Missbrauch in Armenien: Hände weg von Kindern!

Das Parlament stimmt für eine Resolution des Europarates, die Kinder vor sexuellen Missbrauch schützten soll. Rechte Kreise laufen dagegen Sturm.

Jubelnde Kinder in Yerevan

Lanzarote Konvention zum Schutz von Kindern gegen sexuellen Missbrauch wurde ratifiziert Foto: Imago

BERLIN taz | Kleine Revolution in Armenien: Das Parlament der Südkaukasusrepublik hat am Dienstag die Konvention des Europarates zum Schutz von Kindern gegen sexuellen Missbrauch (Lanzarote Konvention) ratifiziert. Die Vorschrift, die am 25. Oktober 2007 in Kraft trat, hatte die Ex-Sowjetrepublik 2010 unterzeichnet. Seitdem hing das Projekt bei den Abgeordneten in der Warteschleife.

Die Abstimmung, die ohne längere Aussprache stattfand, war von Protesten rechtsgerichteter Gruppen vor dem Parlamentsgebäude in der Hauptstadt Jerewan begleitet. Mit dabei waren auch Vertreter der Bewegung Kamq. Diese gerieren sich gerne als Verteidiger traditioneller Familienwerte, die sie durch die Übernahme von Vorschriften, wie der Lanzarote Konvention, gefährdet sehen.

Auf der Straße kam es auch zu einem verbalen Schlagabtausch mit Gayane Abrahamyan, Abgeordnete der Regierungspartei Mein Schritt. Die Frage, ob sie gegen die Konvention stimmen werde, beantwortete sie mit einer Gegenfrage: Wo denn die Protestierenden gewesen seien, als ein Berater des damaligen Regierungschefs Tigran Sargsjan Kinder missbraucht habe. Besagter Berater, ein einflussreicher Geschäftsmann, war wegen Vergewaltigung von Minderjährigen in mehreren Fällen zu 15 Jahren Haft verurteilt worden.

Gevorg Petrosyan, Abgeordneter der oppositionellen Partei Blühendes Armenien ist ein erklärter Gegner der Konvention. Er wendet sich vor allem dagegen, dass das Thema sexueller Missbrauch in den Lehrplan für Schulen aufgenommen werden soll. Die Lehrkräfte hätten ihren SchülerInnen ja wohl andere Dinge beizubringen, entrüstete er sich. Vielmehr solle das Strafrecht verschärft werden. Auch Vertreter des Klerus seien dieser Auffassung.

Fortschritt bremsen

Vor allem Politiker wie Petrosyan, aber auch die Orthodoxe Kirche Armeniens stehen an vorderster Front, wenn es darum geht, gesellschaftlichen Fortschritt zu bremsen.

Auch um die Europaratskonvention zur Verhinderung häuslicher Gewalt (Istanbul Konvention) ist ein veritabler Kulturkampf entbrannt. 2018 von Jerewan gezeichnet, stand das Dokument mehrfach auf der Tagesordnung des Parlaments.

Nicht zuletzt wegen massiver Proteste nationalistischer Kreise steht eine Ratifizierung jedoch bis heute aus. Eins der zentralen Argumente gegen die Konvention ist, dass damit ein drittes Geschlecht quasi durch die Hintertür eingeführt werde.

Diese Kontroversen muten bizarr an angesichts des Umstandes, dass häusliche Gewalt in Armenien mittlerweile erschreckende Ausmaße angenommen hat. Nach Angaben von FrauenrechtlerInnen hat sich die Anzahl derartiger Fälle seit dem Ausbruch der Coronakrise sogar noch erhöht.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.