: Missourisches Bauern-Roulette
Landwirtschaft ist sowieso ein Glücksspiel: Nie weiß man, wie die Ernte ausfällt. Seit US-Präsident Trump einen Handelskrieg angezettelt hat, steigen die Preise für Düngemittel und Saatgut aus China – was das Überleben der Farmer noch schwieriger macht
Aus Missouri Sebastian Moll (Text und Fotos)
Die lange Schotterstraße zur Farm von Travis Dixon führt durch eine scheinbar endlose Mondlandschaft. Meile um Meile fährt man durch umgepflügte Äcker, die fruchtbare dunkle Erde des Bauernstaates Missouri im Mittleren Westen der USA wird für neues Saatgut vorbereitet. In ein paar Wochen werden hier mannshoch Weizen und Korn stehen und Sojapflanzen üppig über die langen Furchen durch die Felder wuchern.
Es ist gerade einmal acht Uhr früh, doch Dixon ist schon seit Stunden auf den Beinen. Seine Cowboystiefel und Jeans sind mit Dreck überzogen, und bevor der Mann mit dem dichten roten Bart dem Besucher die Hand schüttelt, wischt er sie sich rasch noch am Hemd ab. „Wir mussten das Saatgut raushauen, bevor der Regen kommt“, entschuldigt er sich und schaut besorgt in den dunklen Himmel, der schwer über seinem Land hängt.
Doch es ist nicht nur das Wetter, das ihm Sorgen macht. Das Frühjahr ist für Dixon, wie für viele Bauern, eine schwierige Zeit. Er hat viel Geld ausgegeben für Saatgut, für Düngemittel, für Pflanzenschutz, ganz zu Schweigen von der Arbeitszeit. „Es vergeht um diese Jahreszeit kein Tag, an dem ich nicht einen Scheck über Tausend Dollar ausstelle“, sagt Dixon. Ob er das je wieder reinholt, steht jedoch in den Sternen. „Jedes Jahr ist für uns ein Glücksspiel“, sagt er. „Es gibt Jahre, an denen ich fünf Dollar in einen Bushel Mais stecke und nur vier wieder herausbekomme.“ Ein Bushel, das sind etwa 25,4 Kilogramm. Was der Markt im Herbst hergibt, ist unmöglich zu sagen, und nun, da Donald Trump einen globalen Handelskrieg angezettelt hat, der die Landwirtschaft besonders schwer zu treffen droht, sind die Dinge noch weitaus ungewisser.
Kurz darauf stehen wir in seiner Gerätehalle, die zwischen den Getreidesilos so groß wirkt wie ein Flugzeughangar. Dixon führt stolz seinen Fuhrpark vor: Eine kleine Flottille an Traktoren, Saatmaschinen, Düngemaschinen, Pflügen. „Da stehen gut eine Million Dollar rum“, sagt er. Und fügt hinzu: „Ohne die Maschinen ist die Arbeit nicht zu schaffen.“
Dixon ringt mit demselben Dilemma wie die meisten seiner Kollegen hier in Missouri, hinter Texas dem Bundesstaat mit der zweitgrößten Anzahl an Bauern in den USA. Kleinteilige Landwirtschaft ist schon lange nicht mehr wirtschaftlich, man braucht viel Land, um einen vernünftigen Ertrag zu erzielen. „So wie meine Großeltern von 30 Hektar eine Familie zu ernähren, ist heute unmöglich.“ Dixon hat sich über die Jahre rund 1.000 Hektar zusammengekauft.
Rund 91 Prozent der US-amerikanischen Landwirtschaftsbetriebe sind, wie der von Dixon, Familienunternehmen. Doch seit mehr als zehn Jahren wird es immer schwieriger, sie am Leben zu erhalten. Die Kosten steigen unaufhörlich, die Preise für Landwirtschaftsprodukte, abgesehen von Fleisch, bleiben flach. Zwischen 2012 und 2022 sind in den USA knapp 400.000 Bauernhöfe gestorben. Im Agrarstaat Missouri, wo 87.000 Betriebe jährlich 14 Milliarden Dollar erwirtschaften, schreitet das Bauernhofsterben noch schneller voran als anderswo in den USA. 7,8 Prozent weniger Bauernhöfe gibt es hier pro Jahr, im Bundesdurchschnitt sind es nur 6,9 Prozent.
