Mit Hochdruck in den Wahlkampf: Wasserwerfer gegen Mappus
Stuttgart-21-Gegner haben einen alten Wasserwerfer gekauft. Mit ihm verfolgen sie jetzt Stefan Mappus zu Wahlkampfterminen. "Mappus weg" lautet die Devise.
STUTTGART taz | Ob Stefan Mappus sich gewundert hat beim CDU-Frühschoppen, zwischen Weißwurst und Bier? Schließlich war das am vergangenen Sonntag der erste Wahlkampftermin seit Tagen, bei dem der baden-württembergische Ministerpräsident nicht von einem Wasserwerfer empfangen wurde. Keine mit Mappus-Masken verkleideten Aktivisten an den Wasserspritzen des Gefährts in Bad Überkingen, einem kleinen Kurort am Rand der Schwäbischen Alb, wo Mappus heute sprechen soll.
Die Aktivisten stehen in diesem Moment nämlich sechzig Kilometer entfernt auf einem matschigen Parkplatz in der Nähe des heiß umkämpften Stuttgarter Bahnhofs um den besagten Wasserwerfer herum und versuchen, ihn zum Fahren zu bringen. Der dunkelgrüne 7,5-Tonner, der bis vor drei Jahren von der bayerischen Polizei zu Schulungszwecken genutzt wurde, will bloß mit Allradantrieb anspringen. Und ausschalten lässt sich der Wagen nur noch, wenn man den Motor abwürgt. Keine gute Basis, um Mappus auf seiner Wahlkampftour zu folgen. "Ach menno", sagt Sabine Schermer, 51, die den alten Mercedes fahren soll. Sie hat einen Führerschein für "alles, was Rädle hat", und hatte sich auf den Trip gefreut.
Seit Heiner Geißlers Schlichtung im Streit über das Bahnprojekt ist die Luft ein bisschen raus aus den Protesten. Es sind immer noch ein paar Tausend, die montags zu den Demos vor dem Bahnhof kommen. Wenige Hartnäckige, die abends ihre Trillerpfeifen zum Schwabenstreich gegen das Bauvorhaben der Deutschen Bahn anstimmen. Aber die Kraft vom vergangenen Herbst erreichen die Proteste schon lange nicht mehr. Das stört die Bürgerinitiative "Bewegung 30.09.", deren Ziel die "freie, unzensierte Bürgerinformation und die Förderung zur Abwahl korrupter und/oder unfähiger Politiker" ist. Oder, im Sprech der Gegner: "Mappus weg!"
Viele weitere spannende Texte lesen Sie in der sonntaz vom 19./20. März 2011 – ab Sonnabend zusammen mit der taz an ihrem Kiosk oder am eKiosk auf taz.de erhältlich. Die sonntaz kommt auch zu Ihnen nach Hause: per Wochenendabo.
"Wir wollen jetzt was tun"
Und das ist auch der gemeinsame Nenner der verhinderten Wasserwerferbesatzung an diesem Tag. Ihnen geht es nicht so sehr um den Bahnhof. Ein wenig schon - das ganze Geld, das vergraben wird, ärgert den Aktivisten Darius Gronenborn, wenn er an seinen Nachwuchs und an den Zustand mancher Schulen denkt. Der Gärtner Eric Raasch, 39, schüttelt den Kopf, weil alte Bäume abgeholzt oder verpflanzt werden.
Die Initialzündung für ihr Engagement aber war der Polizeieinsatz im Stuttgarter Schlossgarten, nach diesem Datum haben sie sich benannt. Ministerpräsident Mappus hat die harte Gangart gegen die Demonstranten vorher eingefordert, da sind sie sicher. Und deshalb wollen sie, dass er abgewählt wird. Wer dann an die Macht kommt, Rot-Grün, Rot-Rot-Grün vielleicht sogar, das ist zweitrangig. Sie habe ihren Kindern jahrelang erzählt, was Demokratie bedeute, sagt Sabine Schermer, das wolle sie ihnen auch vorleben. "Wir wollen jetzt was tun", sagt Darius Gronenborn, "und nicht wie die Lämmer bis zur Wahl warten."
