Missbrauch an Jesuiten-Schulen: Pater bestreitet Vorwürfe
Im Skandal um den katholischen Jesuiten-Orden meldet sich nun einer der mutmaßlichen Täter zu Wort. Den Missbrauch gibt der ehemalige Pater zu. Sexuelle Übergriffe bestreitet er.
BERLIN taz | Fast zwei Wochen lang war er für die Medien nicht ansprechbar. Nun meldet er sich zu Wort: Wolfgang S., einer der beiden mutmaßlichen Täter beim Skandal um Missbrauch an Jugendliche am Berliner Jesuiten-Kolleg Canisius, hat sich aus Chile mit einer Erklärung an die taz gewandt. Darin gibt er zu, Kinder mit Schlägen misshandelt zu haben. Sexuelle Übergriffe aber bestreitet er.
"Es ist richtig, dass ich in den Jahren meiner Lehrtätigkeit Minderjährige, die mir anvertraut und in gewissem Sinne abhängig von mir waren, unter Missbrauch meiner pädagogischen und kirchlichen Autoritätsstellung teilweise mit beträchtlicher Härte durch Schläge misshandelt habe", schreibt er. Allerdings habe er "zu keiner Zeit und an keinem Ort mit Minderjährigen Sexualkontakt im Sinne von Genitalberührung, Penetration, Vergewaltigung, Exhibitionismus oder Voyeurismus gehabt". Zudem beteuert er, dass er "weder homosexuell noch pädophil veranlagt" sei.
Dem damaligen Pater Wolfgang S. wird vorgeworfen, in seiner Zeit als Lehrer für Deutsch, Religion und Sport zwischen 1975 und 1979 Jugendliche misshandelt zu haben. Mehrere Betroffene hatten sich beim jetzigen Rektor des Canisius-Kollegs, Pater Klaus Mertes, gewandt, der mit diesen Informationen vor knapp zwei Wochen an die Öffentlichkeit gegangen war. An den beiden Jesuiten-Schulen in Hamburg und St. Blasien im Schwarzwald, wo S. zwischen 1979 bis 1984 tätig war, hat es angebliche ebenfalls Übergriffe gegeben. Auch in Chile, wo er ab 1985 weilte, soll er sich des sexuellen Missbrauchs schuldig gemacht haben.
Nun stellt sich die Frage: War es Missbrauch im Sinne von brutaler Schläge, die einer zu der Zeit durchaus noch verbreiteten verqueren Pädagogik entspringen? Oder war es sexueller Missbrauch? In einem Brief an die Betroffenen vom 20. Januar hatte S. selbst zugegeben, dass er Missbrauch begangen habe. Nun schreibt er, dass verschiedene Medien "teilweise Zitate aus dem Zusammenhang gerissen, in einen neuen Kontext gestellt oder teilweise schlicht gefälscht" hätten. Eine Reihe von Meldungen würden nachweislich einer illegalen Ausspähung vertraulicher E-Mail-Korrespondenz entstammen und seien Medien "in Form von manipulierten Textauszügen" übermittelt worden. Das Ergebnis dieser Art von Berichterstattung habe in der Öffentlichkeit Fehlinterpretationen provoziert", beschwert sich S.
Thomas Busch, Sprecher der deutschen Jesuitenprovinz sagte, dass es bei Wolfgang S. - zumindest nach derzeitigem Kenntnisstand - tatsächlich keine Hinweise auf sexuelle Übergriffe gebe. Und auch der Ordensleiter der deutschen Jesuiten, Stefan Dartmann, sprach davon, dass S. 1992 in einem Fragebogen zur Rückversetzung in den Laienstand Übergriffe gestanden hat. Diese hätten in einem "exzessiven körperlichen Bestrafungsritual" bestanden, nicht aber in sexuellem Missbrauch. Zu dem aktuellen Schreiben von S. will sich die Ordensspitze nicht äußern, um den Ergebnissen der Missbrauchsbeauftragten des Ordens, Ursula Raue, nicht vorauszugreifen. Die Ansprechpartnerin für die Opfer der Übergriffe im Canisius-Kolleg, die Anrufe und E-Mails von ehemaligen Schülern des Jesuiten-Gymnasiums sammelt und auswertet, geht inzwischen von 30 Opfern aus. Und längst gebe es nicht nur Verdachtsfälle an Jesuiten-Schulen. Es hätten sich auch Personen mit Berichten über Missbrauch in anderen Institutionen der katholischen Kirche gemeldet. Raue will voraussichtlich kommende Woche ihre Ergebnisse bekannt geben.
In dem Schreiben beteuert Wolfgang S., auch von den Vorwürfen gegen seinen im gleichen Zusammenhang immer wieder genannten damaligen Mitbruder Peter R. nichts gewusst zu haben. Er kenne diesen früheren Kollegen zwar. Von ihm "etwa begangene Verfehlungegen gegen Minderjährige" sei S. aber weder früher noch heute etwas bekannt. Zugleich nutzte S. die Erklärung auch, um aus seiner Sicht ein weiteres Missverständnis aus der Welt zu schaffen. Einem Presseorgan hatte er mitgeteilt, dass er inzwischen mit sich "im Reinen" sei. Dies treffe auf sein "schon Jahrzehnten andauerndes fehlerfreies Verhalten" gegenüber Minderjährigen zu und den Betroffenen, mit denen er sich aussprechen konnte. Bezüglich der anderen, mit denen bislang keine Aussprache stattgefunden hat, könne davon "selbstverständlich" nicht die Rede sein. Er wolle sich der Auseinandersetzung stellen.