Es sind die gleichen Kräfte, die auch anderen Branchen zu schaffen machen, die Bauern wie Dixon das Leben schwermachen: Technologie und Globalisierung. Der globale Agrarmarkt drückt seit Jahrzehnten überall die Preise – ein Prozess, den Trump glaubt, wieder rückgängig machen zu können. Gleichzeitig ist die Produktion durch moderne Maschinen billiger geworden. Doch das rechnet sich erst ab einer bestimmten Fläche an Land. Und bei den Landpreisen können Familienbetriebe wie der von Dixon mit Agrarkonzernen nicht mithalten. So werden immer mehr Produkte von immer weniger Firmen erzeugt. Die kleinbäuerliche Landwirtschaft hingegen stirbt. 9 Prozent der Betriebe produzieren in den USA rund 66 Prozent der Güter.
Doch Dixon hat es über die Jahre immer wieder geschafft. Sein Ingenieursstudium, das er abgeschlossen hat, nur um dann doch wieder wie fünf seiner Vorgängergenerationen in die Landwirtschaft zu gehen, hat ihm dabei geholfen, klug zu wirtschaften. „Ich habe einen anderen Blick auf die Dinge. Ich bin mein eigener Agronom“, sagt er. Mit wissenschaftlichen Methoden hat Dixon Effizienzen beim Düngen geschaffen, er hat seinen Boden nachhaltig gepflegt und er hat klug mit verschiedenen Getreidearten diversifiziert. Trotzdem braucht die Familie das Einkommen seiner Frau als Krankenschwester, um über die Runden zu kommen.
Doch das, was jetzt kommt, der neue Handelskrieg, macht ihn extrem nervös. „Die Hälfte meiner Düngemittel kommen aus China“, sagt er. „Die Reifen für meine Traktoren kommen aus Taiwan.“ Und seine Sojabohnen, die er an einen regionalen Vertrieb verkauft, werden den Mississippi hinunter und dann nach Übersee verschifft.
Dixon ist sich der Gefahr bewusst. „Es kann sein, dass wir das nicht überleben“, sagt er. Wenn die Preise für Importartikel wie Düngemittel noch weiter steigen und gleichzeitig die Absatzmärkte für die Produkte verschwinden, könnte das für ihn und viele andere Farmer der Region, die ohnehin schon um ihre Existenz kämpfen, das Aus bedeuten. Der Kansas City Star, die größte Zeitung im Staat, hat in einem langen Editorial „eine Katastrophe für die Bauern von Missouri“ vorausgesagt.
Die Folgen von Trumps Politik im Agrarsektor sind jetzt schon zu spüren. Trump hat zwar die Mehrheit seiner Schutzzölle bis Juli ausgesetzt. Die globalen Einfuhrzölle von 10 Prozent auf alle Güter sind jedoch seit April in Kraft. Nach Rekordzöllen von 145 Prozent für Importe aus China hat Trump die Zölle Mitte Mai vorerst auf 30 Prozent gesetzt. Deshalb liegen die Bestellungen für US-Getreide im Jahr 2025 schon jetzt unter Vorjahrsniveau. China weicht mit seinen Exporten an Düngemitteln und Saatgut wie schon beim letzten Handelskrieg nach Brasilien und Argentinien aus, was die Preise in den USA in die Höhe treibt. Hersteller von Landwirtschaftsmaschinen melden niedrigere Verkäufe, weil die amerikanischen Bauern mit ihren Ausgaben vorsichtig sind.
Die Vereinigung amerikanischer Bauern hat deshalb gewarnt, dass „steigende Zölle das wirtschaftliche Überleben amerikanischer Bauern bedrohen“. Man bittet die Regierung dringend, „die Handelsuneinigkeiten rasch zu beseitigen, damit die amerikanischen Bauern nicht in die Schusslinie eines globalen Handelskrieges geraten“. Selbst der konservative Thinktank American Enterprise Institute glaubt, dass die Folgen von Vergeltungszöllen durch Exportländer wie China langfristig für amerikanische Bauern katastrophale Folgen hätten. China würde sich dauerhaft andere Handelspartner suchen, die steigenden Produktionskosten würden für amerikanische Bauern bei gleichzeitigem Preisverfall untragbar.
