umweltverbände wollen gemeinsam den Verein „Grüner Strom“ gründen, der für die Vergabe des Labels und die Überprüfung der Kriterien zuständig sein wird.

Die Idee für das Gütesiegel kam den Verbänden, als im April das Energiewirtschaftsgesetz in Kraft trat. Bislang nämlich konnte man Strom nur von seinem angestammten Versorger kaufen. Seit April aber dürfen Verbraucher frei wählen, wer für sie den Strom produzieren soll – damit haben sie erstmals auch die theoretische Möglichkeit, atomkraftfreien Strom zu kaufen. In einer Emnid-Umfrage vom Sommer erklärten sechs von zehn Deutschen, diese Freiheit nutzen zu wollen, um zu einem vertrauenswürdigen Ökostrom-Anbieter zu wechseln – selbst wenn sie dann ein Fünftel mehr für ihren Strom berappen müßten. Das neue Label soll ihnen dabei die Qual der Wahl unter rund 900 Energieversorgern erleichtern.

Stromkonzerne, die auf das Label spekulieren, müssen strenge Kriterien erfüllen: Die Elektrizität muß zu mehr als der Hälfte aus erneuerbaren Energiequellen stammen. Wenn auch aus konventionellen Quellen, wie Kohle oder Erdgas, Strom beigemengt wird, dann muß er laut Ökosiegel aus Kraftwerken gewonnen werden, die die dabei entstehende Abwärme zum großen Teil nutzen (etwa als Fernwärme) – sogenannte Kraft-Wärme-Kopplungs-Kraftwerken (KWK). Die KWK-Anlagen müssen außerdem zwei weitere Forderungen erfüllen: Atomkraft und Braunkohle sind tabu, der Wirkungsgrad der Kraftwerke muß mindestens 75 Prozent betragen. Das bedeutet, daß mindestens drei Viertel des in Steinkohle oder im Erdgas steckende Energiegehalts in Strom umgewandelt werden müssen, also höchstens ein Viertel bei der Energiegewinnung verlorengehen darf. Zusätzlich müssen die Siegel-Träger wenigstens ein Prozent ihrer Elektrizität mit Solarzellen erzeugen.

Selbst Stromversorgern, die diese Kriterien erfüllen, ist das Öko-Label noch nicht sicher. Zunächst werden noch ihre Anteilseigner durchleuchtet. Miteigentümer, die Atomkraftwerke betreiben oder in konventionelle Kraftwerke ohne Kraft- Wärme-Kopplung investieren, dürfen in dem Ökostromanbieter keine Sperrminorität erlangen. Damit haben weder die etablierten Stromkonzerne noch deren Tochterfirmen, die auf grünen Strom spezialisiert sind, eine Chance.

Werbung mit dem neuen Stromlabel dürfen übrigens nicht nur die Anbieter, sondern auch die Kunden machen. Zertifiziert werden private Haushalte und Händler, die sich ihren Strom ausschließlich von einem „grünen“ Stromversorger liefern lassen. Auch Unternehmen, die ein Viertel ihres Energiebedarfs, mindestens aber 10.000 Kilowattstunden über Solarstrom decken, bekommen das Zertifikat. Jens Uehlecke

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen