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Misstrauensvotum in FrankreichWer nicht gewinnt, verliert

Rudolf Balmer
Kommentar von Rudolf Balmer

Premier Francois Bayrou übersteht das Misstrauensvotum gegen ihn, dank der Enthaltung der Sozialisten. Dafür ist nun die französische Linke gespalten.

Noch einmal Glück gehabt: Frankreichs Premier Francois Bayrou Foto: Gonzalo Fuentes/Reuters

I st es für Frankreich besser und weniger kostspielig, einen „schlechten Staatshaushalt“ zu haben als gar keinen? Die französischen Sozialisten haben einen „ungenügenden“ Kompromiss mit ein paar Konzessionen von Premier François Bayrou einer drohenden Instabilität und dem vom Regierungschef prophezeiten „Chaos“ vorgezogen. Sie haben darum, den Versuch der linken Opposition, die Regierung wegen der Finanzpolitik zu stürzen, nicht unterstützt, sondern sich beim Vertrauensvotum am Mittwoch der Stimme enthalten.

Die ehemalige Regierungspartei von Mitterrand und Hollande beruft sich auf ihr Verantwortungsbewusstsein und das Allgemeininteresse. Dafür nimmt sie einen Konflikt mit ihren linken Bündnispartnern und eine Isolation in Kauf, die bei späteren Wahlen (nicht nur für sie selber) gravierende Folgen haben muss. Bei einem Ausschluss des Parti Socialiste (PS) aus der „Neuen Volksfront“ mit der Linkspartei La France insoumise (LFI), Kommunisten und Grünen würde bei kommenden Neuwahlen viele der 66 PS-Abgeordneten ihren Sitz verlieren, vor allem aber würde die extreme Rechte von einem Auseinanderbrechen der linken Wahlallianz gewaltig profitieren.

Das aber scheint die geringste Sorge des LFI-Wortführers Jean-Luc Mélenchon zu sein, der in schrillen Tönen von einem „Verrat“ spricht und die PS-Genossen am liebsten eigenhändig aus der linken Einheit werfen möchte. Er macht aus der taktischen Frage des Vertrauensvotums ein Dogma. Er hat selber nur ein Ziel und eine Priorität: Neuwahlen und vor allem den von ihm geforderten Rücktritt des Präsidenten, Emmanuel Macron, um dann selber wieder zu kandidieren. Und er glaubt anscheinend nicht – oder nimmt es als bloßen Risikofaktor in Kauf --, dass dann nicht er und seine maximalistische Linksfraktion, sondern die extreme Rechte von Marine Le Pen an die Macht kommen würde. Denn das Zerwürfnis der Linken kann den Trend nach rechts nur stärken.

LFI müsste sich eher die Frage stellen, wie sinnvoll es ist, bei jedem sich bietenden Anlass eine Vertrauensabstimmung zu beantragen, wenn doch im Voraus klar ist, dass dabei die Regierung nicht gestürzt wird und keine sofortige Neuwahlen möglich sind. Wer in einer solchen Kraftprobe nicht gewinnt, verliert. Das lässt sich auch mit Beschimpfungen der ungetreuen Bündnispartner nicht wegreden.

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Rudolf Balmer
Auslandskorrespondent Frankreich
Frankreich-Korrespondent der taz seit 2009, schreibt aus Paris über Politik, Wirtschaft, Umweltfragen und Gesellschaft. Gelegentlich auch für „Die Presse“ (Wien) und die „Neue Zürcher Zeitung“.
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3 Kommentare

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  • „Verantwortungsbewusstsein“ und „Allgemeininteresse“? Dass ich nicht lache!

    Selbstüberschätzung ist eine Berufskrankheit bei Spitzenpolitikern. Eine, die zugleich die wichtigste Voraussetzung dafür ist, dass sie den Job überhaupt kriegen und ausüben können. „Die Medien“ und „das Volk“ verstärken diese Schwäche bloß mit ihrer Hofberichterstattung und ihrer Unterwürfigkeit.

    Wer sich selbst so sehr überschätzt, wie etwa ein E. Macron, der unterschätzt naturgemäß (fast) alle anderen. Er kann also gar nicht verantwortungsbewusst handeln, weil er die Konsequenzen dessen, was er anordnet, gar nicht überblickt.

    Wenn das Allgemeininteresse solchen Leuten wirklich wichtig wäre, müssten sie umgehend zurücktreten. Gleich, nachdem sie (möglichst mit fairen, rechtsstaatlich-demokratischen Mitteln) dafür gesorgt haben, dass nie wieder ein Mensch, der sich selbst heillos überschätzt, an die Macht kommen kann. Was sie aber leider nie tun, die Macrons dieser Welt. Schließlich halten sie ja alle anderen für noch unfähiger als sich selber. Jemand anderen regieren zu lassen, können sie mit ihrem albernen „Verantwortungsgefühl“ vermutlich gar nicht vereinbaren. 🤷

  • Schade, dass die Linken immer so viele Probleme mit sich und den anderen haben, dass sie es nicht schaffen, geschlossen gegen die wirkliche Gefahr, nämlich die von Rechts, zu stehen.

    Klar da muss man dann Abstriche machen und Kompromisse eingehen und und und.

    Aber wenn sich damit der Faschismus verhindern lässt, dann sollte man sich gut überlegen, welchen Weg man geht.

  • Der Maximalistischer Ansatz - der geht irgendwann schief.



    Nur Melanchon stört es nicht, weil er davon ausgeht, dass er sich irgendwie an die Macht boxen kann, wenn er nur hart genug auf die Gegner einprügelt.

    Die PS hat jetzt einen anderen Weg gewählt. Der ist auch nicht ohne, weil die Zustimmung auch dazu führt, dass eine Regierung weitermachen kann, die nicht ausreichen legitimiert ist und die für ärmere und Durchschnittsfranzosen nicht viel Gutes anbietet, bzw. es ist eben mangelhaft.

    Macron wird sich durch die Linke nicht zum Rückzug zwingen lassen. Und mit Kompromissen kommt man genausowenig weiter wie mit Maximalismus oder massiver Mobilisation.

    In gewisser Weise kämpfen in Frankreich schon die Extremrechten gegen die Linken und Demokraten.

    Das Land steuert wahrscheinlich in eine Krise, die strukturelle Züge trägt. Das, was dem Präsidenten Stärke verleiht, ist z.T. nicht demokratisch legitimiert. Gleichzeitig müssen sich viele Parlamentarier entrechtet fühlen, weil Entscheidungen sich im Parlament vermeiden lassen.

    In so eine Krise verspricht Marine Le Pen eine strenge straffe, nationale und soziale Führung, das ist zwar Propaganda, aber sie könnte verfangen.