Dixon bereut seine Wahlentscheidung für Donald Trump trotzdem nicht. Ja, sagt er, der letzte Handelskrieg, den Trump angezettelt hat, sei schlimm gewesen für die Bauern. Rund 30 Milliarden verlor die US-Landwirtschaft im Jahr 2017. 2018 hätten die Bauern ohne Zölle 4 Milliarden mehr verdient, berechnet das American Enterprise Institute. Und vielleicht komme es diesmal noch schlimmer. Aber es müsse sich doch irgendetwas ändern, meint Dixon, damit Betriebe wie seiner langfristig überleben.
Man hört das in Missouri immer wieder. Das Leben für die Bauern ist, unabhängig davon, wer gerade in Washington das Sagen hat, spätestens seit 2014, wenn nicht schon wesentlich länger, immer härter geworden. Die Prozesse, die Familienbetriebe in der Landwirtschaft in Bedrängnis bringen, überdauern die Politik einer einzelnen Regierung. Klar, sagt Dixon, die erste Trump-Regierung sei schlecht für die Bauern gewesen. „Aber mit Biden ist es auch nicht besser geworden.“ Was bleibt, ist die vage Hoffnung, dass Trumps Versprechen langfristig doch irgendwie wahr werden, „dass wir nach einem Tief endlich von billigem Chinagetreide unabhängig werden“. Und wenn das erreicht würde, wäre er auch dazu bereit, dafür Opfer zu bringen.
Wenn Dixon so redet, dann klingt der Stolz des amerikanischen Bauern durch, des direkten Nachfahren der Pioniere, die einst nach Westen gezogen sind, sich ein Stück Land geschnappt und bestellt haben, um frei und unabhängig zu sein, gleich wie beschwerlich dieses Leben ist. Dixons eigene Vorfahren kamen aus Schweden und Deutschland, bevor sie sich im ausgehenden 19. Jahrhundert hier in Missouri niedergelassen haben.
Dieses Ethos der Unabhängigkeit, der „Self-Reliance“, die der Romantiker Ralph Waldo Emerson vor fast 200 Jahren als nationales Dogma formulierte, wird von der Trump-Rhetorik des Isolationismus und der minimalen Regierung angefüttert. Der amerikanische Farmer will sich selbst genügen und weder von Importen noch von Subventionen noch von sonst etwas abhängig sein. Und darum kämpft er einen erbitterten Kampf. „Ich gebe nicht auf“, sagt Dixon. „Man müsste mich schon von meinem Land vertreiben.“
Trump verspricht, die Lebensweise der Farmer zu erhalten. „Ich liebe meine Bauern“, sagt er immer wieder zu der treuen Wählergruppe, die ihm 2024 zum zweiten Mal zu 70 Prozent ihre Stimmen gegeben hat. So versucht er auch gerade im Rahmen eines Mega-Gesetzes im Kongress 60 Milliarden für die Bauern herauszuschlagen, Geld für Preisgarantien und Ernteversicherungen, das die Landwirtschaft zumindest vorübergehend vor den möglichen Folgen seines Handelskrieges schützen soll. Von den Demokraten fühlten sich die Bauern hingegen gegängelt und schutzlos einem gnadenlosen Globalkapitalismus ausgeliefert, auch wenn die Biden-Regierung 10 Milliarden an Subventionen für die Bauern bewilligte, die ihnen noch in diesem Jahr über die Runden helfen werden.
Subventionen möchten die stolzen Bauern von Missouri jedoch nach Möglichkeit nicht in Anspruch nehmen. Heith Meyer etwa geht die Hutschnur hoch, wenn er das Wort Regierung nur hört. „Wenn du mich fragst, kann mir die Politik insgesamt gestohlen bleiben“, sagt der rund 40-Jährige, der zusammen mit seinem Bruder in der Nähe von Fayette rund 800 Hektar bewirtschaftet. Fayette liegt in der Mitte des Staates, knapp 100 Kilometer westlich von der Farm von Dixon.
Travis Dixon, Bauer
Wir treffen Meyer an einem sonnigen Maitag vor seiner Scheune, als er gerade mit seinem Geländewagen von seinen Maisfeldern zurückkommt. Er ist braungebrannt und athletisch und spricht, wie fast alle hier, einen breiten „Twang“, jenen Südstaaten-Singsang, den die Städter aus dem Nordosten mit Hinterwäldlertum in Verbindung bringen.
