■ Mit dem Autokauf auf du und du: Am liebsten auf Pump
Deutschland fährt auf Pump. Nutznießer sind die Autobanken. „Rund drei Viertel aller Neuwagen wurden 1996 in Deutschland fremdfinanziert“, sagt Heinz Kiefer, und der Trend zeige weiter nach oben. Kiefer ist Geschäftsführer der Mercedes-Benz Finanz GmbH, die mit 240.000 laufenden Verträgen zu den Großen der Branche zählt. In den Neunzigern verdreifachte sich das Geschäft. Die meisten Autobanken sind herstellergebunden. Zudem wurden vergangenes Jahr nahezu 60 Milliarden Mark an die selbständigen Autohändler verborgt. Angesichts der wirtschaftlichen Rezession und schwacher Massenkaufkraft wuchs in den Neunzigern die Bedeutung der eigenen Kreditinstitute für die Industrie: „Wir spielen seit langem im Hinblick auf die Förderung des Automobilabsatzes eine immer wichtigere Rolle“, heißt es aus dem Arbeitskreis der Banken und Leasinggesellschaften der Automobilwirtschaft. Trotzdem erreicht die ganze Branche, mit einer addierten Bilanzsumme von 76 Milliarden Mark, zusammen gerade einmal die Dimension einer mittelgroßen Sparkasse.
Inzwischen verkaufen einige Autobanken obendrein Haftpflichtpolicen, Restschuldversicherungen oder einen „Komfort-Service-Vertrag“, der alle Wartungsarbeiten und Verschleißreparaturen abdeckt. In der Kompaktklasse kostet solcher Rundumschutz je nach Kilometerleistung über 4.500 Mark für vier Jahre. Aber auch die Autobanken pumpen ihr Geld. Bereitgestellt wird es aus den Überschüssen der Mutterkonzerne und vorrangig von großen Banken. Manche Autobank befährt in den neunziger Jahren gleichwohl neue geschäftliche Wege: So nimmt Volkswagen Einlagen für sein „Plus Konto“ an, ein „Sparbuch für Clevere“, wie in Zeitungsanzeigen bescheiden geworben wird.
Verliehen wird das Geld – nicht nur von VW – zu Dumpingpreisen. So bot die Volkswagen Bank kürzlich Kreditkonditionen mit 1,6 Prozent feil, viele Konkurrenten mit 1,9 Prozent – zwei Prozent unter den „Einstandskosten“. Damit schlagen die herstellergebundenen Autobanken die Unabhängigen, seien es Spezialisten oder auch Sparkassen, um Längen. Diese verkaufen ihre Autokredite für einen Zins, der meist zwischen acht und zehn Prozent liegt.
Kurios ist, daß durch die Dumpingkredite der herstellergebundenen Autobanken bei vielen Pkw-Modellen der Barkauf unrentabel ist. Oft ist es günstiger, das neue Vehikel per Billigkredit zu finanzieren und derweil die höheren Zinssätze der eigenen Geldanlage zu genießen. Verbraucherschützer weisen derweil auf die Gefahr der Überschuldung hin. „Autokauf“ heißt hierzulande die wichtigste Begründung für Konsumkredite. Immerhin wird den Autobanken von Volker Pietsch, Finanzexperte der Verbraucherzentrale Berlin, solides Geschäftsgebaren attestiert: „Schlechte Nachrichten liegen uns nicht vor.“ Hermannus Pfeiffer
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