Anfang des Jahres hatte Gronenborn den ausrangierten Oldtimer zusammen mit anderen gekauft. Die Wasserrohre innen mussten sie abschrauben, sonst hätte der TÜV sie nicht durchgewunken. In Baden-Württemberg haben sie die Plakette nicht bekommen, ein zu sensibles Thema, vermutet Gronenborn und grinst. Bei den Bayern aber hats geklappt. Gronenborn, 43 Jahre und Ingenieur bei einem großen Autobauer, hat einen CD-Player eingebaut, sich eine Mappus-Maske besorgt. Außen haben sie Sprüche aufgeklebt "Tränen lügen nicht", "Erleben Sie die Führungsspritze der CDU" und "Mit Hochdruck gegen Bürgerdemokratie", dazu das Konterfei des Ministerpräsidenten.
Ein voller Terminkalender
Sie wollen bei allen Wahlkampfterminen von Mappus dabei sein. Ihr Terminkalender ist voll - genauso voll wie der von Mappus. Beinahe jeden Tag fahren sie durchs Land. Sie nehmen Urlaub, gehen früher aus dem Büro, Selbstständige sind mit dabei. "Es sind noch ein paar Tage bis zur Landtagswahl, wir schaffen das schon", sagt Gronenborn. Meist sei die Polizei entspannt, weise ihnen gute Plätze zu. In Baden-Baden kletterte ein begeisterter Beamter sogar ins Fahrerhaus und ließ sich fotografieren. Nur in Stuttgart hätten sie keine so guten Erfahrungen gemacht, viele Polizeibeamten ärgerten sich über die Anspielung.
Wenn Gronenborn mitfährt, lässt er die Sirene heulen und spielt über die Beschallungsanlage O-Töne von Merkel, Mappus und vom "Tag X", als die echten Wasserwerfer im Einsatz waren. Danach imitiert er Mappus über das Mikro und versucht, wenn dieser zu seinem Termin vorbeigeht, einen Blick ins Gesicht des Ministerpräsidenten zu erhaschen. Er gebe sich ungerührt, sagt Gronenborn: "Aber ich glaube, er kocht." Eric Raasch sagt: "Wir wollen den Leuten durch die physische Präsenz dieses Geräts den Tag im Schlosspark ins Gedächtnis rufen."
Eine gute Stunde lang versuchen sie den Mann aus dem Bett zu klingeln, der ihren Wasserwerfer reparieren kann. Sie haben sich auf die Aktion gefreut. Und sie glauben, dass die Stimmung im Land noch nicht entschieden ist - obwohl der Stuttgart-21-Protest nachgelassen hat. Doch dafür ist die Atomdebatte wieder hochgekocht. "Vielleicht gelingt es ja, einige Wahlkreise zu kippen", sagt Raasch. "Aber das Beharrungsvermögen der Leute im Südwesten ist ziemlich groß."
Seit 58 Jahren regiert die CDU das Land, nie war hier eine andere Partei an der Macht. Am Samstag wollen die Wasserwerferaktivisten bei der Großdemo in Stuttgart vor Ort sein, auf der zum politischen Wechsel in Baden-Württemberg aufgerufen wird. Spätestens dann, sagt Gronenborn, haben sie auch den Wasserwerfer zum Fahren gebracht.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Utøya-Attentäter vor Gericht
Breivik beantragt Entlassung
Umgang mit der AfD
Sollen wir AfD-Stimmen im Blatt wiedergeben?
Pistorius lässt Scholz den Vortritt
Der beschädigte Kandidat
Böllerverbot für Mensch und Tier
Verbände gegen KrachZischBumm
Warnung vor „bestimmten Quartieren“
Eine alarmistische Debatte in Berlin
Haftbefehl gegen Netanjahu
Begründeter Verdacht für Kriegsverbrechen