Doch wie schon Dixon entspricht auch Meyer nicht dem Klischee des ignoranten Provinzlers, der aus Dummheit auf die Propaganda der Republikaner und Donald Trumps hereinfällt. Meyer ist hellwach und gut informiert, die Komplexitäten seines Geschäftes erläutert er klar und in großem Detail. Dabei klingt er, trotz des schweren Dialekts, allemal kompetenter als der mehrfache Bankrotteur Trump.
In Trump sieht Meyer das geringere Übel eines kaputten Systems, von dem er insgesamt nicht viel erwartet. Die Rhetorik der Republikaner, die Regierung aus den Geschäften der Leute herauszuhalten, gefällt ihm jedoch, die Ideologie der Freiheit und Unabhängigkeit hat hier in Missouri eine lange Tradition. Das geplante Hilfspaket von Trump sieht er dazu nicht im Widerspruch, das sei ja keine Subvention, sondern eine kurzfristige Korrektur. Und er setzt, wie Dixon, Hoffnungen darauf, dass Trump tatsächlich etwas daran liegt, die Lebensweise und die Lebensgrundlage der Bauern erhalten zu wollen. Und diese Lebensweise ist für Meyer das Ein und Alles.
Auch Meyer ist in der fünften Generation Bauer. Doch er hatte nicht das Glück, einen Hof zu erben. Der Boden der Familie wurde in der Erbfolge immer weiter aufgeteilt, irgendwann war das Familienland zu klein, um davon leben zu können.
So musste Meyer nach der Schule erst einmal auf dem Bau arbeiten. Irgendwann hatte er genug angespart, um zusammen mit seinem Bruder auf dem Grund, der einst seiner Familie gehörte, Land zu pachten. Das bewirtschaften die beiden nun gemeinsam, doch der Bruder muss nebenher noch als Holzfäller arbeiten, damit es reicht, seine Frau ist ebenfalls berufstätig. Und trotzdem würde es Meyer nie in den Sinn kommen, etwas anderes zu tun. „Ich gehöre hierher“, sagt er und blickt dabei durch seine verspiegelte Sonnenbrille über die Hügel, auf denen schon sein Urgroßvater Mais und Weizen ausgesät hat.
Dass der Landwirtschaftsstaat Missouri mehrheitlich republikanisch wählt, liegt freilich nicht nur an den Versprechen von Trump. Die kulturellen und historischen Gründe reichen lange vor die Zeit von Trump zurück.
Missouri gehörte praktisch seit dem Ende des Bürgerkriegs zum „Solid South“, dem soliden Block an Südstaaten, auf den die demokratische Partei sich stets verlassen konnte. Dabei war Missouri im Bürgerkrieg ein Grenzfall. Der Staat gehörte dem Norden an, ihm wurde jedoch beim Beitritt zur Union nach einem Kompromiss die Sklavenhaltung weiterhin erlaubt. Die Spaltung des Staates zog sich durch den Bürgerkrieg hindurch. Viele Farmer, die aus dem Süden gekommen waren und sich auf Sklavenarbeit verließen, hegten Sympathien für den Süden. Andere, insbesondere die zahlreichen Einwanderer aus Deutschland, waren entschieden gegen die Sklaverei und hielten zum Norden. Bis nach dem Ende des Krieges gab es gerade rund um Fayette deshalb blutige Guerillakämpfe zwischen den Fraktionen.

Als Richard Nixon zu Beginn der 70er Jahre Präsident wurde, indem er die konservativen weißen Wähler im Süden für sich gewann, wechselte jedoch auch Missouri dauerhaft ins republikanische Lager. Nur als mit Bill Clinton ein Südstaatler für die Demokraten antrat, wählte Missouri noch einmal demokratisch.
Die sogenannte „Southern Strategy“ von Nixon wird oft damit erklärt, dass es ihm gelungen sei, den latenten Rassismus in den Südstaaten anzuzapfen. Eine Strategie, die man im liberalen Norden auch Trump unterstellt. Der strenge Föderalismus der Republikaner, das Beharren der Einzelstaaten darauf, ihre eigene Politik zu machen sowie das Pochen des Individuums auf seinem Recht, nicht von der Regierung gegängelt zu werden, wird als nur dünne Codierung für diesen Rassismus bezeichnet. Bis in die 60er Jahre wurde das Argument dafür verwendet, im Süden weiterhin eine offene Diskriminierungspolitik zu betreiben. Gleiches gilt selbstredend für Trumps Krieg gegen „Wokeness“.
