Misshandlung in Hamburg: Flüchtlinge getreten und geschlagen
In einer Hamburger Flüchtlingsunterkunft sollen Wachleute die Menschen misshandelt haben. Zwischen den Bewohnern knallt es ebenfalls: wegen des IS.
HAMBURG taz | Auch in Hamburg dräut ein Skandal um die Misshandlung von Flüchtlingen. Nach einem Bericht des NDR hat ein Wachmann in der Zentralen Erstaufnahmeeinrichung Schnackenburgallee in Hamburg-Bahrenfeld einen Flüchtling getreten, der auf dem Boden lag. Zuvor hatte er ihn so hart angepackt, dass seine Jacke zerrissen sei.
Andere Sicherheitsleute hätten zugesehen, seien aber nicht eingeschritten. „Er ist brutal, er ist ein Monster“, sagte der Flüchtling dem Fernsehmagazin. Derselbe Mitarbeiter habe ihn bei anderer Gelegenheit geschubst und geschlagen. Dafür habe er Zeugen. Auch andere Wachleute sollen – seiner Aussage nach – Flüchtlinge geschlagen haben.
Das Landeskriminalamt hat Ermittlungen aufgenommen. Ausgelöst durch die Misshandlungsvorwürfe in Nordrhein-Westfahlen hatte Innensenator Michael Neumann (SPD) ohnehin eine penible Überprüfung der eingesetzten Mitarbeiter der Wachdienstfirmen angeordnet, die offiziell von dem städtischen Träger der Unterkünfte, „fördern & wohnen“, beauftragt werden. „Dem Hinweis ist unverzüglich nachgegangen worden“, sagt Hamburgs Polizeisprecher Andreas Schöpflin.
Dass das Erstaufnahmelager Schnackenburgallee ein Pulverfass ist, das hat der Fraktionschef der Linkspartei in der Bezirksversammlung Altona, Robert Jarowoy, mehrfach problematisiert. Da der Bezirk Altona durch alle Fraktionen hinweg als flüchtlingsfreundlich gilt, ist die Erstaufnahmeunterkunft in den letzten 16 Monaten von der Innenbehörde stetig ausgebaut worden. Mehr als 1.000 Flüchtlinge aller Herkunftsländer und ethnischer Gruppen sind zum Teil ohne Trennung in den Wohncontainer und in 32 Betten-Großzelten unterbracht. Bis zum Winter sollen weitere 300 Plätze dazukommen.
Dschihadisten und Salafisten
In der Unterkunft kommt es immer häufiger zu Konflikten zwischen ethnischen Gruppierungen. Jesidische Flüchtlinge berichteten von Angriffen durch Dschihadisten aus dem Umfeld Islamischer Staat (IS). Das sagt die Linkspartei-Bürgerschaftabgeordnete Cansu Özdemir.
So habe ein ägyptischer Flüchtling aus dem Umfeld der Moslembruderschaft nach einem Streit 10 bis 15 Salafisten von außerhalb des Lagers geholt. „Sie drohten, uns „Kurden“ zu enthaupten, und wurden gewalttätig“, habe ihr ein Jeside berichtet. Nachdem erneut Dschihadisten versuchten, einzudringen und jesidische Flüchtlinge anzugreifen, hält die Polizei Wache vor der Flüchtlingsunterkunft.
„Die Situation ist sehr angespannt,“ sagt Özdemir. „Weder die Erwachsenen noch die Kinder können die Zelte, geschweige denn die Unterkunft verlassen.“ Auch Christen fühlten sich bedroht. Ein IS-Anhänger habe ihn zwingen wollen, ein Kreuz über seinem Bett abzuhängen, berichtete ein junger Aramäer Özdemir.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Debatte um SPD-Kanzlerkandidatur
Schwielowsee an der Copacabana
BSW und „Freie Sachsen“
Görlitzer Querfront gemeinsam für Putin
Urteil nach Tötung eines Geflüchteten
Gericht findet mal wieder keine Beweise für Rassismus
Papst äußert sich zu Gaza
Scharfe Worte aus Rom
Wirtschaftsminister bei Klimakonferenz
Habeck, naiv in Baku
Aktienpaket-Vorschlag
Die CDU möchte allen Kindern ETFs zum Geburtstag schenken