Leser*innenkommentare
Siegfried Paul Posch
Gast
@ Antwort, an hto, "08.02.2010 17:28 UHR"
"Katholisch" - "jesuitisch": im Namen der "Domus
S. Petri Canisii" erhalte ich von "P. Martin
Lugmayr FSSP"
http://www.kathpedia.com/index.php/Martin_Lugmayr
(ich zitiere als Mitarbeiter der im Stil zum
Verwechseln ähnlichen "Wikipedia")
ein E-Mail. Man sehe es, so kann ich das E-Mail
wirklich nur auslegen, als möglich an, ein
"u n i t a r i s c h e s" Bekenntnis des Jahres
1820 u.Z. mit dem eigenen in Einklang zu bringen.
Die Debatte zu dem Punkt schien mir zuletzt zu
stocken. Ob eine Frage sie wieder in Gang bringen
kann? Ich denke an folgende Frage: Muß man,
begründbar, die von Lovro von Matacic dirigierte
Aufnahme von Webers FREISCHÜTZ für die beste
halten? Wir verdanken den Besitz der Aufnahme
dem insistierenden Angebot des Musikgeschäfts
unweit des oberen Endes der Grazer Wieland-Gasse,
praktisch "next door" - Englisch, ein "must",
obwohl "must" zuletzt bekanntlich als französisches
Substantiv zu gelten hat: trotzdem - zur "Hypo-
Bank".
Siegfried P. Posch
andyconstr
Gast
Kinder haben mit Sex eigentlich wenig zu tuen, das sollte einen Geistesmann eigentlich aufgehen.Aber das Zölibat ist auch ein Joch das ich heute kaum jemanden wünschen würde.Die Institution katholische Kirche sollte sich überlegen, ob sie damit noch am Menschen dran ist, wer heute nicht den Menschen berücksichtigt, ist von Gestern und wird nicht mitgenommen wie Jesus dies prophezeite.Gebt dem Sex endlich einen Sinn, so wie die Bibel dazu hinweise liefert, holt ihn aus der Schmuddelecke und niemand wird mehr schmutzig.Unkonventionell eben.;-)
Annenmarie Kunz
Gast
Wie früher üblich, es wird solange umdefiniert, bis dass nichts mehr übrigbleibt.In der gesamten Gesellschaft. Das bestimmt letztlich das Opfer, was sexueller Mißbrauch ist. Da reicht eigentlich schon "anzügliches" Glotzen.Oder zweideutige Sprüche.
Stefan
Gast
Absolut kein pardon, aber: Geschlagen wurde in meiner Schulzeit selbst in den achtziger Jahren noch. Die Frau des Rektors- auch Lehrerin- verteilte gerne Kopfnüsse.
Keller Klaus
Gast
Sadismus gibt er zu, wie schön!
Sollen sich die Opfer jetzt bedanken?
Auf welchem Stern lebt der Mann?
Ist er in Chile weil er hofft von dort nicht ausgeliefert zu werden, macht er dort einfach weiter?
Ich habe von Betroffenen die solche und andere übergriffe erlebt haben oft gelesen und gehört das das Gefühl des ausgeliefert seins das schlimmste war.
Liebe Betroffene : wendet euch an die Polizei, nehmt einen Anwalt sucht Unterstützung bei einem Therapeuten außerhalb der Kirche,gründet Selbsthilfegruppen und habt den Mut euch endlich gegen diese Personen zu wehren!
Ihr seid nicht mehr wehrlos!
klaus keller hanau
Pecuchet
Gast
Ich stimme Tanja zu. Die Grenze zwischen der erwähnten exzessiven Gewalt des Paters gegen Schüler (den Bestrafungsritualen) und sexuellem Mißbrauch ist kaum zu ziehen. Man kann auch an der Ausübung von Gewalt sexuellen Genuß erleben, dies nennt man Sadismus.
Die Formulierung aus dem Text, solche Gewaltexzesse wären damals (Ende der 70ger Jahre) noch im Sinne einer verqueren Pädagogik vorstellbar gewesen, kann ich dagegen nicht nachvollziehen. Ich habe selbst damals ein Gymnasium besucht und zumindest an meiner Schule, die ich für eher durchschnittlich halten würde, hätte ein Lehrer, der Schüler körperlich attackiert, mit der Schulleitung ernsthafte Probleme bekommen.
hto
Gast
Katholizismus - wenn diese Scheißsymptomatik des "Christentums" jetzt nicht endlich verboten wird, dann sollte wenigstens der Papst zum Rücktritt gezwungen werden!?
Wolfgang
Gast
Wir leben in einem Rechtsstaat. Wenn es tatsächlich bisher keine Hinweise auf sexuell motivierte Übergriffe gibt, dann ist es unverantwortlich den Mann diesbezüglich vorzuverurteilen. Man muss das Ende der Untersuchungen abwarten. Prügelstrafe ist ja in sich schon strafbar.
Tanja
Gast
Sexualisierte Gewalt beinhaltet so viel mehr als "Penetration und Vergewaltigung". Ist es Zufall, dass es immer die männlichen Täter sind, die sich auf diese Weise rausreden wollen? Als nächstes folgt dann "das war nur ein Missverständnis" und wenn das auch nicht mehr hilft dann eben "du wolltest es doch auch".