Die Familie von Derek Davis ist so sehr im Staat Missouri verwurzelt, wie es nur irgend geht. Sein Urururgroßvater kam 1821, dem Jahr, in dem das Territorium Missouri in die USA aufgenommen wurde, aus Kentucky und nahm ein Stück Land in Anspruch. Die Konditionen waren günstig, der neue Staat wollte die Besiedlung und Bewirtschaftung fördern. Unter primitivsten Bedingungen begann er Obst und Gemüse anzubauen und Vieh zu züchten. Auf diesen Stammbaum ist Davis stolz. Seine Kinder, die im Rahmen eines Bundesprogramms Zusatzkurse in Agrarökonomie besuchen, werden die sechste Generation von Landwirten in Missouri sein. Seine Tochter, erst 16, vertreibt bereits eine eigene Linie an Bio-Maisgrütze.
Doch Davis ist nicht beim Getreideanbau und bei der Viehzucht stehen geblieben. Wir sitzen in seinem Büro am Rand des Ortes Marshall, dessen Skyline von Getreidesilos ihn als zentralen Umschlagplatz des Landkreises kenntlich macht. Nebenan steht Davis’eigenes Silo, ein 30 Meter hoher doppelter Betonturm.
Seine Firma heißt River Valley Agricultural Exchange, und Davis und seine Frau Lindsey bieten hier eine ganze Palette an Produkten und Dienstleistungen an. Das geht von biologischen Düngemitteln und biologischem Pflanzenschutz bis hin zum An- und Verkauf von Getreide und der nachhaltigen Lagerung. Zudem berät Davis, der jugendlich und dynamisch wirkt und so überzeugend wie fachkundig über sein Gewerbe referiert, Bauern in der Region, die auf nachhaltige Landwirtschaft umsteigen wollen.
Auf das Geschäft ist er gekommen, als er selbst vor Jahren auf Biolandwirtschaft umgestiegen ist und gemerkt hat, dass er die Produkte dazu, wie etwa biologische Düngemittel, nirgendwo in der Gegend bekommen konnte. Also startete er sein eigenes Geschäft und begann den Vertrieb der Mittel und der neuen Techniken.
Wenn er über die Vorzüge von biologischem Anbau spricht, dann beginnt Davis vor Leidenschaft zu glühen. Sofort schnappt er sich einen Filzstift und beginnt auf die Tafel am Ende des Büros Diagramme zu malen. Er zeichnet komplizierte Rechnungen auf, um wie viel gesünder die Erde mit seinen Produkten und Methoden ist und um wie viel höher der Nährstoffgehalt. Und vor allem macht er Rechnungen auf, wie viel Geld die Farmer in Missouri langfristig sparen, wenn sie auf biologischen Anbau umsatteln.
Das Ziel von Davis ist jedoch das gleiche wie das der anderen Bauern von Missouri. Er wünscht sich den Erhalt der Lebensgrundlage und der Lebensweise sowie Freiheit und Unabhängigkeit: von chemischen Großkonzernen, von der Regierung, von Importen. Nur die Wege, die er wählt, sind fortschrittlicher.
Natürlich hat auch Davis Trump gewählt. Zur Hälfte, weil er glaubt, dass es langfristig der Landwirtschaft guttue, Importe zu reduzieren, um die Ertragspreise für die Bauern zu steigern. Zur anderen Hälfte, sagt Davis, seien seine Gründe dafür, Trump zu wählen, „kulturell und sozial“. Was er damit meint, lässt er offen.
Davis ist gewiss ein konservativer Mann, er glaubt an die Erhaltung der hergebrachten Lebensweise und er glaubt ganz sicher an Familie. Aber sich diesen vorwärts denkenden, klugen Mann als Rassisten vorzustellen, wie es die Karikatur des Trump Wählers will, fällt in der Begegnung schwer.
So klingt bei der langen Rückfahrt durch die Felder von Missouri zum Flughafen von Kansas City vor allem ein Satz von Travis Dixon nach. „Wir sind doch nur Familien, die versuchen, über die Runden zu kommen.“ Wie lange das noch klappt, ist freilich ungewiss. Vielleicht noch eine Generation, vielleicht weniger, vielleicht mehr. Das Versprechen, dass die 200 Jahre alte Lebensweise von Missouri mit einfachen Handgriffen dauerhaft zu retten ist, wirkt jedenfalls zweifelhaft. Gleich von wem es kommt. Auch wenn viele Menschen hier das gerne glauben würden.
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